Standortinfo: Frau Dr. Späthe, erinnern Sie sich noch daran, wie Sie damals in den Landtag gekommen sind?
Dr. Verena Späthe (SPD): Natürlich, das vergisst man nicht. Das war 2006. Ich war damals schon viele Jahre im Stadtrat in Merseburg und auch im Kreistag aktiv und irgendwann bin ich gefragt worden, ob ich nicht für den Landtag kandidieren möchte. Nach der Wahl habe ich dann den Bereich der Politik für Menschen mit Behinderung übernommen. Das hat gut gepasst, da ich bereits beruflich als Geschäftsführerin eines Sozialen Betreuungswerks gearbeitet hatte und mir die Einarbeitung in die Aufgaben leichtgefallen ist.
Die Arbeit im Ausschuss für Soziales, zu dem auch das Feld Gesundheit gehört, haben Sie 15 Jahre mitgeprägt. An welche Schwerpunkte erinnern Sie sich sofort?
Seit 2006 hat sich in der Gesundheitspolitik natürlich vieles verändert. Wir haben die Einführung der DRGs im Krankenhausbereich begleitet oder die Entstehung von MVZs erlebt, als noch der Gedanke an die alten Polikliniken im Raum stand und alle dachten, das wäre Schnee von gestern. Heute sieht man, wie sich diese bewähren. Auch die Sanierung der gesamten Krankenhauslandschaft habe ich miterlebt, in Merseburg ist beispielsweise ein vollständig neu gebautes Klinikum entstanden. Wenn man das so rückblickend betrachtet, merkt man erstmal, dass sich in den vergangenen 15 Jahren in Sachsen-Anhalt sehr viel getan hat. Was insbesondere in den letzten fünf Jahren nochmal anders war, ist die Tatsache, dass vielen Akteuren stärker bewusst geworden ist, dass Gesundheit ein Markt ist.
Bedauern Sie das?
Ich bin der Meinung, dass bestimmte Bereiche der Daseinsfürsorge nicht dem Wettbewerb ausgesetzt sein sollten. Zu denken, „der Markt wird es schon richten“, das halte ich persönlich für falsch. Das System ist so wie es ist, das lässt sich auch nicht von heute auf morgen zurückdrehen. Aber man muss da Anpassungen vornehmen, wo es notwendig ist.
Welche Anpassungen sind aus Ihrer Sicht denn notwendig, wo liegen die Defizite in der Gesundheitsversorgung in Sachsen-Anhalt?
Viele Dinge in der Gesundheitspolitik werden auf Bundesebene entschieden. Die nächste Koalition muss deshalb unbedingt darauf dringen, dass das Finanzierungssystem im Krankenhausbereich weiterentwickelt wird. Es stellt sich – auch aufgrund der demografischen Entwicklung – ganz deutlich heraus, dass die Krankenhäuser die Daseinsvorsorge mit dem aktuellen DRG-System nicht umfänglich absichern können. Darüber hinaus geht es darum, konsequent den Einstieg in die sektorenübergreifende Versorgung zu schaffen und Prozesse umzustellen. Das Pflegepersonal kann viel mehr, als es ihnen Ärzte oft zutrauen. Wir müssen die „Götter in Weiß“ dazu bringen, dass sie mehr Aufgaben übertragen.
Über die sektorenübergreifende Versorgung und die Substitution von Leistungen wird schon sehr lange diskutiert. Warum sind da so dicke Bretter zu bohren?
Hier kommt der Unterschied von Politik und Standesdenken zum Tragen. Man kann als Politiker Gesetzentwürfe machen, aber deswegen sind diese in der Praxis noch lange nicht Realität. Der Teufel steckt oft im Detail, Gewohnheiten lassen sich schwer einreißen. Und ganz besonders schwierig ist es, wenn man versucht, es allen Recht zu machen. Daran scheitert Politik auch manchmal.
Welchen Tipp haben Sie für Ihre Nachfolger?
Egal wie hart der Streit in der Sache ist – man sollte immer sachlich bleiben und nie persönlich werden. Die Höflichkeit und der gegenseitige Respekt sind in den vergangenen fünf Jahren im Parlament ein wenig auf der Strecke geblieben, das war in meinen ersten beiden Legislaturperioden noch anders. Die AfD hat mit ihrer Bierzeltstimmung das Klima oft bewusst angeheizt und war nur wenig an Lösungen interessiert. Hier Ich wünsche ich mir wieder einen sachlicheren Politikstil. Was mich darüber hinaus noch ärgert, ist die Tatsache, dass es noch nicht gelungen ist, die U-Untersuchungen im Kleinkindalter gesetzlich zu verankern. Das scheiterte bei uns immer an verfassungsrechtlichen Bedenken, aber ich fände es gut, wenn es eine Verpflichtung gäbe, dass Eltern mit ihren Kindern zu diesen Untersuchungen gehen müssen. In Bayern, Hessen und Baden-Württemberg sind das Gesetze – es steht uns nicht gut zu Gesicht, dass wir da in Sachsen-Anhalt an der ministerialen Bürokratie scheitern.
Mitte April ist die letzte Plenarsitzung. Mit welchen Emotionen gehen Sie da hinein?
Das wird bestimmt eine sehr lange Sitzung werden – alles, was noch offen ist, wird auf die Tagesordnung kommen. Eigentlich freue ich mich darauf, aber ein bisschen seltsam wird es schon sein, da meine Fraktion vor einem großen personellen Umbruch steht und viele Abgeordnete nicht wieder für den Landtag kandidieren. Da Petra Grimm-Benne weitermacht, bleibt das Thema Gesundheit in der SPD gut besetzt.
Worauf freuen Sie sich nach Ihrer Zeit im Landtag am meisten?
Ach, Langeweile wird keine aufkommen. Ich habe ja noch viele Funktionen vor Ort, ich bin AWO-Vorsitzende in Merseburg, Vorsitzende des Fördervereins der Hochschule Merseburg und im Kreistag bleibe ich ebenfalls aktiv. Und dann freue ich mich auch darauf, endlich mehr Zeit für meine Enkel zu haben!