Die Nutzung von Gesundheitsdaten in der Forschung, Prävention, Diagnostik und Therapie könnte einen erheblichen Beitrag zur Förderung der Gesundheit vieler Menschen leisten. Allerdings ist die umfangreiche Datennutzung im Gesundheitswesen aus unterschiedlichen Gründen noch nicht möglich. Dies zeigte das Barmer-Länderforum, das die Landesvertretungen Rheinland-Pfalz/Saarland und Hessen der gesetzlichen Krankenversicherung im Atrium Hotel Mainz veranstaltet haben. Hochrangige Vertreter aus Politik, Wissenschaft und dem Gesundheitswesen diskutierten dort Möglichkeiten und Grenzen der Datenerhebung und -nutzung im Gesundheitswesen.
Barmer: Mit Gesundheitsdaten medizinische Versorgung verbessern
Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland, sagte: „Jeden Tag entstehen unzählige Daten im Gesundheitswesen, zum Beispiel Informationen über Diagnosen, Behandlungen und Krankheitsverlauf. Wir verfügen über einen riesigen Schatz an Gesundheitsdaten, der jedoch nicht systematisch für die medizinische Versorgung genutzt wird.“ So würden große Chancen vergeben werden, denn diese Daten seien wertvolles Wissen. „Unser Ziel ist eine innovative und datengestützte medizinische Versorgung, die die individuell beste Behandlung für Patientinnen und Patienten ermöglicht. Mit einem Gesundheitsdatennutzungsgesetz, das einen vereinfachten Zugang zu Gesundheitsdaten schafft bei gleichzeitigem Schutz des Persönlichkeitsrechts, könnten wir die medizinische Versorgung auf ein neues Niveau heben“, betonte Kleis.
Gesundheitsdaten als Motor für Fortschritt begreifen
Martin Till, Landesgeschäftsführer der Barmer in Hessen, ergänzte: „Unsere Gesundheitsversorgung in Hessen und Rheinland-Pfalz kann effizienter und besser werden, wenn wir Gesundheitsdaten, ihre konsequente Nutzung und Vernetzung als Motor für Fortschritt, Ressourcensteuerung und Erneuerung begreifen. Unterlassene Datennutzung schützt vor allem alte Strukturen, die unsere Versorgung stärker vom Geldfluss im Gesundheitswesen abhängig machen, als von tatsächlichen Bedarfen. Es ist an der Zeit das zu ändern und auf datenbasierten und nutzenorientierten Fortschritt zu setzen.“
Bundesministerium für Gesundheit: Datenökosystem benötigt
Das Potenzial für die Nutzung von Gesundheitsdaten für eine bessere Gesundheitsversorgung und die Datenverfügbarkeit in Deutschland verdeutlichte Dr. Verena Kurz, Leiterin der Projektgruppe „Datenraum Gesundheit“ im Bundesministerium für Gesundheit. Sie sagte: „Unser Ziel ist, das volle Potenzial von Gesundheitsdaten zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Deutschland auszuschöpfen. Denn zu einem lernenden Gesundheitssystem gehört, dass qualitativ hochwertige und repräsentative Gesundheitsdaten für Forschung, Entwicklung, Qualitätssicherung und Evaluation genutzt werden können. Dafür brauchen wir ein nationales Datenökosystem, in dem Datenhalter über Sektorengrenzen hinweg vernetzt sind. Gleichzeitig dürfen wir bei Forschung und Innovation nicht nur national denken, sondern brauchen einen europäischen Ansatz. Nur durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit können wir zum Beispiel valide Datensätze für die Analyse von seltenen Erkrankungen erschließen oder europäische Test- und Trainingsdatensätze für die Entwicklung vertrauenswürdiger Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz ermöglichen.“
Digitales Krebsregister erfasst Daten zu Tumorerkrankungen
Das klinische Krebsregister Rheinland-Pfalz als Beispiel für ein dynamisch lernendes Gesundheitssystem stellte Antje Swietlik vor. Sie ist Geschäftsführerin des rheinland-pfälzischen klinischen Krebsregisters und erklärte: „Das Krebsregister Rheinland-Pfalz erfasst digital und flächendeckend alle Patientendaten zu Auftreten, Behandlung und Verlauf von Tumorerkrankungen, wertet sie nach wissenschaftlichen Standards aus und stellt Ärztinnen und Ärzten sowie der Wissenschaft eine qualitätsgesicherte Datenbasis und eigene Auswertungen zur Verfügung. So werden erfolgreiche Behandlungsmethoden schneller sichtbar und Fortschritte in der Früherkennung, Diagnostik, Behandlung und Nachsorge gefördert. Voraussetzung dafür ist die Vollzähligkeit der Meldungen über alle onkologischen Behandlungen in Rheinland-Pfalz. Nur dann können wir den gesamten Krankheitsverlauf darstellen und auswerten. Die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer digitalen Prozesse und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz spielen dafür eine entscheidende Rolle.“
Digitalisierungsstrategie des Uniklinikums Frankfurt
Dr. Michael von Wagner, ärztlicher Leiter der Stabstelle „Medizinische Informationssysteme und Digitalisierung“ am University Center for Digital Healthcare des Universitätsklinikums Frankfurt stellte die Digitalisierungsstrategie des Uniklinikums Frankfurt und des Projekts „SATURN“ vor: „Am Universitätsklinikum Frankfurt wird seit 20 Jahren die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung vorangetrieben, das University Center for digital Healthcare vereint mittlerweile die drei wesentlichen Säulen Technik, Anwender und Wissenschaft. Das Projekt SATURN ist ein Beispiel für den Mehrwert, den eine solche Zusammenarbeit intern und mit externen Partnern erbringen kann. Ziel des Projekts ist, auf Basis der digital vorliegenden Informationen aus Patientenakten mit Hilfe verschiedener Methoden der Künstlichen Intelligenz und unter Einbeziehung der späteren Anwender eine Plattform zur Diagnoseermittlung zu entwickeln. Diese Plattform soll zukünftig niedergelassene Ärzte in der Diagnosefindung bei Patienten mit einem unklaren Krankheitsbild unterstützen und Hinweise auf geeignete Experten oder nächste Schritte in der Versorgung ihrer Patienten geben. Dieser Ansatz beschleunigt die richtige Weiterversorgung und kann Warte- und Wegezeiten für Patienten sparen.“