Kommt es zu einem Pflegefall, hat die Pflege in der gewohnten Umgebung für die meisten Menschen oberste Priorität. Dieser sehr "menschliche Wunsch" wird durch eine Reihe von Maßnahmen der Pflegeversicherung unterstützt. Es gilt der Grundsatz: ambulant vor stationär. Fällt die Entscheidung zur Pflege im häuslichen Umfeld, ist das oft eine Entscheidung für viele Jahre. "Die Anpassungen der konkreten Wohnumgebung an die Bedürfnisse des pflegebedürftigen Menschen oder der Umzug in eine bedarfsgerechte Wohnung kann das Führen eines selbstbestimmten Lebens trotz Pflegebedürftigkeit fördern und das Wohlbefinden deutlich erhöhen. Die Barmer GEK hat im Pflegereport 2015 festgestellt, dass Leistungen zur Wohnumfeldverbesserung vielen Betroffenen nicht bekannt sind. Hier müssen wir ansetzen und für mehr Transparenz sorgen", sagt Paul-Friedrich Loose, Landesgeschäftsführer der Barmer GEK in Sachsen.
Bis 4.000 Euro Zuschuss für Umbaumaßnahmen
Um den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu fördern, gewährt die Pflegeversicherung Zuschüsse zum Umbau der Wohnung bis zu 4.000 Euro. Gemäß eigener Hochrechnungen aus den Routinedaten der Barmer GEK wurden diese Leistungen bundesweit bis 2014 von rund 65 Tsd. Pflegebedürftigen genutzt. In Sachsen werden aktuell rund 93.000 Menschen mit Pflegestufen in häuslicher Umgebung gepflegt. Sie erhalten Pflegegeld oder werden von ambulanten Pflegediensten betreut, auch eine Kombination aus beidem ist möglich. Diese Versicherten können Zuschüsse zur Wohnumfeldverbesserung erhalten. "In Sachsen haben bisher nur knapp ein Prozent (0,94 %) aller dieser Anspruchsberechtigten den Zuschuss für eine Umbaumaßnahme oder für einen Umzug in eine bedarfsgerechtere Wohnung in Anspruch genommen", beschreibt Loose die aktuelle Situation. Bundesweit sieht es nicht besser aus. Auch hier waren es nur wenige Fälle mehr (1,06 %). In den meisten Fällen handelte es sich um den Einbau von Duschen, Treppenliften, Handläufen und Haltegriffen sowie WC-Umbauten.
Leistungen sind nicht allen Versicherten bekannt
"Um die Gründe der Nutzung oder Nichtnutzung von wohnumfeldverbessernden Maßnahmen genauer analysieren zu können, haben wir rund 5.000 anspruchsberechtigte Versicherte befragt", so Loose. Von der Hälfte der Befragten wurden die eigenen Wohnungen als nicht barrierefrei eingestuft. Waren wohnumfeldverbessernde Maßnahmen zum Einsatz gekommen, wurden diese von den Nutzern durchgängig als sehr positiv bewertet. Dennoch wurden entsprechende Leistungen nur in begrenztem Umfang beantragt. Etwa die Hälfte der befragten Versicherten, die eine entsprechende Maßnahme durchgeführt haben, hat den Rat, einen Antrag zu stellen, von offizieller Seite (Pflegekasse, MDK, Pflegestützpunkt oder Pflegedienst) erhalten. Ein Drittel derjenigen, die diese Leistungen nicht genutzt haben, gab an, nicht zu wissen, dass die Pflegeversicherung Zuschüsse für Umbaumaßnahmen bezahlt. "Hier bestehen unübersehbare Informationslücken. Diese zu schließen ist nicht nur ein Beitrag zur Verbesserung der Versorgung, sondern kann auch vielen Betroffenen helfen länger in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben. Das darf nicht allein Aufgabe der Pflegedienste und Pflegekassen sein, sondern muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe werden", sagt Loose und fordert Kooperationspartner wie beispielsweise Städte und Gemeinden oder auch Wohnungsgenossenschaften mit ins Boot zu holen.
Altersgerechter Wohnraum in Sachsen
Eine bedarfsgerechte Versorgung der sächsischen Bevölkerung mit entsprechendem Wohnraum hat sich der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG) zur Aufgabe gemacht. "Es ist von großer Wichtigkeit, dass die vorhandenen finanziellen Möglichkeiten zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes der Bevölkerung bekannt sind und auch genutzt werden", sagt Dr. Axel Viehweger, Vorstand des Verbandes. Er sieht auch die Wohnungsgenossenschaften als Vermieter in der Pflicht, die eigenen Bewohner zielgerichtet zu informieren. "Die Sensibilisierung der Bevölkerung ist ein weiterer Schritt, der zur Schaffung barrierearmen Wohnraums beitragen kann", sagt er und meint damit die Kosten, die den Wohnungsgenossenschaften entstehen, wenn sie vorhandenen Wohnraum umbauen. Er begrüßt, dass die Pflegekassen Zuschüsse für individuelle Umbaumaßnahmen oder technische Hilfen im Haushalt zahlen. Denn die Wohnung muss immer auch bezahlbar bleiben. "In Zukunft werden wir weiter mit der Barmer GEK und vielen anderen Partnern zusammenarbeiten, um innovative Lösungskonzepte für eine zukunftsgewandte gesundheitliche, mobile und soziale Versorgung in einer alternden Gesellschaft anbieten zu können", beschreibt Viehweger eine wichtige zukünftige Zielsetzung seines Verbandes. Der Erfolg einer integrierten Versorgung pflegebedürftiger Menschen und die Gewährleistung des Rechts auf Selbstbestimmtheit jedes Einzelnen liegen in der Zusammenarbeit aller Akteure auf lokaler, regionaler und Landesebene. Darüber sind sich Barmer GEK und VSWG in Sachsen absolut einig.
Hintergrund Barmer GEK Pflegereport 2015
Alljährlich analysiert der Pflegereport aktuelle Entwicklungen und langfristige Trends bei der Versorgung von Pflegebedürftigen und der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung, um durch die Bereitstellung dieser Informationen die Grundlage für eine kontinuierliche Verbesserung des Pflegesystems zu bilden. Die Berichterstattung beruht dabei auf öffentlich zugänglichen Daten, insbesondere der amtlichen Statistik, und auf der Analyse der Routinedaten der Barmer GEK. Zu speziellen Themen – wie für das Schwerpunktthema dieses Reports – wurden in Kooperation der Universität Bremen mit der Barmer GEK Versichertenbefragungen durchgeführt.
Weitere Informationen zum Thema Pflege unter: www.barmer-gek.de/s050003