Mainz, 19. Mai 2020 – Noch nie sind Beschäftigte in Rheinland-Pfalz öfter wegen psychischer Leiden krankgeschrieben gewesen als im Jahr 2019. Das zeigen repräsentative Auswertungen der Barmer. Die Krankenkasse hat dafür die Arbeitsunfähigkeitsmeldungen von 196.000 bei ihr versicherten Erwerbspersonen mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz anonymisiert ausgewertet und auf die Erwerbspersonenstruktur des Landes hochgerechnet. „Das Ausmaß von Arbeitsunfähigkeiten aufgrund psychischer Erkrankungen wird von Arbeitgebern unterschätzt. Nie war es wichtiger, Angebote zur Förderung der seelischen Gesundheit im Betrieb vorzuhalten“, sagt Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland.
Laut Barmer-Erhebung blieb jeder rheinland-pfälzische Beschäftigte rechnerisch 3,6 Arbeitstage wegen psychischer Erkrankungen der Arbeit fern. Das entspricht einer Zunahme von 20 Prozent im Vergleich mit dem Jahr 2013 (3,0 Arbeitstage). Der Anstieg ist dabei in den letzten sechs Jahren kontinuierlich verlaufen. Entfielen im Jahr 2015 noch 3,3 Arbeitsunfähigkeitstage auf seelische Leiden, waren es im Jahr 2017 schon 3,4 Tage von Arbeitsunfähigkeit. Unter den zehn Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland mit den höchsten Ausfallzeiten infolge psychischer Erkrankungen finden sich gleich vier aus der Pfalz: Pirmasens (5,9 Tage, Platz drei) sowie die Landkreise Kusel (5,0 Tage, Platz acht), Südwestpfalz und Kaiserslautern (je 4,9 Tage, Platz neun und zehn).
Depressionen: Hauptgrund für Krankschreibung bei seelischen Leiden
Die häufigsten diagnostizierten seelischen Leiden in Rheinland-Pfalz sind Depressionserkrankungen. Kleis erklärt: „Die Entwicklung der Gesellschaft von einer Industrie- zu einer wissens- und kommunikationsintensiven Dienstleistungsgesellschaft hat die Belastungen in der Arbeitswelt verändert. Während körperliche Anstrengungen stetig abnehmen, steigen psychosoziale Belastungen in einem alarmierenden Ausmaß.“ Zeitdruck, Störungen des Arbeitsablaufs und ein eingeschränkter Entscheidungsspielraum würden als wesentliche Faktoren gelten, die psychische Erkrankungen, besonders Depressionen, begünstigen. Auch mangelnde Zusammengehörigkeit im Betriebsteam führe nachweislich zu einer deutlichen Zunahme depressiver Verstimmungen.
Besonders in der Pflicht sieht Kleis die Führungskräfte in Unternehmen: „Unstrukturiertes und unsystematisches Handeln im Umgang mit psychisch Erkrankten am Arbeitsplatz verschlechtert oft zusätzlich die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des betroffenen Mitarbeiters. Seelisch erkrankte Menschen benötigen einen klaren äußeren, stützenden Rahmen zur Stabilisierung.“ Hier seien Führungskräfte im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht und im Hinblick auf ihre Verantwortung gegenüber dem gemeinsamen Arbeitgeber besonders gefordert. Das beginne bei der betrieblichen Gesundheitsförderung und setze sich fort in der strikten Einhaltung der Regeln für die Wiedereingliederung nach längerer Erkrankung im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements.
Muskel-Skelett-Erkrankungen Hauptursache für Krankschreibungen
Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit rheinland-pfälzischer Erwerbspersonen waren wie auch schon in den Jahren zuvor Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems. Sie sorgten im Durchschnitt für 4,1 Arbeitsunfähigkeitstage unter Beschäftigten in Rheinland-Pfalz (2018: 4,0 Tage, Bund: 4,0 Tage). Die häufigste Diagnose bei den Muskel-Skelett-Erkrankungen war „Rückenschmerzen“. Mehr als jeder zweite Tag (54,7 Prozent) von Arbeitsunfähigkeit ging im Jahr 2019 auf das Konto von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (22,2 Prozent), psychischer Leiden (19,5 Prozent) und Atemwegserkrankungen (13,0 Prozent) wie zum Beispiel akute Infektionen der Atemwege, Bronchitis oder Erkältungsschnupfen.
Über alle Krankheiten hinweg zählten die Statistiker 18,5 Tage von Arbeitsunfähigkeit pro Beschäftigten in Rheinland-Pfalz (2018: 18,3, Bund: 18,2). Im Vergleich aller Bundesländer liegt Rheinland-Pfalz damit im Mittelfeld (Platz acht). Die meisten Tage von Arbeitsunfähigkeit wurden in Mecklenburg-Vorpommern (22,1 Tage) registriert, die wenigsten in Baden-Württemberg (15,2 Tage). Im Durchschnitt meldete sich jede Erwerbsperson in Rheinland-Pfalz 1,3 Mal krank. Mehr als jeder zweite Beschäftigte (55,1 Prozent) in dem Bundesland blieb mindestens einmal arbeitsunfähig zuhause (2018: 56,7 Prozent, Bund: 54,3 Prozent). Der Krankenstand lag bei 5,1 Prozent (2018: 5,0 Prozent, Bund: 5,0 Prozent). „Das bedeutet, dass an einem durchschnittlichen Kalendertag von 1.000 Beschäftigten in Rheinland-Pfalz 51 arbeitsunfähig gemeldet waren“, erläutert Kleis.