Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland, zu ihren Erwartungen an die künftige Bundesregierung.
Bei der Wahlentscheidung zum Deutschen Bundestag dürfte die Gesundheitspolitik eine stärkere Rolle spielen als je zuvor. Die Corona-Pandemie hat uns die hohe Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitswesens vor Augen geführt, gleichzeitig aber auch Probleme verdeutlicht, die das Gesundheitssystem bereits seit Langem begleiten – etwa strukturelle Defizite bei der medizinischen Versorgung im Krankenhaus oder der Digitalisierung.
Von der künftigen Bundesregierung erwarte ich mir vor allem, dass sie mit dem Setzen der richtigen Rahmenbedingungen die Gestaltung der medizinischen Versorgung auf Landesebene effektiv unterstützt. Ohne bundesgesetzliche Änderungen werden wir in zentralen Fragen nicht weiterkommen. Das betrifft etwa den Umbau der Krankenhauslandschaft nach qualitätsorientierten Kriterien, aber auch eine bessere Abstimmung der medizinischen Angebote von Kliniken und Arztpraxen. Beides sind wichtige Maßnahmen, um die medizinischen Versorgungsstrukturen an den Stand der modernen Medizin anzupassen und den Patientinnen und Patienten die bestmögliche Behandlungsqualität zu bieten.
Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung dürfen nicht unbegrenzt steigen
Zudem leistet das Heben solcher Effizienzpotenziale einen unerlässlichen Beitrag, die Kostensteigerungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu begrenzen. Die pandemiebedingte Unterstützung von Kliniken, Ärztinnen und Ärzten sowie anderen medizinischen Leistungserbringern, vor allem aber die teure Gesetzgebung der beiden vergangenen Legislaturperioden, haben zu Ausgabensteigerungen in Milliardenhöhe geführt. Hierdurch entsteht ein starker Kostendruck in der GKV. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass die Beiträge der GKV-Mitglieder unbegrenzt steigen oder Leistungskürzungen erwogen werden. Daher sind strukturelle Reformen das Mittel der Wahl!
Um massive Beitragserhöhungen auf breiter Front zu verhindern, bedarf es noch vor der Wahl eines weiteren Steuerzuschusses für die GKV. Die jüngst von der Bundesregierung zugesagte Erhöhung des Steuerzuschusses um sieben Milliarden Euro reicht nicht aus, denn die Rücklagen der Kassen und die Reserven des Gesundheitsfonds, der Geldsammelstelle für die von den Krankenkassen eingezogenen Beiträge, sind weitgehend aufgebraucht. Eine neue Koalition hat nach der Wahl angesichts einer wahrscheinlich langwierigen Regierungsbildung gar keine Chance, bis zum Jahresende eine Lücke in dieser Dimension zu schließen.
Bund muss sich finanziell stärker engagieren
Notwendig ist in Zukunft auch eine klare Abgrenzung staatlicher Aufgaben von denen der GKV. Die finanzielle Situation der GKV ist angespannt. Vor diesem Hintergrund sollte diskutiert werden, ob der GKV weiterhin die Finanzierung von Maßnahmen aufgelastet werden kann, die nicht in ihren Aufgabenbereich fallen. Dazu gehört zum Beispiel die beitragsfreie Mitversicherung von nicht berufstätigen Ehegatten und Kindern. Hier muss sich der Bund finanziell stärker engagieren.
Die gesetzlichen Krankenkassen sind selbstverwaltet. Das bedeutet, dass sie die ihnen staatlich zugewiesenen Aufgaben unter staatlicher Aufsicht organisatorisch und finanziell selbstständig durchführen. Die künftige Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, Beitragsfinanzierung und Selbstverwaltung als zwei Grundsäulen unseres Gesundheitssystems zu erhalten. Weder ein staatliches noch ein rein marktwirtschaftliches Gesundheitssystem können eine vergleichbare hochwertige und bezahlbare medizinische Versorgung sicherstellen. Die Stärke der Selbstverwaltung besteht darin, einen fairen Interessensausgleich in der GKV herzustellen. Beschlüsse in der Selbstverwaltung erfolgen professionell, fachkundig sowie transparent und erfahren deshalb eine hohe Akzeptanz. Die Selbstverwaltung benötigt daher auch in Zukunft uneingeschränkte Freiräume für ihre Aufgaben.
Die Reformvorschläge der Barmer für ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen können Sie hier in ausführlicher Form nachlesen.