STANDORTinfo für Rheinland-Pfalz und das Saarland

Auf künftige Bundesregierung warten enorme Herausforderungen in der Gesundheitspolitik

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Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland, erklärt, welche Projekte die künftige Bundesregierung in der Gesundheitspolitik dringend anpacken muss.

Dunja Kleis steht vor einer Wand.

Foto: BARMER/C. Costard

Deutschland hat gewählt. Auf die künftigen Koalitionäre in Berlin warten enorme gesundheitspolitische Herausforderungen. Im Mittelpunkt wird dabei stehen, die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung für die Aufgaben der nächsten Jahre stark zu machen sowie die medizinische und pflegerische Versorgung der gesetzlich Versicherten bestmöglich zu organisieren. Dafür braucht es eine unabhängige und starke Selbstverwaltung mit den nötigen Freiräumen für die Gestaltung der medizinischen Versorgung.

Krankenkassenbeiträge müssen stabil gehalten werden

Die Gesetzgebung der vergangenen Jahre hat zu enormen zusätzlichen Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung und damit für die Beitragszahlenden geführt. Um die Akzeptanz in der Bevölkerung für das beitragsfinanzierte System nicht zu gefährden, müssen die Beiträge stabil gehalten werden. Der Gesetzgeber ist gefordert, die zur Verfügung stehenden Finanzmittel ausgewogen und verantwortungsvoll einzusetzen. Darüber hinaus muss der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich umfassend weiterentwickelt werden, damit Krankenkassen für die Versorgung ihrer Versicherten die nötigen Finanzmittel zugewiesen bekommen. Reformen müssen sowohl auf die Verbesserung der Versorgung ausgerichtet sein, als auch auf die Effizienz des Systems. Die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen ist Aufgabe der öffentlichen Hand.

Gesetzgeber muss die Unabhängigkeit der Selbstverwaltung stärken

In der gesundheitspolitischen Gesetzgebung der vergangenen Jahre zeichnet sich ein Trend zu staatlichen Eingriffen in die Kompetenzen der gemeinsamen Selbstverwaltung ab. Dies führt zu einer zu kleinteiligen Regulierung der Versorgung und einer unsachgemäßen Verwendung von Beitragsgeldern für staatliche Aufgaben. Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Die Selbstverwaltung steht in der Verantwortung für eine Gesundheitsversorgung, die sich an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten ausrichtet. Sie besitzt dafür die Kompetenzen und das notwendige Wissen. Für den Wettbewerb um Qualität und Effizienz benötigt sie Freiräume. Der Gesetzgeber muss die Unabhängigkeit der Selbstverwaltung stärken.

Krankenhausstrukturen modernisieren

Nötig ist im Krankenhausbereich eine stärkere Bedarfs- und Qualitätsorientierung vor allem durch bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben. Nur so entstehen zukunftsfähige und finanzierbare Versorgungsstrukturen. Die kürzlich verabschiedete Krankenhausreform erreicht diese Ziele jedoch absehbar nicht. Während die ursprünglichen Reformvorschläge noch verbindliche und strikte Qualitätsanforderungen etwa im Rahmen von Versorgungsstufen vorsahen, sind im Gesetzgebungsverfahren zu viele Abstriche gemacht worden. Gleichzeitig führt die Reform für die Beitragszahlenden zu erheblichen Kosten, ohne dass es zu notwendigen Strukturanpassungen kommt.

Krankenhäuser: einheitliche Vorgaben des Bundes nötig

Der Erfolg einer Krankenhausstrukturreform steht und fällt mit einem länderübergreifenden einheitlichen Rahmen für mehr Qualität und damit Patientensicherheit in der stationären Versorgung. Besonderes Augenmerk fällt dabei nun auf die von Bund und Ländern zu beschließenden Verordnungen zu Leistungsgruppen und Mindestvorhaltezahlen. Denn die Qualität der Krankenhausversorgung darf nicht zwischen den Bundesländern variieren und muss gleichbleibend hoch sein. Daher bedarf es einheitlicher Vorgaben seitens des Bundes auch bei der Zuordnung von Leistungsgruppen zu den Krankenhausstandorten. Die Bundesländer müssen diese verpflichtend anwenden. Abweichungen müssen auf ein Minimum begrenzt, befristet und mit entsprechenden Zielvorgaben erfolgen. Zugleich dürfen sie nur im Einvernehmen mit den Kostenträgern im jeweiligen Bundesland Anwendung finden.

