Düsseldorf, 8. März 2024 – Mehr als 300.000 Krankenhausaufenthalte von Pflegebedürftigen wären in Nordrhein-Westfalen jährlich potenziell vermeidbar, wenn Patientinnen und Patienten besser versorgt würden. Dafür müsste allerdings ihr individueller pflegerischer und medizinischer Bedarf stärker berücksichtigt werden. „Die Ergebnisse des aktuellen Barmer-Pflegereports legen nahe, dass im pflegerischen Bereich Versorgungslücken bestehen“, sagt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. Im Fokus der Analyse standen unter anderem sogenannte pflegeheim-sensitive Krankenhausfälle (PSK). Damit bezeichnet man Krankenhausaufenthalte, die bei einer entsprechenden Versorgung im pflegerischen Setting beziehungsweise durch den niedergelassenen Bereich potenziell vermeidbar sind. „Hier sprechen wir zum Beispiel von Harnwegsinfektionen. Diese entstehen womöglich, wenn ein Katheter nicht in ausreichender Anzahl und Form gewechselt wird“, ergänzt Rodrigues. Aus dem Report geht ferner hervor, dass die potenziell vermeidbaren Fälle ein Drittel aller Krankenhausaufenthalte von Pflegebedürftigen in Nordrhein-Westfalen ausmachen.
Immer mehr Pflegebedürftige im Krankenhaus
Die Zahl der Pflegebedürftigen, die im Krankenhaus behandelt werden, steigt laut BARMER-Report in NRW seit Jahren stetig an. Während der Anteil der pflegebedürftigen Patientinnen und Patienten mit einem Klinikaufenthalt an allen Krankenhausfällen 2017 noch 16,6 Prozent betragen hat, lag er 2022 schon bei 25,5 Prozent.
Innovationsfondsprojekt soll Erkenntnisse liefern
„Im Zusammenhang mit den vermeidbaren Krankenhausaufenthalten von Pflegebedürftigen müssen alle Beteiligten des Gesundheitssystems auch an einer gezielteren und damit besseren Akutversorgung arbeiten“, ergänzt Rodrigues. Viele Patientinnen und Patienten würden oft unnötig nach einem Notruf bei der 112 in eine Klinik gebracht. „Hier sollten telemedizinische und sektorenübergreifende Lösungen erforscht und entwickelt werden.“ Einen Erkenntnisgewinn erhofft sich die Barmer im Rahmen des Innovationsfondsprojektes Optimal@NRW. Hier nehmen 24 Pflegeeinrichtungen aus dem Raum Aachen sowie aus den Kreisen Düren und Heinsberg teil. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können bei medizinischen Fragestellungen auf eine telemedizinische Konsultation mit Ärztinnen und Ärzten der Aachener Uniklinik zurückgreifen. Während dieses Arztkontaktes können dann weitere Hilfestellungen organisiert werden. Mit ersten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu diesem Projekt ist Ende 2024 zu rechnen.
Aufwertung des Pflegeberufes dringend erforderlich
Im Rahmen von Optimal@NRW ist auch der Einsatz von mobilen nicht-ärztlichen Praxisassistenten mit Zusatzaufgaben (NäPaZ) möglich. Hierbei handelt es sich um ausgebildete Pflegefachkräfte, die in die teilnehmenden Einrichtungen fahren, um den Patientinnen und Patienten zum Beispiel durch eine mit Ärzten abgestimmte Medikamentengabe zu helfen. „Diese Form der Delegation von ärztlichen Aufgaben kann zu einer besseren Versorgung beitragen“, so der Landeschef der Barmer. Im Rahmen der Entwicklung des neuen Pflegekompetenzgesetzes habe das Bundesgesundheitsministerium bereits gute Ansätze geliefert. „Nur durch eine Aufwertung des Pflegeberufes werden wir auch eine bessere pflegerische Versorgung erreichen.“
Pflegebedürftigkeit verlängert den Klinikaufenthalt
Die Autoren des Pflegereports haben sich außerdem damit befasst, dass ein Krankenhausaufenthalt häufig der Startpunkt einer Pflegebedürftigkeit ist. „Bei 25 Prozent der rund 250.000 Menschen in NRW, die 2022 pflegebedürftig geworden sind, ist ein Krankenhausaufenthalt in einen zeitlichen Zusammenhang zu setzen“, sagt João Rodrigues. Deutlich werde zudem, dass der Krankenhausaufenthalt dieser sogenannten inzident Pflegebedürftigen mit durchschnittlich 14 Tagen länger ist als bei Menschen ohne Pflegebedürftigkeit mit durchschnittlich sieben Tagen. Patientinnen und Patienten, die bei ihrer Einweisung in eine Klinik bereits pflegebedürftig sind, würden im Schnitt elf Tage stationär behandelt. „Die Organisation der Pflege aus dem Krankenhaus heraus stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Dieser Organisationsaufwand kann den Aufenthalt im Krankenhaus also verlängern“, sagt der Landesgeschäftsführer der Barmer.
NRW bei der Pflegeheim-Suche in einer Vorreiterrolle
Um hier Abhilfe zu schaffen, sollten Kliniken die Kranken- und Pflegekassen regelhaft und frühzeitig über Entlassungen aus dem Krankenhaus informieren, so Rodrigues. Ein Baustein hierfür sollte künftig der digitale Datenaustausch über die elektronische Patientenakte sein. „Mit Blick auf eine kurzfristige und erfolgreiche Suche nach einer Einrichtung seitens der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen ist NRW indes schon auf einem guten Weg“, ergänzt der Landeschef der Krankenkasse. „Die Landesregierung befindet sich hier mit dem Portal www.heimfinder.de seit 2020 in einer lobenswerten Vorreiterrolle.“