Magdeburg, 8. Januar 2020 – Sachsen-Anhalt liegt beim Verbrauch von Blutkonserven deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Zwischen Arendsee und Zeitz sind im Jahr 2017 bei 7,2 Prozent aller Operationen Bluttransfusionen gegeben worden – das ist der dritthöchste Wert in Deutschland (Bundesdurchschnitt: 6,6). Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern mit 7,7 Prozent. Bayern ist Spitzenreiter, dort werden bei 6,1 Prozent der Operationen Blutkonserven eingesetzt. Immerhin ist der Trend in Sachsen-Anhalt positiv: 2009 waren noch bei 9,6 Prozent der OPs Bluttransfusionen zum Einsatz gekommen. „Bluttransfusionen können Leben retten, daran besteht kein Zweifel. Kein Zweifel besteht aber auch daran, dass die Ressource Blut immer knapper wird“, sagte Axel Wiedemann, Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen-Anhalt, bei der Vorstellung des Barmer-Krankenhausreports am Mittwoch in Magdeburg mit Blick auf die sinkende Zahl der Blutspender. Die Krankenkasse plädiert deshalb für eine konsequente Umsetzung des Konzepts Patient Blood Management (PBM) in Sachsen-Anhalts Kliniken, um mehr Blut einzusparen. Mit dem PBM werden Patientinnen und Patienten optimal auf Operationen vorbereitet und Blutverluste bestmöglich reduziert.
Geringere Sterblichkeit bei guter Vorbereitung
Helfen kann Patient Blood Management vor allem Menschen mit Blutarmut (Anämie). „Der Barmer-Krankenhausreport zeigt auf, dass Patienten, die unter einer Blutarmut leiden und vor einer planbaren Operation nicht entsprechend behandelt wurden, schlechtere Behandlungsergebnisse aufweisen. Darüber hinaus ist auch die Sterblichkeitsrate bei bestimmten Eingriffen höher“, sagte Wiedemann. Allein in Sachsen-Anhalt wurde nach Auswertungen der Barmer im Jahr 2017 bei rund 100.000 Menschen eine Blutarmut dokumentiert – die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher sein. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge sind etwa 25 Prozent der Bevölkerung von Blutarmut betroffen – das würde mehr als 500.000 Menschen in Sachsen-Anhalt entsprechen.
Anämie bleibt oft unentdeckt
Bei einer Anämie ist der Hämoglobinwert des Blutes vermindert, was den Bedarf an Bluttransfusionen im Falle eines Blutverlustes signifikant erhöht. In zahlreichen Fällen bleibt die Blutarmut jedoch unentdeckt. Wird sie aber vor planbaren Operationen im Rahmen des PBM erkannt und mit einer Ernährungsumstellung oder der Gabe von Eisenpräparaten behandelt, sind bessere Behandlungsergebnisse, eine niedrigere Sterblichkeitsrate, kürzere Krankenhausaufenthalte, geringere Kosten und ein geringerer Verbrauch an Blutkonserven die Folge. Patienten mit Blutarmut bekommen wesentlich häufiger Bluttransfusionen verabreicht als Patienten ohne. Beispielsweise haben in den Jahren 2005 bis 2016 rund 67 Prozent der Patienten mit Blutarmut bei einer Bypass-Operation am Herzen eine Transfusion erhalten. Demgegenüber stehen Patienten ohne Blutarmut, von denen beim gleichen Eingriff lediglich 49 Prozent eine Bluttransfusion gegeben werden musste. Die Sterblichkeitsrate nach Bypass-Operationen liegt bei Anämie-Patienten bei 4,3 Prozent, bei Patienten ohne Blutarmut lediglich bei 1,8 Prozent.
