Mainz, 4. Dezember 2024 – Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz werden zu selten gegen das humane Papillomavirus (HPV) geimpft. Sie erkranken daher unnötig oft im Erwachsenenalter an Krebs. Das zeigt der Barmer-Arzneimittelreport, den Autorinnen und Autoren des Klinikums Saarbrücken und der Uniklinik Köln erstellt haben. Demnach war trotz entsprechender Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am staatlichen Robert-Koch-Institut jedes dritte 17-jährige Mädchen aus Rheinland-Pfalz im Jahr 2022 nicht vollständig gegen HPV geimpft (35,1 Prozent). „HPV ist für fast alle Fälle von Gebärmutterhalskrebs und die Hälfte aller virusbedingten bösartigen Tumore verantwortlich. Eine Impfung gegen HPV kann Krebserkrankungen verhindern und Todesfälle vermeiden“, sagt Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Die Akzeptanz und Sensibilität in der Gesellschaft für die HPV-Impfung müsse deutlich wachsen.
Gebärmutterhalskrebs: Pro Woche zwei Todesfälle in Rheinland-Pfalz
Wie oft HPV-Infektionen schwerwiegende Konsequenzen haben, belegen Zahlen des Krebsregisters Rheinland-Pfalz. So starben im Jahr 2020 allein an Gebärmutterhalskrebs 95 Frauen in Rheinland-Pfalz. Im gleichen Jahr weist das Krebsregister bei 156 Frauen in dem Bundesland Gebärmutterhalskrebs als Neuerkrankung aus. „Eine Krebserkrankung ist immer ein lebensveränderndes Ereignis, bei dem nicht nur die Patientin oder der Patient betroffen ist, sondern auch die gesamte Familie. Krebs verursacht bei Betroffenen oft eine psychische Belastung, die selbst bei einer Heilung viele Jahre anhalten kann“, erklärt Kleis. Die HPV-Impfung verhindere auf sehr einfache Weise, dass Eltern die Krebserkrankung ihrer erwachsenen Kinder erleben müssten. Aus gutem Grund habe der deutsche Wissenschaftler Harald zur Hausen im Jahr 2008 für seine Forschung zur HPV-Impfstoffentwicklung den Nobelpreis für Medizin erhalten.
Alarmierend: Rate der HPV-Impfungen zuletzt rückläufig
Als alarmierend bezeichnet Barmer-Landesgeschäftsführerin Kleis vor dem Hintergrund der geringen Zahl an HPV-Impfungen, dass die Rate der jährlich gegen HPV geimpften Mädchen und jungen Frauen in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren rückläufig war. So kamen in Rheinland-Pfalz laut Arzneimittelreport im Jahr 2022 auf 1.000 Mädchen und junge Frauen zwischen neun und 26 Jahren 76 HPV-Impfungen. Im Vergleich zum Jahr 2021 (95) entspricht das einem Rückgang von 20 Prozent. Verglichen mit dem Rekordjahr 2015 (120) beträgt das Minus sogar 37 Prozent. „Die Zahl der HPV-Impfungen ist nicht während der Corona-Pandemie, sondern zu deren Ende hin deutlich gesunken. Auch wenn die Ursachen dafür noch nicht klar sind, ist eine Trendwende dringend erforderlich“, sagt Kleis. Es müsse unbedingt verhindert werden, dass selbst die schon heute unzureichenden Impfraten künftig nicht mehr erreicht werden könnten.
Jungen werden noch seltener gegen HPV geimpft als Mädchen
Gemäß Arzneimittelreport werden Jungen noch seltener gegen HPV geimpft als Mädchen. So lag der Anteil der 13-jährigen Jungen aus Rheinland-Pfalz ohne vollständige HPV-Impfung im Jahr 2022 bei 77,1 Prozent. Wie bei den Mädchen war auch bei den Jungen aus dem Bundesland die Rate an HPV-Impfungen zuletzt rückläufig. Kamen im Jahr 2021 noch 81 HPV-Impfungen auf 1.000 rheinland-pfälzische Jungen und junge Männer zwischen neun und 26 Jahren, waren es ein Jahr später nur noch 61. Das entspricht einer Abnahme um 25 Prozent. Im Vergleich mit dem Rekordjahr 2020 (90) liegt der Rückgang sogar bei 32 Prozent. „Auch Jungen haben bei der HPV-Impfung einen großen Nachholbedarf. Das liegt auch daran, dass die STIKO die HPV-Impfung für Jungen erst seit dem Jahr 2018 empfiehlt“, erläutert Kleis. Die HPV-Impfung schütze Jungen direkt durch die Senkung des Risikos von HPV-bedingten Krebs an Anus, Penis sowie im Mund- und Rachenbereich und indirekt die Mädchen.
HPV-Impfraten: Kleis fordert weitere Kinder-Vorsorgeuntersuchung
Aus Sicht von Kleis kommt es maßgeblich darauf an, Eltern den belegten Nutzen der HPV-Impfung zu verdeutlichen und auf Risiken der Nichtimpfung hinzuweisen, um die Impfbereitschaft zu steigern. Sie sagt: „Idealerweise könnte die Überprüfung des Impfstatus sowie eine Impfberatung bei einer neu einzuführenden Vorsorgeuntersuchung für Kinder im Alter von neun bis zehn Jahren erfolgen. Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft derzeit die Einführung einer solchen Vorsorgeuntersuchung als Kassenleistung.“ Die Barmer biete ihren Versicherten ein kostenfreies Kinder- und Jugendprogramm mit zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen an, bei denen auch empfehlenswerte Impfungen thematisiert würden. Der Arzneimittelreport belege deutlich höhere HPV-Impfraten bei Kindern und Jugendlichen, die an diesem Programm teilnähmen.