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Zahnreport der Barmer in Nordrhein-Westfalen

Werden Mädchen zu häufig kieferorthopädisch behandelt?

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Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen wird kieferorthopädisch behandelt. Das belegt eine Analyse im aktuellen Barmer-Zahnreport. Demnach erhielten unter den Heranwachsenden im Land 55,9 Prozent eine entsprechende Behandlung als Kassenleistung (Bund: 54,7 Prozent). Für die Analyse im Zahnreport wurden erstmalig Daten von bundesweit mehr als 50.000 Achtjährigen über einen Zeitraum von zehn Jahren, also bis zum 17. Lebensjahr, ausgewertet. „Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass Mädchen in NRW möglicherweise zu häufig kieferorthopädisch behandelt werden. Schönheitsideale, Gruppendruck und eine eventuell übertriebene elterliche Fürsorge sind mögliche Gründe dafür, dass Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Mädchen häufiger nachgefragt und behandelt werden als bei Jungen“, sagt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. So fällt die Inanspruchnahme bei Mädchen in allen Bundesländern konstant rund zehn Prozentpunkte höher aus als bei Jungen. In NRW bekommen 61 Prozent aller Mädchen und 50,2 Prozent aller Jungen eine entsprechende Behandlung. „Dies ist rein medizinisch nicht zu erklären“, so Rodrigues.

Der Analyse des Zahnreports zufolge gab es vor allem in den südlichen Bundesländern eine hohe Inanspruchnahme von Kieferorthopädie. Den größten Anteil kieferorthopädisch behandelter Kinder und Jugendlicher haben Baden-Württemberg und Bayern mit 57,3 beziehungsweise 59,7 Prozent aufzuweisen. Die niedrigsten Raten gab es in Bremen (45,9 Prozent) und Niedersachsen (47,5 Prozent). Auch innerhalb Nordrhein-Westfalens variiert die Inanspruchnahme von kieferorthopädischen Behandlungen. Die höchsten Raten gab es demnach in Münster (63,1 Prozent) und Steinfurt (62,1 Prozent), die geringsten in Mönchengladbach (50,1 Prozent) und Köln (50,7 Prozent). Mit Kieferanomalien und Zahnfehlstellungen allein seien diese regionalen Unterschiede nicht erklärbar, so Rodrigues. „Die Kieferorthopädie ist bereits seit vielen Jahren ein wichtiger Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung. Die Fachärztinnen und Fachärzte tragen zur Gesundheit, Funktionalität und Lebensqualität der Patientinnen und Patienten bei“, ergänzt der Landeschef der Barmer. „Dennoch zeigen die Ergebnisse des Zahnreports, dass zu diesem wichtigen Bestandteil der präventiven Gesundheitsversorgung weiterer Forschungsbedarf besteht.“

Neben der kieferorthopädischen nimmt die Analyse im Zahnreport auch die zahnmedizinische Versorgung von Heranwachsenden in den Blick. Laut Report sind Kinder und Jugendliche im Land zu selten bei Früherkennungsuntersuchungen in einer Zahnarztpraxis. Vor allem im Kleinkindalter findet noch zu wenig Vorsorge statt. Lediglich ein Drittel der Kinder bis zum Ende des vierten Lebensjahrs (36,4 Prozent) war 2022 bei einer entsprechenden Untersuchung. In den Altersgruppen der 5- bis 9-Jährigen sowie der 10- bis 14-Jährigen waren es 64,1 Prozent beziehungsweise 66,8 Prozent. „Prophylaxe ist wichtig, um Zahn- und Kieferkrankheiten möglichst frühzeitig zu entdecken und behandeln zu lassen“, sagt João Rodrigues. Er rate Eltern dazu, mit ihren Kindern diese Prophylaxe-Untersuchungen regelmäßig wahrzunehmen. Bestenfalls sollte der Besuch in der Zahnarztpraxis mit dem Durchbruch des ersten Milchzahns zur Routine werden.

Zum Zahnreport des BARMER Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) mit seinen interaktiven Grafiken: www.bifg.de/publikationen/reporte/zahnreport-2024