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Entwicklung psychischer Erkrankungen im Erwerbsleben: Wo liegen die Risikofaktoren? – Langzeitbetrachtung

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Dresden, 26. Oktober 2023 – Immer mehr Menschen in Sachsen melden sich wegen psychischer Erkrankungen arbeitsunfähig. Von den rund zwei Millionen Erwerbstätigen im Freistaat wurden mittlerweile etwa 7,8 Prozent, mehr als 160.000, mindestens einmal im Jahr wegen psychischer Leiden krankgeschrieben, wie Analysen auf Basis von Versichertendaten der Barmer ergeben haben. Demnach ist in Sachsen binnen acht Jahren die Zahl derjenigen, die wegen seelischer Erkrankungen im Job ausfallen, um rund 23.000 angestiegen.

Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der BARMER in Sachsen

Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der BARMER in Sachsen

„Wir beobachten diese Entwicklungen mit Sorge, und zwar auch mit Blick auf all diejenigen, die diese Arbeitsausfälle abfedern müssen“, sagt Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der Barmer Sachsen. Problematisch sei vor allem, dass psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeiten in der Regel sehr lange dauern. Daher sei es wichtig, Risiken zu identifizieren und präventiv entgegenzuwirken. Gefragt sei dabei die Gesellschaft als Ganzes, aber auch jede und jeder Einzelne sowie nicht zuletzt die Unternehmen.

Wenig Betroffene, aber viele Fehltage

Den Auswertungen im aktuellen Barmer Gesundheitsreport zufolge dauert eine Krankschreibung aufgrund seelischer Leiden bei sächsischen Beschäftigten im Schnitt sechs Wochen. Die bedeutsamste Diagnosegruppe ist dabei die der „affektiven Störungen“, mit denen in den allermeisten Fällen Depressionen dokumentiert werden. Rund zwei Prozent der sächsischen Beschäftigten und somit etwa 40.000 Personen fallen jährlich mindestens einmal mit Depressionsdiagnosen im Job aus. „Bei rund zwei Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern insgesamt in Sachsen mag das zunächst nicht viel erscheinen“, sagt Barmer-Landeschefin Welfens. Halte man sich aber vor Augen, dass eine Erwerbsperson mit einer depressiven Episode im Schnitt 58 Tage im Jahr krankgeschrieben ist, werde das Problem deutlich. „Im Durchschnitt sind Erwerbspersonen in Sachsen diagnoseübergreifend bei einer Erkrankung nur 12,5 Tage krankgeschrieben. Dabei verursachen vergleichsweise wenige Betroffene eine insgesamt sehr hohe Zahl an Ausfallzeiten. Deshalb ist es wichtig, die Risikofaktoren zu minimieren, Ursachen zu bekämpfen und Betroffenen bestmöglich zu helfen“, so Welfens weiter.

Anstieg der Krankschreibungen bei jungen Menschen am höchsten

„Jungen Menschen scheinen die multiplen Krisen der vergangenen Jahre besonders zuzusetzen“, sagt Monika Welfens angesichts weiterer Auswertungen im Barmer Gesundheitsreport. Denn besonders in jungen Altersgruppen hat der Anteil jener zugenommen, die wegen psychischer Leiden krankgeschrieben waren. Traf dies im Jahr 2020 noch auf 6,7 Prozent der 15- bis 19-Jährigen zu, waren im Jahr 2021 hingegen 7,2 Prozent mindestens einmal wegen seelischer Beschwerden arbeitsunfähig gemeldet. Am höchsten waren die Steigerungen bei den 20 bis 24-Jährigen. Hier stieg der Anteil von 6,7 auf 8,0 Prozent. Bei den über 55 bis 59-jährigen Beschäftigten dagegen gab es einen leichten Rückgang von 9,1 auf 8,9 Prozent Betroffene. „Ganz gleich welchen Alters, eine gesunde Psyche ist Grundstein für privaten und beruflichen Erfolg und nicht zuletzt Lebensqualität“, so Barmer-Landeschefin Welfens. „Die Arbeitgeber können viel dazu beitragen, dass beispielsweise depressiv erkrankte Mitarbeiter rascher in eine professionelle Behandlung kommen und neben großem Leid so auch Kosten vermieden werden. Dafür ist es nötig, dass in den Unternehmen Basiswissen und auch Handlungskompetenz zu Depression und Suizidprävention vorhanden ist. Schulung von Personalverantwortlichen und Führungskräften sowie Aufklärung aller Mitarbeiter sind nötig“, fordert Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention e.V.. Er weist darauf hin, dass Depression zu den gut behandelbaren Erkrankungen gehören.