Beitragsmittel nicht zweckentfremden

Beitragsmittel der gesetzlich Versicherten dürfen nicht für staatliche Aufgaben zweckentfremdet werden. So liegt etwa die Pauschale, die der Bund an die gesetzliche Krankenversicherung für die gesundheitliche Versorgung von Bürgergeldbeziehern zahlt, seit Jahren weit unter den tatsächlichen Leistungsausgaben für diese Versichertengruppe. Auch die Bereitstellung der Krankenhausstrukturen ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und liegt damit nicht in der finanziellen Verantwortung der Beitragszahlenden. So ist es die verfassungsrechtliche und gesetzliche Pflicht der Bundesländer, die Kosten für die Investitionen der Krankenhäuser zu tragen. Dennoch kommen die Länder dieser Verpflichtung seit Jahrzehnten nicht ausreichend nach. Die Bundesländer müssen deshalb endlich die Investitionsmittel für Krankenhäuser signifikant erhöhen. Bei der Umsetzung der Krankenhausreform und des darin vorgesehenen Krankenhaus-Transformationsfonds wird die gesetzliche Krankenversicherung künftig dauerhaft an der Finanzierung der Krankenhausstrukturen beteiligt. So wird die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet, innerhalb der nächsten zehn Jahre bis zu 25 Milliarden Euro aus Beitragsgeldern zur Weiterentwicklung der Krankenhausstrukturen aufzubringen. Diese systemwidrige Zweckentfremdung von Versichertengeldern muss in der kommenden Legislaturperiode rückgängig gemacht werden.

Abschaffung der Budgetierung ist falscher Weg

Die Budgetsystematik in der vertragsärztlichen Versorgung hat sich bewährt und sichert medizinische Qualität und Wirtschaftlichkeit. Eine Abschaffung der Budgetierung ist der falsche Weg, da sie das einzige Instrument zur wirksamen Mengenbegrenzung ist. Beim Wegfall der Budgetierung ist mit einer medizinisch nicht begründbaren Leistungsausweitung und erheblichen Mehrkosten für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung zu rechnen.

Pflege: Leistungsbeträge dynamisieren

Die allgemeine Preisentwicklung wirkt sich auch auf die Pflegeversicherungsleistungen aus. Um eine schleichende Entwertung von Pflegeleistungen dauerhaft zu vermeiden und vor allem die ambulante pflegerische Versorgung zu fördern, ist es erforderlich, die Leistungsbeträge regelmäßig anzupassen. Zur Entlastung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sollten die Leistungsbeträge daher jährlich in Anlehnung an die Grundlohnrate oder die Inflation dynamisiert werden.

Stabilisierung der Pflegeversicherung: Finanzierungsreform nötig

Zur Stabilisierung der sozialen Pflegeversicherung ist nicht nur eine Finanzierungsreform nötig, sondern auch eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten für die Finanzierung zwischen Bund, Ländern und der Pflegeversicherung. So stellt die Finanzierung der Ausbildung von Pflegekräften und sonstigem Gesundheitspersonal in Pflegeeinrichtungen eine öffentliche Aufgabe dar und muss grundsätzlich über Steuern finanziert werden. Bislang wird jedoch der Großteil der generalistischen Pflegeausbildung durch die gesetzliche Krankenversicherung und die Pflegebedürftigen getragen.

Finanzausgleich zwischen GKV und PKV einführen

Die Leistungsansprüche in der sozialen und der privaten Pflegeversicherung sind identisch. Durch die günstigere Altersverteilung und Pflegeprävalenz weist die private Pflegeversicherung ein deutlich geringeres Ausgabenniveau auf. Bei gleichem Leistungsrecht und identischen Beurteilungskriterien sind die durchschnittlichen Leistungsausgaben der privaten Pflegeversicherung weitaus niedriger als die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung. Die private Pflegeversicherung verfügt zudem über erhebliche Rücklagen. Es ist daher wichtig, einen solidarischen Finanzausgleich zwischen beiden Systemen einzuführen, um die soziale Pflegeversicherung erheblich zu entlasten.