Dresden, 24. Januar 2022 – Die COVID-19-Pandemie beeinflusste die Heimpflege in Sachsen seit dem Jahr 2020 entscheidend. Zu diesem Fazit kommt der aktuelle Pflegereport der BARMER. In der zweiten Welle der Coronapandemie, von Oktober bis Dezember 2020, erkrankten in Sachsen zwar nur etwa 2,6 Prozent der sächsischen Bevölkerung, jedoch mehr als 16 Prozent der Heimbewohnenden. Der Höhepunkt in der gesamten Coronapandemie wurde in stationären Pflegeeinrichtungen mit fast 18 Prozent im Dezember 2020 erreicht. Damit waren sächsische Heimbewohnende nicht nur stärker und früher als die Bevölkerung vor Ort betroffen, sondern auch deutlich mehr als Heimbewohnende anderer Bundesländer. Die Betroffenenquote in den Pflegeeinrichtungen bundesweit lag im selben Zeitraum bei nur durchschnittlich acht Prozent. Auch die sächsischen Pflegekräfte in den Pflegeheimen waren in besonderem Maße betroffen. Ihre Arbeitsunfähigkeitsquoten lagen, in den beiden ersten Wellen bis zu fünf Mal höher als bei Beschäftigten in anderen Wirtschaftszweigen. Der absolute Spitzenwert mit 167 Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen je 10.000 Pflegefachkräfte im Pflegeheim wurde allerdings erst im März 2022 erreicht. „Für viele Menschen hat Corona seinen Schrecken scheinbar verloren. Corona-Maßnahmen werden immer weiter heruntergefahren. Doch Heimbewohnende müssen weiterhin vor Infektionswellen geschützt werden. Hier finden sich besonders vulnerable Gruppen und überlastete Pflegekräfte. Wir brauchen daher auch weiterhin Schutzkonzepte mit Augenmaß, vor allem für die Seniorinnen und Senioren in den Pflegeheimen und zur Entlastung der Pflegekräfte“, fordert Dr. Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der BARMER in Sachsen.
Risiken für Pflegeheimbewohnende am größten
Der absolute Höchstwert an infizierten Heimbewohnerinnen und -bewohnern sachsenweit wurde laut Pflegereport, mit einem Betroffenenanteil von 17,8 Prozent, im Dezember 2020 registriert. Insbesondere bei Pflegebedürftigen mit höheren Pflegegraden wurden während der zweiten Welle im Freistaat sowohl hohe Infektionsraten als auch Sterbezahlen erfasst. Nach Hochrechnungen der BARMER verstarben im Jahr 2020 57 von 1.000 sächsische Pflegebedürftige mit dem Pflegegrad fünf, mehr als 30 mit Pflegegrad vier und rund 12 mit Pflegegrad drei. Insbesondere bei den Verstorbenen mit Pflegegrad fünf gab es gegenüber dem Jahr 2019 (55 je 1.000) eine Zunahme. Im Jahr 2021 (52 je 1.000) gingen dagegen die Zahlen deutlich zurück. Sie lagen dann sogar unter den Werten des Jahres 2019. Menschen mit diesen Pflegegraden werden zumeist stationär gepflegt. Laut Report waren in den ersten beiden Coronawellen bundesweit bis zu 61 Prozent der mit COVID-19 Verstorbenen Heimbewohnende. Im Januar 2021 startete dann die bundesweite Impfkampagne, mit Priorisierung auf die Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen. „Das Einhalten der Hygieneregeln und der Start der Impfkampagne, mit Priorisierung auf eine der vulnerabelsten Bevölkerungsgruppe war wichtig, richtig und erfolgreich“, sagt Magerl. Sie habe im Freistaat zu einem massiven Rückgang der Erkrankungsraten bei den Heimbewohnenden geführt und auch die Sterberaten abgesenkt. Die Rate an erkrankten Pflegebedürftigen in Heimen sei bis April 2021 in Sachsen auf rund sechs Prozent gesunken. In der sächsischen Bevölkerung habe sie bei 1,9 Prozent gelegen. Die Anzahl der Sterbefälle unter Pflegebedürftigen, insbesondere mit Pflegegrad fünf, sei im Jahr 2021 ebenfalls gesunken. „Die durchgeführten Impfungen haben dazu geführt, dass die Zahl der mit COVID-19 Erkrankten und auch Verstorbenen in Pflegeheimen in der vierten Welle zwar immer noch hoch, aber deutlich unterhalb der zweiten Welle lag. Mit der Impfung ist es gelungen deutlich mehr Menschen in den Heimen zu schützen“, so der BARMER Kassenchef. In der sächsischen Bevölkerung dagegen habe die Zahl der Infizierten in der vierten Welle zugenommen und deutlich über dem Niveau der zweiten Welle gelegen. Allerdings sei das Erkrankungsrisiko und die Betroffenheit der Heimbewohnenden auch am Ende des Betrachtungszeitraums 2021 noch immer sehr hoch gewesen. „Um die Vorbereitung auf neue Varianten des Virus und weitere Wellen kommen wir auch in Zukunft nicht herum“, sagt Magerl. „Im Pflegeheim leben die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Gerade Sie bedürfen weiterhin unseres Schutzes. Daher gilt es, für die Zukunft die richtigen Schlüsse zu ziehen und Schutzkonzepte mit Augenmaß für weitere und auch andere mögliche Infektionswellen zu entwickeln“, fordert Magerl.
