Der Start der elektronischen Patientenakte (ePA) am 1. Januar dieses Jahres war ein Meilenstein in der Geschichte des digitalen deutschen Gesundheitswesens. Die Redaktion der STANDORTinfo Bérengère Codjo, Barmer-Projektmanagerin ePA, zum aktuellen Stand bei der Weiterentwicklung der ePA befragt.
Bérengère Codjo. Foto: Barmer.
Nach vielen Jahren Vorlauf scheint mit dem Start der ePA nun endlich der Anfang für eine Gesundheitsversorgung mit digitaler Unterstützung gemacht. Was kann man bisher mit der ePA tun?
Zu Beginn des Jahres 2021 ist die ePA mit ihren Grundfunktionen gestartet. Diese erlauben es den Patientinnen und Patienten und den von ihnen berechtigten Leistungserbringern, medizinische Dokumente wie Befunde und Diagnosen hoch- oder herunterzuladen und diese zu lesen. Die Patientinnen und Patienten können zudem die Zugriffsrechte verwalten und nachsehen, welche Leitungserbringer Zugang zu ihrer ePA hatten. Die Barmer-Version der ePA heißt eCare und konnte von Anfang an mehr. In der eCare werden nicht nur alle vorgeschriebenen Grundfunktionen abgebildet, sondern es stehen auch Sonderfunktionen zur Verfügung.
Können Sie ein Beispiel für eine dieser Sonderfunktionen nennen?
Eine dieser Sonderfunktionen ist der Mediplaner. Basierend auf den Daten aus dem Medikationsplan können Versicherte mit dem Mediplaner Einnahme-Erinnerungen für ihre Medikamente einstellen. Quittiert die Nutzerin oder der Nutzer die Einnahme, wird dies entsprechend protokolliert. Das hat den Vorteil, dass man auch im Nachhinein sehen kann, ob eine Tablette eingenommen wurde oder nicht. Das können Versicherte für die rezeptfreien und rezeptpflichtigen Medikamente, die sie in ihrer eigenen Liste erfassen, tun. Um diese zu importieren reicht es, den Packungscode einzuscannen.
Was ist seit dem Start noch passiert?
Im März haben wir noch die digitale Verifizierung eingeführt. Das hat die notwendige Identitätsprüfung und dadurch den Anmeldeprozess für unsere Versicherten deutlich vereinfacht. Seit Juli bieten wir schon eine neue Version der eCare an, mit neuen Zusatzfunktionen und komplett neuem Design. Die eCare entwickelt sich zügig weiter!
Wie konkret wird sich die eCare weiterentwickeln?
Wir müssen das Design und die Funktionalitäten der eCare nach den Bedürfnissen der Versicherten ausrichten. Wir wollen über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen und Zusatzfunktionen zum Bestandteil unserer eCare-App machen. In der App lassen sich bereits heute Gesundheitspässe wie der Impf- und Notfallpass einfach verwalten. Versicherte, die es möchten, können zudem Gesundheitsnachrichten abrufen. Sie beinhalten Informationen und Tipps für ein gesundes Leben. In den nächsten Jahren werden wir weitere Zusatzfunktionen entwickeln. Wir möchten mit der eCare unsere Versicherten aktiver in ihr Gesundheitsmanagement einbinden.
Das klingt dann doch nach einem echten Aufbruch.
Die Agenda, die der Gesetzgeber gesetzt hat, ist bis 2026 tatsächlich gut gefüllt. Schon ab nächstem Jahr kommen weitere standardisierte Dokumente hinzu: der Impfpass, das Untersuchungsheft für Kinder, das Zahnbonusheft und der Mutterpass. Das ist wichtig, um zugleich den Nutzen und den Nutzerkreis der ePA zu steigern. Denn von der ePA sollen alle Versicherten profitieren können. Aus unserer Sicht wird es aber auch entscheidend darauf ankommen, die Funktionen so zu gestalten, dass sie vom Versicherten intuitiv genutzt werden können. Ansonsten ist den Versicherten nicht geholfen.
Vor welchen Herausforderungen steht die ePA?
Die Nutzerfreundlichkeit muss weiter gesteigert werden. Nehmen wir das Berechtigungsmanagement. Zusätzlich zur Zugriffsfreigabe pro Dokument, das sogenannte feingranulare Berechtigungsmanagement, ist auch eine Freigabe auf der Ebene von Dokumentengruppen für unterschiedliche Gruppen von Ärzten vorgesehen. Das bedeutet, dass die Versicherten entscheiden sollen, dass verschiedene Ärztekategorien unterschiedliche Rechte in ihrer ePA haben. Nutzertests zeigen, dass Versicherte dies nicht nachvollziehen und daher nicht nutzen können. Was aus datenschutzrechtlicher Sicht gut gemeint und völlig gerechtfertigt ist, kann die Nutzerinnen und Nutzer wegen der hohen Komplexität am Ende doch überfordern. Im schlimmsten Fall nutzen sie die App nicht mehr. Wir brauchen mehr Gestaltungsfreiraum, um auf die Bedürfnisse unserer Versicherten eingehen zu können. Ein weiteres Beispiel ist die Dokumentenverwaltung. Versicherte können Dokumente nicht bearbeiten, die ein Leistungserbringer eingestellt hat. So weit, so gut. Leider können Nutzerinnen und Nutzer einzelne Dokumente, die sie selbst als wichtig erachten, nicht gesondert markieren oder eigene Notizen zu den Dokumenten anlegen und den Ärzten diese bereitstellen.
Wagen Sie eine Prognose: Wird die ePA zu einem Erfolg werden?
Die ePA ist ein komplett neues Instrument, auch was ihre Dimensionen angeht. Zum ersten Mal haben wir eine gesamtheitliche Gesundheitsplattform für die Versicherten und alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Einrichtungen. Es werden sukzessive weitere Professionen einen Zugang zur ePA bekommen wie Hebammen, Pflegekräfte oder Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. Entscheidend für den Erfolg der ePA ist, dass sie von so vielen medizinischen Leistungserbringern wie möglich befüllt und gelesen wird. Nur wenn sie von den Behandlerinnen und Behandlern regelmäßig benutzt wird, wird die ePA zu einer besseren medizinischen Versorgung beitragen können.