STANDORTinfo für Rheinland-Pfalz und das Saarland

"Im Fokus steht derzeit die Krankenhausreform"

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Nicole Steingaß (SPD) ist seit Juli 2024 Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit und zuständig für den Bereich Gesundheit. Die Redaktion der STANDORTinfo hat sie zu den Herausforderungen der aktuellen Gesundheitspolitik im Land befragt.

Nicole Steingaß steht in einem Büro.

Nicole Steingaß. Foto: MWG Werner-Hohensee

Sie sind seit Juli 2024 Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit. Welche gesundheitspolitischen Themen haben Sie in den ersten Monaten im neuen Amt am meisten umgetrieben?

Es liegt in der Natur dieses eminent wichtigen Bereichs unserer Daseinsvorsorge, dass mich seither viele verschiedene Themen bewegen. Im Fokus steht derzeit natürlich die Krankenhausreform des Bundes, die darauf abzielt, die medizinische Versorgung patientengerechter zu gestalten, Krankenhäuser finanziell zu stabilisieren, spezialisierte Behandlungen zu fördern und die flächendeckende gesundheitliche Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen, sicherzustellen. Wir brauchen die Krankenhausreform dringend, um verlässliche Rahmenbedingungen für die Kliniken und Versorgungssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Aber auch die ambulante ärztliche Versorgung steht vor großen Herausforderungen. Mehr als 30 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland sind über 60 Jahre alt. Wie können wir unser Versorgungssystem zukunftsfähig und bedarfsgerecht aufstellen, den demografischen Veränderungen gerecht werden und die Chancen der Digitalisierung und des medizinischen Fortschritts für alle sinnvoll nutzen? Das sind die Themen, die mich umtreiben.

Die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz und die gesetzlichen Krankenkassen im Land haben im Jahr 2024 kritisiert, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung zu wenig Geld für die Krankenhausinvestitionskosten zur Verfügung stellt. Was entgegnen Sie dieser Kritik?

Alle Maßnahmen, die bei uns beantragt wurden und bewilligungsreif waren, wurden auch gefördert. Es gibt seit Jahren keine einzige Maßnahme, die aufgrund von fehlenden Mitteln nicht gefördert wurde. Das heißt mehr Geld hätte nicht dazu geführt, dass mehr Maßnahmen hätten umgesetzt werden können. Zusätzlich zum Krankenhausinvestitionsprogramm von über 80,5 Millionen Euro für Einzelmaßnahmen in diesem Jahr, stellen wir als Land weitere 65 Millionen Euro für die Pauschalförderung bereit, welche die Krankenhäuser für die Wiederbeschaffung von zum Beispiel medizinischen Geräten oder für kleinere Baumaßnahmen nutzen können. Weitere 230 Millionen Euro stehen über den Krankenhausstrukturfonds unter anderem für Strukturverbesserung in der stationären Versorgung zur Verfügung. Zudem fördern wir die technische Ausstattung sowie die Digitalisierung der Krankenhäuser über den Krankenhauszukunftsfonds. Die Krankenhausreform soll umfassende Strukturänderungen bewirken. Zur Förderung von Umstrukturierungsprozessen in den Krankenhäusern wurde ein Transformationsfonds eingerichtet, der ab 2026 zur Verfügung stehen wird. Dann werden uns jährlich zusätzlich über 200 Millionen Euro zur Verfügung stehen, um in die Krankenhäuser im Land zu investieren. Geld allein ist aber nicht alles. Um eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen, benötigt es zukunftsfähige Konzepte, qualifiziertes Personal, eine fortschrittliche Medizin und funktionierende Strukturen.

Das entsprechende Gesetz zu der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach initiierten Krankenhausreform ist inzwischen in Kraft getreten. An welchen Stellen sind Sie mit der Reform unzufrieden?