2022 mehr Corona-Fälle bei Pflegefachkräften als je zuvor
Noch nie waren in Sachsen mehr Pflegefachkräfte von Corona betroffen wie im Jahr 2022. Im März und Juli des Jahres gab es in dieser Berufsgruppe so viele Krankschreibungen mit einer COVID-19-Erkrankung wie nie zuvor. Der absolute Spitzenwert wurde im März 2022 erreicht. Die Zahl der arbeitsunfähig geschriebenen Pflegekräfte in Sachsen lag damit deutlich über dem Bundesmittel von 158 je 10.000 betroffenen Pflegefachkräften in anderen Bundesländern. Im Vergleich zum März 2021 (28 je 10.000) waren es sachsenweit fast sechs Mal so viele Krankmeldungen. Die Kontaktsperren im Pflegeheim, die Hygienemaßnahmen, einschließlich der Verpflichtung für das Personal, Masken zu tragen, sowie der pandemiebedingte Personalausfall haben die Arbeit der Pflegekräfte sehr erschwert und an deren Kräften gezehrt. Selbst die emotionale Zuwendung, die sonst von Angehörigen geleistet werde, mussten diese Berufsgruppe noch zusätzlich schultern. Im Vergleich zu den Beschäftigten in anderen Wirtschaftszweigen lagen die Arbeitsunfähigkeitsquoten für sächsischen Pflegekräfte im Pflegeheim in den beiden ersten Wellen bis zu fünf Mal höher. „Um für weitere COVID-19-Wellen oder Pandemien gewappnet zu sein, ist es entscheidend, die Zahl der Beschäftigten in der Pflege zügig zu erhöhen. Nur so kann sichergestellt werden, dass keine Abwärtsspirale aus Überforderung der Mitarbeitenden und erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten entsteht“, fordert der Kassenchef.
Pandemiebedingt: Weniger Wechsel von häuslicher in die stationäre Pflege
Zu Beginn der Pandemie hat es laut Report bundesweit bei einem Wechsel von der häuslichen in die stationäre Pflege offensichtlich große Bedenken gegeben. Im gesamten Bundesgebiet sind weniger Pflegebedürftige vollstationär gepflegt worden. Die Anzahl der Menschen, die von der häuslichen in die stationäre Pflege wechselten, sank bundesweit von jeweils über 25.000 im April der Jahre 2018 und 2019 auf rund 17.000 im Mai 2020. Das entspricht einem Minus von rund einem Drittel. „Dieser Rückgang hatte mehrere Gründe. Zum einen war aufgrund der Kontaktbeschränkungen der Zugang zu Pflegeeinrichtungen erschwert oder zeitweise gar nicht möglich. Auch hatten die Angehörigen Sorge, dass sie ihre Nächsten bei einer Unterbringung in einem Pflegeheim nicht besuchen können. Durch Lockdown und Homeoffice konnte die Pflegesituation zudem auch in der Häuslichkeit durchgeführt werden“, sagt Sebastian Thieswald, Gesellschafter und Geschäftsführer der ASPIDA GmbH & ASPIDA Plauen GmbH. Im späteren Verlauf der Pandemie ist laut BARMER Report das Vertrauen in die Pflegeheime wieder gewachsen und die Zahl der Menschen, die vom häuslichen in das stationäre Setting wechselten, gestiegen. “Durch jahrelange Erfahrung im Umgang mit multiresistenten Erregern, waren wir auch vor Corona bereits mit hoher Fachkompetenz nicht nur in Hygienefragen tätig. Die Sensibilisierung im Umgang mit derartigen Gefahrensituationen wurde durch Corona selbstverständlich nochmals intensiviert. Eine wichtige Erkenntnis ist darüber hinaus, insbesondere die Angehörigen sehr frühzeitig mitzunehmen, um Ihnen Sorgen und Ängste zu nehmen. Inzwischen ist Corona daher für uns ein beherrschbares Thema, dessen Bewältigung man uns ohne weiteres und ohne externe Einwirkung zutrauen kann“, erläutert Thieswald und der BARMER Kassenchef ergänzt: „Es ist wichtig, dass sich Menschen darauf verlassen können, im Bedarfsfall professionell und engagiert gepflegt zu werden. Dafür müssen wir uns als Gesellschaft einsetzen. Gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten gehören genauso dazu, wie Schutzkonzepte für Zeiten von Infektionswellen. Diese Lehre sollten wir aus der Corona Pandemie für die Zukunft ziehen.“
Mehr Informationen zum Report: www.bifg.de - Pflegereport 2022 www.barmer.de/p019225