Saarbrücken, 17. Februar 2022 – Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Klinikbetrieb sind im Jahr 2020 mehr Menschen aus dem Saarland an einer Krankenhausinfektion gestorben als in den Jahren zuvor. Das zeigt der Barmer-Krankenhausreport, den Wissenschaftler vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erstellt haben. Demnach gibt es jährlich 7.600 Fälle, in denen sich saarländische Patientinnen und Patienten eine Infektion bei ihrem Klinikaufenthalt zuziehen. Rund 300 von ihnen sterben daran. Im Jahr 2020 stieg die Zahl der Krankenhausinfektionen unter den Saarländerinnen und Saarländern um 400 und die Zahl der daraus resultierenden Todesfälle um 20. „Das Krankenhauspersonal war wegen der Pandemie mental und körperlich stark belastet. Dies könnte zu Hygieneversäumnissen und damit zu einer höheren Fallzahl bei den Krankenhausinfektionen geführt haben“, sagt Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland.
Hygienestandards in der Pandemie nicht komplett einhaltbar
Kleis betont: „Die Benennung von Hygienedefiziten in Krankenhäusern sind keine Kritik am Pflegepersonal oder an den Ärztinnen und Ärzten. Sie haben vor allem in dieser Pandemie bewiesen, dass sie Enormes leisten.“ Gerade in der ersten Welle der Corona-Pandemie hätten Schutzausrüstungen gefehlt. „Arbeitsabläufe mussten vor dem Hintergrund der spezifischen Anforderungen der Pandemie überarbeitet und neu eingeübt werden. Hinzu kamen Personalausfälle durch individuelle Corona-Infektionen und zudem die Angst, sich selbst anzustecken“, meint Kleis. Die Belastungen und steigenden Stresssituationen des Krankenhauspersonals könnten dazu geführt haben, dass die hohen erforderlichen Hygienestandards nicht in sämtlichen Bereichen vollständig gegriffen hätten. Die Einhaltung und Umsetzung dieser Standards sei aber gerade in Pandemiezeiten besonders wichtig.
Landesregierung kann Krankenhaushygiene fördern
Die Zunahme der Klinikinfektionen ist laut Krankenhausreport nicht darauf zurückzuführen, dass die Klinikpatientinnen und -patienten während des Pandemiejahres 2020 im Durchschnitt älter und kranker waren als vor Ausbruch von Corona. „Auf Grundlage der aussagekräftigten Ergebnisse des Krankenhausreports sollten die Verantwortlichen der Klinikhygiene noch mehr Aufmerksamkeit schenken als bisher. Auf die Verbesserung der Krankenhaushygiene kann auch die saarländische Landesregierung im Rahmen der Investitionskostenförderung positiven Einfluss nehmen, indem der Neu- und Umbau von Isolierzimmern verstärkt gefördert wird“, hebt Kleis hervor. Die Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser zum Beispiel für Umbaumaßnahmen sei per Gesetz Aufgabe der Länder.
Barmer fordert mehr unangekündigte Hygiene-Überprüfungen
Kleis spricht sich zudem dafür aus, Hygiene-Standards in Ausbildungen und Schulungen des Klinikpersonals stärker zu betonen. Auch müsse die Akzeptanz und Arbeit von Hygienefachkräften in Kliniken gestärkt werden, damit in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie höhere Hygieneanforderungen nicht zu Stresssituationen führen würden. „Die Einhaltung der Hygienestandards in Kliniken sollte nicht nur intern, sondern auch extern durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärker als bisher unangekündigt überprüft werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss mit dem Robert Koch-Institut sollte eine Richtlinie mit verbindlichen Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität zur Anwendung von Hygienemaßnahmen im Krankenhaus erarbeiten. Die Einhaltung dieser Mindestanforderungen sollten die Krankenhäuser in ihren Qualitätsberichten veröffentlichen müssen“, fordert Kleis.
Vielfältige Ursachen für Krankenhausinfektionen
Laut Barmer-Landesgeschäftsführerin Kleis werden Klinikinfektionen durch körpereigene und körperfremde Bakterien ausgelöst, die teils durch medizinisches Personal oder Besucherinnen und Besucher übertragen werden können. „Die Ursachen für Krankenhausinfektionen reichen von einer geschwächten Immunabwehr bei Patientinnen und Patienten bis hin zu medizinisch erforderlichen Maßnahmen wie Infusions- oder Blasenkathetern. Die Infektionen beginnen dabei zum Beispiel als Harnwegs- oder Atemwegsinfektionen und können sich zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung mit Organversagen entwickeln“, erläutert Kleis. Nach ihren Worten wird davon ausgegangen, dass etwa jede dritte Infektion durch körperfremde Bakterien vermeidbar ist. „Dafür sind geeignete Präventionsmaßnahmen, vor allem die Einhaltung von Hygienerichtlinien, von zentraler Bedeutung“, sagt Kleis.