Mehr Gesundheitsbildung

Der Barmer Gesundheitsreport hat weiterhin Zusammenhänge zwischen Bildungsniveau und dem Auftreten von psychischen Erkrankungen sichtbar gemacht. So liege das Risiko einer psychischen Störung bei Menschen mit Realschulabschluss deutlich über dem Risiko von Abiturientinnen und Abiturienten. Das setze sich auch nach der Schule fort. Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung seien mehr als doppelt so häufig betroffen, wie promovierte Personen. „Fast jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens mit der einen oder anderen Art von psychischen Erkrankungen in Berührung kommen. Es kann einen selbst, Angehörige oder Freunde betreffen“, sagt die Barmer Landeschefin und weist darauf hin, dass Gesundheitswissen bereits stärker in der Schule vermittelt werden sollte. „Warnsignale erkennen, Risiken minimieren“, laute die Devise bei psychischen Problemen. Denn diese hätten häufig einen langjährigen Vorlauf. „Das bietet die Chance, mit einfachen Mitteln effektiv entgegenzuwirken“, so Welfens.

Einfluss von Arbeitsplatz- und Wohnortwechsel

Überraschend deutlich waren laut Barmer Gesundheitsreport die Indizien, dass bei Menschen, die häufiger ihren Arbeitsplatz- oder Wohnort wechselten, mehr Erkrankungen erfasst wurden. Beschäftigte mit längerfristiger Tätigkeit an einem Arbeitsplatz und damit auch einem längerfristigen Aufenthalt an einem Wohnort scheinen geringere Risiken für psychische Erkrankungen zu haben. Prof. Hegerl ergänzt allerdings: „Oft ist beispielsweise eine Depression selbst Auslöser für mehrfache Arbeitsplatzwechsel. Alle depressiv erkrankten Arbeitnehmer fühlen sich krankheitsbedingt erschöpft und überfordert. Bei den wenigsten ist jedoch die berufliche Überforderung Ursache der Erkrankung. Entscheidend ist, ob eine Veranlagung zur Depression vorliegt oder nicht. Wird die Arbeit fälschlicherweise als Ursache der Depression angesehen, so kann dies zu falschen Lebensentscheidungen wie Frührente oder Wechsel zu einem weniger anspruchsvollen Arbeitsplatz führen. Kommt es dann im Verlauf des Lebens zu einer weiteren Krankheitsphase, dann zeigt sich: die Arbeit war nicht schuld. Allerdings hat sich dann die Lebenssituation zum Beispiel durch den Wechsel in einen weniger gut bezahlten Job oft eher verschlechtert. Zudem ist bei Menschen, die immer wieder in depressive Krankheitsphasen rutschen, das Risiko erhöht, den Arbeitsplatz zu verlieren“, betont Hegerl weiter. Wer auf ein gefestigtes, offenes soziales Umfeld bauen könne, habe bessere Chancen mit seiner Erkrankung umzugehen, auch bei größeren Belastungen oder Dauerstress.

Risiken im beruflichen Umfeld minimieren – Betriebliches Gesundheitsmanagement unterstützt

„Im beruflichen Umfeld gibt es Risikofaktoren, beispielsweise Kombinationen aus hohen Arbeitsanforderungen und geringem Tätigkeitsspielraum oder hohe Verausgabung bei geringer Belohnung. Auch Mobbing, ein schlechtes Arbeitsklima oder Konflikte am Arbeitsplatz können psychischen Belastungen befördern, die in vielen Fällen vermeidbar wären“, sagt die Barmer-Chefin. Unternehmen kämen daher nicht umhin, sich stärker um die psychische Gesundheit ihrer Beschäftigten zu kümmern. Nicht nur das körperliche, auch seelische Wohlbefinden gelte es daher im beruflichen Alltag zu fördern. Dafür gebe es mittlerweile zahlreiche niederschwellige Unterstützungsangebote, beispielsweise in Form von Apps oder Gesundheitskursen, die Versicherte bei ihren Krankenkassen meist kostenlos nutzen können. Unternehmen, die ihre Beschäftigten auch seelisch fit halten möchten, könnten sich ebenfalls Hilfe holen, sich individuell beraten und unterstützen lassen. 

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