In Sachsen-Anhalt ist noch kein Krankenhaus im PBM-Netzwerk
Neben der gezielten Behandlung von Anämien geht es beim Patient Blood Management darum, Patientinnen und Patienten durch die Stärkung körpereigener Blutreserven optimal auf Operationen vorzubereiten. Bei den OPs kommen blutsparende Techniken wie minimalinvasive Eingriffe zum Einsatz. Außerdem wird darauf geachtet, dass die Blutgerinnung funktioniert oder Wundblut aufbereitet und zurückgegeben wird. Häufig ist es zudem möglich, das Volumen der Blutprobenröhrchen zu verringern. Blutverluste vor, während und nach planbaren Eingriffen fallen so wesentlich niedriger aus, Transfusionen samt Risiken werden unwahrscheinlicher. „Zahlreiche Bluttransfusionen sind mit dem Patient Blood Management vermeidbar“, sagte Wiedemann. „Ob und in welchem Umfang Patient Blood Management in Sachsen-Anhalt umgesetzt wird, ist leider nicht bekannt“, bedauerte Wiedemann. In Deutschland sind bisher rund 40 Kliniken im „PBM-Netzwerk“ aktiv, in Sachsen-Anhalt ist noch kein Krankenhaus dabei. Ein zentrales Landesregister oder anderweitige Informationsquellen für Patienten gibt es nicht. Die Kliniken sollten ihre Verfahrensweise mit Blutkonserven deshalb öffentlich transparent machen, forderte Wiedemann.
Klinikum Magdeburg nimmt eine Vorreiterrolle ein
In Sachsen-Anhalt setzt das Klinikum Magdeburg bereits blutsparende Techniken ein. „Unser Ziel ist es schon immer, so viel wie nötig und so wenig wie möglich zu transfundieren“, sagt Regina Gnade, Laborleiterin am Klinikum Magdeburg. In dem kommunalen Haus werden Indikationen sorgsam und streng gestellt. 2017 hatte sich die Klinikum Magdeburg gGmbH an das PBM-Netzwerk gewandt. „Zum damaligen Zeitpunkt gab es EDV-Probleme, weitere Kliniken in das Netzwerk einzubinden“, berichtet Regina Gnade. Der Datenaustausch war damals also eine Einbahnstraße. „Wir erhielten dennoch wertvolle Hinweise und Anregungen zum PBM“, sagt sie. Das Ergebnis: Die Mitglieder der Transfusionskommission haben begonnen, die bisherige Strategie mit allen Verantwortlichen dem PBM anzupassen. Entwicklungsschwerpunkte der Klinikum Magdeburg gGmbH sind seitdem:
Appell an das Land: Mehr Investitionen nötig
Durch diese Maßnahmen ist im Klinikum Magdeburg im Vergleich von 2015 zu 2019 eine Reduktion der Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten um 25 Prozent erreicht worden. Das entspricht etwa 1500 EK. Mit diesem Ergebnis stehe man nicht allein da, berichtet die Laborleiterin. „Ich kenne aus Fortbildungen viele transfusionsverantwortliche Ärzte aus Kliniken unseres Landes, die in ihren Einrichtungen die gleichen Anstrengungen unternehmen.“ Doch was ist erforderlich, um die Situation in Sachsen-Anhalt weiter zu verbessern? Regina Gnade findet klare Worte: „Aus unserer Sicht sind Investitionen des Landes notwendig, um Ausrüstungen in den Operationssälen schneller auf den neuesten Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen wie es in der Richtlinie Hämotherapie gefordert wird.“ Es werden Mittel für moderne Diagnostiksysteme, das Gerinnungsmanagement ( z.B. Rotem) sowie für Software und Schnittstellen benötigt, die eine einfache Erfassung und Auswertung der Daten ermöglichen. Des Weiteren sollten sich aus Sicht von Regina Gnade auch andere Akteure des Gesundheitswesens mit PBM beschäftigen. „Hier muss sektorenübergreifend gedacht werden, sodass sich auch die Kollegen im ambulanten Bereich und den Laboren für die Thematik öffnen und die Patientinnen und Patienten bereits in den Praxen adäquat auf eine OP vorbereitet werden.