Mainz/Saarbrücken, 21. Dezember 2018 – Verschriebene Medikamente gefährden unnötig oft die Gesundheit der Rheinland-Pfälzer und Saarländer. Das zeigt der Arzneimittelreport der Barmer, für den die Autoren vom Klinikum Saarbrücken und der Universität Köln Daten aus dem Jahr 2016 ausgewertet haben. „Ärzte verschreiben zu häufig Medikamente, die nicht zum Gesundheitszustand des Patienten passen oder aufgrund des Alters der Patienten nicht verschrieben werden sollten. Hinzu kommen Risiken durch die gleichzeitige Einnahme vieler Arzneien“, sagt Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland.
So erhielt fast jeder fünfte Rheinland-Pfälzer und Saarländer (je 18,2 Prozent) eine Verschreibung für Protonenpumpenhemmer (PPI). Bei nicht mal jedem Zweiten davon (Rheinland-Pfalz: 40,1 Prozent, Saarland: 38,0 Prozent) lag eine Diagnose vor, die eine entsprechende Verordnung nötig gemacht hätte. PPI kommen zum Beispiel bei der Behandlung von Sodbrennen zum Einsatz. „Der Verdacht liegt nahe, dass vielen Versicherten ungeprüft PPI weiterverordnet werden“, sagt Kleis. Dabei könnten PPI schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen, unter anderem ein höheres Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Antirheumatika bei Herzschwäche und PRISCUS-Medikamente
Ein Risiko für die Patientensicherheit sind auch Antirheumatika wie Diclofenac und Ibuprofen, wenn sie Patienten mit Herzschwäche verordnet werden. Beide Mittel können die Herzschwäche verschlimmern. Dennoch erhielt jeder zehnte Rheinland-Pfälzer (10,4 Prozent) und jeder neunte Saarländer (11,4 Prozent) mit Herzschwäche eine Verordnung für Diclofenac. Sogar mehr als jeder fünfte Rheinland-Pfälzer mit Herzschwäche (21,6 Prozent) erhielt eine Verordnung für Ibuprofen (Saarland: 20,0 Prozent). „Es geht es nicht um Schuldzuweisungen in Richtung Ärzte. Für sie ist es enorm schwierig, den Überblick zu behalten. Patienten müssen allerdings besser vor Risiken in der Arzneimitteltherapie geschützt werden“, fordert Kleis.
Laut Arzneimittelreport weisen Rheinland-Pfalz und das Saarland bundesweit jeweils einen der höchsten Anteile an älteren Menschen auf, denen ein Medikament verordnet wurde, das potenziell mehr Risiko als Nutzen für sie hat. „Manche Arzneimittel sind für Senioren kritisch und werden daher auf der sogenannten PRISCUS-Liste aufgeführt“, erklärt Kleis. Mehr als jeder vierte Rheinland-Pfälzer (27,2 Prozent) und Saarländer (28,5 Prozent) über 65 Jahren hat im Jahr 2016 ein PRISCUS-Medikament erhalten. Derzeit umfasst die PRISCUS-Liste 83 Medikamente, die als potenziell ungeeignet für alte Menschen gelten.
Polypharmazie: Medikationsplan nutzen
Ein besonders Risiko für die Arzneimitteltherapiesicherheit ist die Polypharmazie. Von ihr spricht man, wenn Patienten mehr als fünf Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen. Je älter die Menschen sind, desto häufiger leiden sie unter chronischen Krankheiten, die medikamentös behandelt werden und desto höher ist das Risiko für Polypharmazie. In Rheinland-Pfalz und im Saarland ist jeder vierte Barmer Versicherte (je 25 Prozent) von Polypharmazie betroffen.
„Polypharmazie geht nicht zwangsläufig mit einer unangemessenen Übertherapie einher. Untersuchungen legen aber nahe, dass Patienten mit Polypharmazie Arzneimittel teils unnötig einnehmen“, erklärt Kleis. Dabei bestehe ein erhöhtes Risiko von unerwünschten Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten. „Nimmt ein Patient Medikamente ein, die sich nicht vertragen, kann die Medizin im schlimmsten Fall zum tödlichen Cocktail werden“, verdeutlicht Kleis.
Patienten haben Anspruch auf einen Medikationsplan, wenn sie mindestens drei zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnete Medikamente gleichzeitig und dauerhaft einnehmen. Unter den rheinland-pfälzischen und saarländischen Barmer Versicherten ist das fast jeder Zweite (je 47 Prozent). Die Bedeutung des Medikationsplans wird auch dadurch deutlich, dass rund zwei Drittel der von Polypharmazie betroffenen Barmer Versicherten in Rheinland-Pfalz (66 Prozent) und im Saarland (69 Prozent) ihre Medikamente von drei oder mehr Ärzten verordnet bekommen. Zudem lösen rund ein Drittel (35 Prozent) der in Rheinland-Pfalz von Polypharmazie Betroffenen Medikamentenrezepte in drei oder mehr Apotheken ein. Im Saarland sind es sogar 40 Prozent.