Kindern in Rheinland-Pfalz und im Saarland drohen massive Infektionswellen bei klassischen Kinderkrankheiten. Darauf deuten repräsentative Auswertungen für den Barmer-Arztreport hin. Demnach ist zum Beispiel die Zahl der Scharlachinfekte in Rheinland-Pfalz bei Kindern bis 14 Jahren von 12.641 im Jahr 2019 auf 1.667 im Jahr 2021 gesunken. Das entspricht einem Rückgang von 87 Prozent. Im Saarland sank die Zahl im gleichen Zeitraum von 4.058 auf 437 (-89 Prozent). „Der Rückgang bei den Scharlachinfekten ist eine gute Nachricht für Kinder und deren Eltern. Ärzteschaft und Politik haben aber in diesem Jahr auf eine massive Zunahme bei Scharlachinfekten hingewiesen, die wir als intensive Nachholeffekte deuten“, sagt Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Bei der wissenschaftlichen Pandemie-Aufarbeitung müsse untersucht werden, ob die Verschiebung von Infektionen schwerere Verläufe bei Kinderkrankheiten hervorrufe.
Mundfäule: deutlich weniger Fälle in der Corona-Pandemie
Laut Arztreport sind weitere Kinderkrankheiten während der Corona-Pandemie in Rheinland-Pfalz und im Saarland auf dem Rückzug gewesen. So sank die Zahl der Fälle von Mundfäule bei Kindern bis 14 Jahren in Rheinland-Pfalz von 5.066 im Jahr 2019 auf 2.852 im Jahr 2021. Das Saarland verzeichnete im gleichen Zeitraum einen Rückgang der Fälle von 1.141 auf 571. Mundfäule ist eine sehr schmerzhafte Entzündung der Mundschleimhäute mit hohem Fieber, bei der Kinder oft die Nahrungsaufnahme verweigern. Sie tritt jedes Jahr besonders häufig im dritten Quartal des Jahres auf. „Kinder sind die großen Verlierer der Corona-Pandemie und tragen bis heute die Konsequenzen für ihre Gesundheit. Um künftig ähnliche negative Effekte zu vermeiden, müssen nun die richtigen Lehren aus der Pandemie gezogen werden“, betont Kleis. Es brauche schon heute wissenschaftlich fundierte Konzepte mit Augenmaß, die bei einer Pandemie als Blaupause dienen könnten.
Ringelröteln und Windpocken: starke Rückgänge bei Fallzahlen
Der Arztreport zeigt zudem, dass die Zahl der Ringelrötel-Fälle in Rheinland-Pfalz bei Kindern bis 14 Jahren von 1.524 im Jahr 2019 auf 351 im Jahr 2021 gesunken ist, was einer Abnahme von 77 Prozent entspricht. Das Saarland wies im gleichen Zeitraum einen Rückgang der Fälle von 312 auf 99 auf (-68 Prozent). Die Krankheitszeichen bei Ringelröteln ähneln denen eines grippalen Infekts. Gut erkennbar ist die Krankheit an fleckigen Rötungen der Haut. Auch die Zahl der Windpocken-Fälle hat sich in Rheinland-Pfalz bei Kindern bis 14 Jahren vermindert, und zwar von 1.103 im Jahr 2019 auf 597 im Jahr 2021, ein Minus von 46 Prozent. Im Saarland ging die Zahl im gleichen Zeitraum von 189 auf 81 zurück (-57 Prozent). „Vor allem Schutzimpfungen haben schon vor der Corona-Pandemie dazu geführt, dass Kinderkrankheiten eine rückläufige Tendenz zeigten. Das belegen beispielhaft die Diagnoseraten für Windpocken“, meint Kleis. Sie seien in Rheinland-Pfalz bei Kindern bis 14 Jahren um 95 Prozent und im Saarland um 96 Prozent gesunken in den Jahren von 2005 bis 2019. Seit dem Jahr 2004 gebe es eine Empfehlung für die Schutzimpfung gegen Windpocken in Deutschland.
Hand-Fuß-Mund-Krankheit: gegenteiliger Effekt
Bei der Entwicklung der Fallzahlen bei der Hand-Fuß-Mund-Krankheit (HFMK) unter rheinland-pfälzischen und saarländischen Kindern bis 14 Jahren fördert der Arztreport eine von den anderen Kinderkrankheiten abweichende Entwicklung zutage. Demnach sank die Zahl der HFMK-Fälle in Rheinland-Pfalz von 12.612 im Jahr 2019 auf 1.884 im Jahr 2020, um im Jahr 2021 auf 6.151 anzusteigen. Im Saarland sank die Zahl von 3.223 im Jahr 2019 auf 658 im Jahr 2020 und stieg im Jahr 2021 auf 2.209 an. Die Krankheitszeichen der HFMK ähneln einem grippalen Infekt. Zudem treten rote Flecken an der Mundschleimhaut sowie vor allem an Handflächen und Fußsohlen auf. „Eine weitere Beobachtung der Hand-Fuß-Mund-Krankheit ist wegen der besonderen Entwicklung dieser Erkrankung sinnvoll, auch weil sich ein Kind mehrfach anstecken kann. Es muss sich noch zeigen, wie sich die Fallzahlen nach vollständigem Wegfall der Kontaktbeschränkungen und der Maskenpflicht entwickeln“, unterstreicht Kleis. Es sei nicht auszuschließen, dass es trotz ohnehin schon hoher Fallzahlen einen Nachholeffekt ähnlich wie bei Scharlach geben werde.