Cornelia Lüddemann, Fraktionschefin der Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt, will das Thema Gesundheit zu einem Schwerpunkt in der neuen Legislaturperiode machen. Was das für die Krankenhäuser und die ambulante Versorgung in Sachsen-Anhalt bedeutet und wie es um die versprochenen Investitionsmittel für die Kliniken steht, sagt sie im Interview mit Standortinfo.
Standortinfo: Frau Lüddemann, in Ihrer Bewerbung um Listenplatz 1 der Grünen zur Landtagswahl 2021 haben Sie das Thema Gesundheit zu einem Schwerpunkt gemacht. Sie wollen die 47 Krankenhausstandorte im Land so verändern, dass sie dauerhaft als medizinische Versorgungsstandorte gesichert sind. Was bedeutet das konkret?
Cornelia Lüddemann: Dort wo heute ein wichtiger Gesundheitsstandort ist, soll auch in Zukunft einer sein – in der Fläche wie in der Stadt, für Kinder genauso wie für alte Menschen. Viele Standorte werden als Krankenhäuser bestehen bleiben, andere Standorte müssen wir aber so umbauen, dass sie der Daseinsvorsorge auch gerecht werden. In der Basisversorgung muss es in den Krankenhäusern eine Notaufnahme, Chirurgie, Geburtshilfe oder auch Gynäkologie geben. Doch darüber hinaus muss eine stärkere Schwerpunktbildung erfolgen. Nicht jede Leistung wird künftig in den starren Krankenhausstrukturen von heute erfolgen – viele Eingriffe, die früher noch stationär erfolgt sind, können heute ambulant gemacht werden. Wir wollen die Sektoren neu zusammenbringen.
Schwerpunktbildung im stationären Bereich fordern viele Akteure im Gesundheitswesen – doch wie kann das Land konkret dazu beitragen, dieses Vorhaben besser voranzubringen?
Erstens muss man den Krankenhausplan anders strukturieren. Und zweitens wollen wir als Land in den nächsten Jahren deutlich mehr Geld in die Ausstattung der Krankenhäuser investieren als bisher – das können wir als Steuerungsinstrument nutzen und die Investitionsmittel beispielsweise an Spezialisierungen der Kliniken knüpfen.
Apropos Investitionsmittel: Warum braucht die schwarz-rot-grüne Koalition so viel Zeit, sich über ein Gutachten zur Verteilung dieser Mittel einig zu werden? Wann können die Krankenhäuser mit dem Geld rechnen?
Dieses Thema ärgert uns als Grüne. Wir sehen uns zwischen den Fronten von CDU und SPD beziehungsweise Finanzministerium und Sozialministerium. Aus unserer Sicht ist klar, wo die Bedarfe sind, das haben die Krankenhausträger in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht. Dafür benötigen wir kein weiteres Gutachten. Was wir jetzt brauchen, ist ein runder Tisch im Sozialministerium, um einen mittelfristigen Plan zur Verteilung der Mittel zu erarbeiten. Natürlich ist das Haus aktuell mit der Bewältigung der Corona-Pandemie stark beschäftigt – doch auf den anderen Feldern darf es keinen Stillstand geben. Einen Austausch zu den Finanzmitteln für die Krankenhäuser könnte man auch digital anschieben. Was während der Pandemie viele Unternehmen geschafft haben, sollte auch die Landesverwaltung hinbekommen.
Videosprechstunden haben sich in den vergangenen Monaten etabliert. Trotzdem hakt es bei der Telemedizin in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu anderen Ländern noch an der ein oder anderen Stelle. Warum?
Ich denke, beim Breitbandausbau haben wir in dieser Legislaturperiode einen Schritt nach vorne gemacht. Dass da aber noch viel Luft nach oben ist, das stimmt. Deshalb setzen wir als Grüne auf ein Telemedizinisches Zentrum. Das kann Ärzte und Gesundheitseinrichtungen bei rechtlichen Fragen unterstützen, technische Hilfe leisten und Brücken über größere Entfernungen bauen. Die Telemedizin eröffnet ja die Gelegenheit, über Stadt-, Kreis- oder Landesgrenzen hinaus die Versorgung zu verbessern. Es gibt bereits Vorzeigeprojekte wie die bessere Notfallversorgung für Schlaganfallpatienten im Altmark-Klinikum in Gardelegen, das mit der Charité kooperiert. Solche Projekte brauchen wir mehr!
Oft machen Kooperationen heute an Kreis- und Landesgrenzen halt…
Das wollen wir ändern. Als Grüne werden wir Gesundheitskonferenzen über Landkreise hinweg anstoßen, um die Versorgung zu verbessern. Ambulant, stationär, Pflege – alle Gesundheitsakteure sollen sich trägerübergreifend an einen Tisch setzen, um zu schauen, welche Strukturen schon da sind und wie Lücken in der Versorgung geschlossen werden können. Das macht aus Punkten der Wirtschaftlichkeit Sinn, aber auch aus Versorgungsgesichtspunkten. Wir kriegen im ländlichen Raum erhebliche Probleme, wenn wir nicht Dinge anders machen als bisher.
Und das löst am Ende das Problem, dass sich nur wenige Ärzte auf dem Land niederlassen wollen?
Wir müssen die Klassen Allgemeinmedizin an den Universitäten in Halle und Magdeburg weiterentwickeln und brauchen auch eine Quote bei den Medizinstudierenden für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Dass das allein den Ärztemangel nicht löst, ist klar. Hier müssen aber auch die Kommunalpolitiker ihre Verantwortung wahrnehmen und das Umfeld für Daseinsvorsorge schaffen. Bürgermeister, Verwaltungen und Gemeinderäte können Gebäude sanieren oder die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren anschieben. Die letzten Monate haben deutlich vor Augen geführt, dass die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung essenziell ist. Deshalb müssen hier stärkere Schwerpunkte gesetzt werden. Auch gilt es die Gesundheits- und Pflegeberufe zu stärken, so dass heutige rein ärztliche Leistungen in Zukunft auf mehr Schultern verteilt werden können. Etwa die (Teil-)Akademisierung dieser Berufe wird diesbezüglich viel Potential für eine Übertragung ärztlicher Leistungen bieten.