Mainz/Saarbrücken, 6. Dezember 2019 – In Rheinland-Pfalz und im Saarland leiden Beschäftigte überdurchschnittlich oft unter krankhaften Schlafstörungen. Das zeigt der Gesundheitsreport der Barmer, für den die Krankenkasse Daten von rund 223.000 bei ihr versicherten Erwerbspersonen mit Wohnsitz in den beiden Bundesländern anonymisiert ausgewertet hat. „Kenntnisse zur Behandlung von Schlafstörungen sollten schon in der Ausbildung von Ärzten, Psychotherapeuten und anderen Gesundheitsberufen umfangreich vermittelt werden“, fordert Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland.
4,2 Prozent der Beschäftigten mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz litten im Jahr 2017 laut Gesundheitsreport unter ernsten Schlafproblemen wie Ein- und Durschlafstörungen, Albträume und Nachtangst (Saarland: 4,3 Prozent, Bund: 3,8 Prozent). In Rheinland-Pfalz (5,2 Prozent) und im Saarland (5,4 Prozent) sind weibliche Beschäftigte sind öfter von Schlafstörungen betroffen als männliche Erwerbspersonen (Rheinland-Pfalz: 3,2 Prozent, Saarland: 3,3 Prozent). Kleis sagt: „Die Dunkelziffer bei Schlafstörungen liegt höher. Patienten sprechen Schlafstörungen beim Arztbesuch oft nicht an, wenn sie nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen führen oder andere gesundheitliche Probleme wesentlicher erscheinen.“
Ärzte diagnostizieren immer öfter Schlafstörungen
Auffällig ist, dass die Zahl der Schlafstörungsdiagnosen in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. Erhielten im Jahr 2005 noch 2,4 Prozent der Erwerbspersonen mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz die Diagnose Schlafstörung, liegt der Wert heute um 75 Prozent höher (Saarland 2005: 3,1 Prozent, plus 36 Prozent). Dieser Trend betrifft gleichermaßen männliche und weibliche Beschäftigte in beiden Bundesländern. Barmer-Landesgeschäftsführerin Kleis betont: „Schlafstörungen sind eine Volkskrankheit. Der Prävention von Schlafstörungen sollte mehr Bedeutung zugeschrieben werden.“ Gesundheitserziehung in der Schule und betriebliche Gesundheitsangebote könnten der Entwicklung von Schlafstörungen entgegenwirken.
Auch innerhalb von Rheinland-Pfalz gibt es deutliche Unterschiede bei den Häufigkeiten von Diagnosen zu Schlafstörungen. Von den 36 rheinland-pfälzischen Landkreisen und kreisfreien Städten erhielten im Mittel der Jahre 2015 bis 2017 Erwerbspersonen mit Wohnsitz in Pirmasens (5,6 Prozent) am häufigsten eine Schlafstörungsdiagnose. Es folgen die Landkreise Kusel (5,5 Prozent) und Birkenfeld (5,3 Prozent). Am seltensten stellten Ärzte den erwerbstätigen Bewohnern des Eifelkreises Bitburg-Prüm (3,0 Prozent), des Landkreises Mayen-Koblenz (3,3 Prozent) und des Rhein-Hunsrück-Kreises (3,4 Prozent) eine Diagnose aus dem Bereich der Schlafstörungen.
Deutliche Unterschiede gibt es auch im Saarland. Im Mittel der Jahre 2015 bis 2017 erhielten Beschäftigte mit Wohnsitz im Landkreis Neunkirchen (4,6 Prozent), im Saarpfalz-Kreis (4,5 Prozent) und im Regionalverband Saarbrücken (4,3 Prozent) am häufigsten eine Schlafstörungsdiagnose. Am seltensten stellten Ärzte den erwerbstätigen Bewohnern der Landkreise Saarlouis (3,7 Prozent), St. Wendel (3,9 Prozent) und Merzig-Wadern (4,1 Prozent) eine entsprechende Diagnose.
Schlafstörungen haben viele Ursachen
„Für Schlafstörungen weist der Gesundheitsreport viele Einflussfaktoren nach. Frauen leiden öfter unter Schlafstörungen als Männer, da sie eher dazu neigen, von Problemen nicht abschalten zu können“, erläutert Kleis. Je geringer das Familieneinkommen, desto geringer sei die Schlafqualität. Offenbar würden finanzielle Sorgen den Weg zu einem guten Schlaf belasten. Nach den Worten von Kleis hat auch die Beschäftigungsart eine große Bedeutung. Schichtarbeiter leiden zum Beispiel überdurchschnittlich oft unter Schlafstörungen. „Zudem gibt es einen Zusammengang zwischen Bevölkerungsdichte und Schlafproblemen. In Städten gibt es mehr Lärm und Lichtverschmutzung, was bei vielen Menschen die Schlafqualität mindert.“
Der Gesundheitsreport zeigt, dass Erwerbspersonen mit Diagnosen von Ein- und Durchschlafstörungen bundesweit durchschnittlich 56 Tage arbeitsunfähig gemeldet waren. Das waren 36 Tage mehr als bei Beschäftigte ohne diagnostizierte Schlafprobleme. „Ohne einen erholsamen Schlaf fühlen wir uns ausgelaugt, sind weniger leistungsfähig und anfälliger für Krankheiten. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, den eigenen gesunden Schlaf zu fördern“, sagt Kleis. Dazu gehöre unter anderem, auf eine exzessive Nutzung von digitalen Medien oder Fernsehen am späteren Abend oder sogar bis in die Nachtstunden hinein zu verzichten, vor allem in der letzten Stunde vor dem Schlafengehen.
Schlafforscher warnt vor den Folgen von Schlafstörungen
Den Gesundheitsreport hat die Barmer zusammen mit aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen sowie Dr. Hans-Günter Weeß erstellt. Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin und Leiter des Schlafzentrums im Pfalzklinikum. Weeß sagt: „Die Auswirkungen von Schlafstörungen auf die Gesundheit und das Leistungsvermögen von Erwerbstätigen wurden bisher drastisch unterschätzt. Der Genesungsprozess bei Erkrankungen mit Schlafstörungen scheint im Vergleich zu Erkrankungen ohne begleitende Schlafstörung deutlich verlangsamt.“
Nach den Worten von Weeß ist die medikamentöse Therapie mit Schlafmitteln in vielen Fällen symptomatisch und birgt die Gefahr der Abhängigkeit. Zudem kommt sie zu oft und zu lange zur Anwendung und trägt zu einer Chronifizierung von Schlafstörungen bei. Kausale Therapien, wie die Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie, kommen viel zu selten zur Anwendung. Weeß warnt: „Schlafstörungen erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und psychische Störungen. Wer nicht ausreichend schläft, hat auch ein höheres Risiko für Unfälle am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr.“ Besonders Beschäftigte im Schichtdienst seien von Schlafstörungen betroffen.