Wir haben uns als Land beim Bund dafür eingesetzt, dass die bereitgestellten finanziellen Mittel für den notwendigen Transformationsprozess zur Umstrukturierung der Krankenhäuser schon für laufende Vorhaben genutzt werden können, nicht erst ab 2026. Wir sehen jetzt schon an vielen Stellen Veränderungsprozesse, die wir finanziell fördern können sollten. Wir haben erreicht, dass Projekte gefördert werden, die bereits ab Mitte 2025 beginnen, was ein erster Teilerfolg ist. Wir setzen uns auch weiterhin für eine Sonderförderung des Bundes als Überbrückungsfinanzierung ein. Viele Reformansätze, wie die Vorhaltefinanzierung, greifen erst in ein paar Jahren. Die Betriebskosten der Krankenhäuser können wir als Land nicht fördern, hier ist der Bund in der Verantwortung. Zugleich haben wir mit dem Gesetz bereits viel erreicht: Alle Tarifsteigerungen werden künftig berücksichtigt, die Förderungen für die Geburtshilfe an Kliniken werden fortgesetzt, besondere stationäre Einrichtungen sowie spezialisierte Kinderkliniken werden dauerhaft finanziell bessergestellt und unser etabliertes Schlaganfallnetzwerk wird auch mit der Reform weiter berücksichtigt. Dafür haben wir uns als Land stark gemacht.

Ihr Ministerium hat angekündigt, zunächst ein Gutachten einzuholen, bevor es die Krankenhausreform in Rheinland-Pfalz umsetzt, um dann ab dem Jahr 2027 seine Krankenhauslandschaft neu strukturieren. Inwiefern hat der Umbau der Klinikstrukturen im Land so lange Zeit?

Das Bundesgesetz ist Ende vergangenen Jahres in Kraft getreten. Wir haben aus Rheinland-Pfalz die Erarbeitung der Reform von Anfang an eng begleitet und wussten frühzeitig, welche Veränderungen auf uns zukommen. Die Rahmenbedingungen des Gesetzes müssen aber zum Teil erst in Rechtsverordnungen konkretisiert werden, die in der Verantwortung des Bundes zu erarbeiten sind und uns noch nicht vorliegen. Wir sind bereits mit allen Krankenhausträgern in Gesprächen darüber, wie das Versorgungsangebot in Zukunft aussehen soll. Dazu dient natürlich auch die gutachterliche Stellungnahme, die wir in Auftrag gegeben haben. Wir arbeiten mit hohem Tempo daran, dass ab dem 1. Januar 2027 der neue Krankenhausplan Gültigkeit hat, müssen uns aber an die Vorgaben und Fristen der Bundesgesetzgebung halten. Uns ist wichtig, dass wir die neue Krankenhausplanung mit allen Partnern diskutieren, deshalb befinden wir uns im Austausch mit Trägern, Kassen und Verbänden. Es geht uns dabei zudem um mehr als um eine Krankenhausreform. Wir verfolgen das Ziel der Sicherstellung einer guten, zukunftsfähigen und bedarfsorientieren Gesundheitsversorgung für alle Menschen in unserem Land über Institutions- und Sektorengrenzen hinweg. Ich bin mir sicher, dass wir das gemeinsam erreichen werden.

Stichwort Arztpraxen. Was ist aus Ihrer Sicht der Schlüssel, um auch künftig eine flächendeckende medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte in Rheinland-Pfalz sicherzustellen?

Wir müssen die Erwartungen junger Ärztinnen und Ärzte aufgreifen, um den Beruf auch künftig so attraktiv wie möglich für junge Medizinerinnen und Mediziner zu gestalten. Dazu gehören die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, geregelte Arbeitszeiten sowie die Arbeit im Team. Durch Digitalisierung und neue Arbeitsteilung können wir alte Strukturen aufbrechen und innovative Versorgungsstrukturen vorantreiben. Gemeinsam mit den Partnerorganisationen im Gesundheitswesen setzen wir uns, insbesondere im hausärztlichen Bereich und in ländlichen Regionen, für eine bessere Versorgung ein. Dafür haben wir den Masterplan zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung entwickelt, der Maßnahmen wie die Landarztquote und die Niederlassungsförderung umfasst. Auch weiteres Gesundheitsfachpersonal gilt es einzubeziehen, weshalb wir in Rheinland-Pfalz Schwerpunkte auf den Ausbau der Gesundheitsstudiengänge legen, etwa mit dem neuen Bachelorstudiengang „Physician Assistant“, der zur Fachkräftegewinnung beiträgt, Ärztinnen und Ärzte entlastet, die Praxen stärkt und somit die medizinische Versorgung insgesamt verbessert.