Düsseldorf, 17. November 2019 – Mehr als 10.200 Kinder in NRW waren im Jahr 2017 ungeimpft: Sie haben nicht die 13 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen erhalten. Das zeigen nun veröffentlichte NRW-Daten aus dem Barmer Arzneimittelreport 2019. Zwar erzielt NRW im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern höhere Impfquoten bei jungen Kindern. Dennoch gibt es hier einen Negativtrend bei den Immunisierungen. „Seit dem Jahr 2011 ist der Anteil der hiesigen Zwei- bis Sechsjährigen ohne jegliche Impfung gestiegen. Der Trend, komplett auf Impfschutz zu verzichten, ist besorgniserregend“, sagt Heiner Beckmann, Landesgeschäftsführer der Barmer. Die Entwicklung erfordere Handlungsbedarf auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen.
Masern, Mumps, Röteln – kein Herdenschutz in NRW
Vom Herdenschutz – einer Immunisierungsrate von mindestens 95 Prozent der Bevölkerung – profitieren auch Menschen, bei denen eine Impfung aus medizinischen Gründen ausscheidet oder die für eine eigene Impf-entscheidung zu jung sind. Gerade bei hochansteckenden Erkrankungen wie Masern, Mumps oder Röteln, die schwere Krankheitsverläufe haben können, sind hohe Impfraten für das Wohl der Bevölkerung entscheidend. In NRW waren zuletzt gerade einmal 83,3 Prozent der Zweijährigen vollständig gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft. Bei den Sechsjährigen waren es zumindest 90,6 Prozent. Trotzdem ist NRW von einem Herdenschutz bei diesen Infektionskrankheiten immer noch entfernt.
Trotz Masernschutzgesetz weitere Aktionen für weniger Impflücken
Das Masernschutzgesetz dürfte ab März 2020 zu höheren Impfquoten bei Heranwachsenden führen. „Eine verpflichtende Impfung von Kindern allein kann das Risiko einer Masern-Epidemie nicht eindämmen. Um Impflücken zu schließen, ist eine konsequente Erinnerung auch im Erwachsenenalter wichtig“, betont Beckmann. Die Barmer bietet ihren Versicherten daher einen digitalen Impfplaner an. Dieser ist Teil der kasseneigenen App, weist auf Impflücken hin und erinnert Nutzer und ihre Familien an Auffrischungen.
Laumann: Überprüfung des Impfstatus nicht länger aufschieben
In die gleiche Richtung zielt auch die kürzlich in NRW gestartete Kampagne „Impfcheck NRW – Jetzt Impfschutz prüfen“: „Heutzutage haben Infektionskrankheiten für viele ihren Schrecken verloren. Dies hat dazu geführt, dass die Notwendigkeit einer Impfung von vielen nicht mehr gesehen wird. Und das vor allem die möglichen – im Vergleich zu der Krankheit weitaus harmloseren – Nebenwirkungen der Impfung im Vordergrund der Diskussion stehen“, erklärt Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann: „Oftmals wissen die Betroffenen gar nicht, dass ihr Impfschutz unvollständig ist, oder vergessen schlichtweg sich impfen zu lassen. Diese Personengruppe wollen wir mit unserer Kampagne erreichen.“ Ziel sei es, die Menschen dafür zu sensibilisieren, die Überprüfung ihres Impfstatus nicht länger aufzuschieben. In einer ersten Versandaktion wurden auffällige Plakate und Postkarten, die auf das Thema aufmerksam machen, an Arztpraxen in NRW verschickt.
Auch die Barmer begrüßt die Kampagne. Es brauche laienverständliche und zielgruppenspezifische Impfkampagnen, um die Skepsis, aber auch Ängste vor Impfungen abzubauen und mit Impfmythen aufzuräumen. Neben Impfkampagnen seien aber auch Fortbildungsprogramme für Ärzte, die den Dialog mit Impfskeptikern trainieren, wichtig. Auch strukturierte Versorgungsprogramme zur Verbesserung des Impfschutzes, wie beim Kinder- und Jugendprogramm der Kasse, könnten zu höheren Impfraten beitragen.
3,6 Mio. Menschen in NRW kennen ihren Impfstatus nicht
Laut einer repräsentativen Umfrage für den Barmer Arzneimittelreport sind mehr als 3,6 Millionen Erwachsene in NRW unsicher, ob ihr Impfstatus ausreicht, weil sie ihren Impfpass länger nicht mehr geprüft haben. Rund 2,9 Millionen Menschen in NRW kennen die aktuellen Impfempfehlungen nicht. Bei der Impfung von Kindern beeinflussen laut Report folgende Faktoren die Impfentscheidung der Eltern:
- Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Vorliebe für Homöopathie und der Ablehnung von Impfungen.
- Bei Kindern mit besonders jungen oder älteren Müttern ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie nicht vollständig geimpft werden.
- Gleiches gilt für Kinder von Eltern ohne anerkannte Berufsausbildung.
- Bei Heranwachsenden, die am Kinder- und Jugendprogramm der Krankenkasse teilnehmen, ist die Wahrscheinlichkeit, vollständig immunisiert zu sein, um 32 Prozent höher als bei anderen Kindern.
Datengrundlage – erstmals realistische Impfquoten verfügbar
Der Barmer Arzneimittelreport hat, im Gegensatz zu Analysen aus Schuleingangsuntersuchungen anhand vorgelegter Impfpässe, erstmals die tatsächlichen Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen ermittelt. Die Erhebung wurde auf Basis der Routinedaten von Versicherten, unabhängig von der Existenz eines Impfpasses, durchgeführt. Diese Methodik hat den Vorteil, dass auch Heranwachsende, die nicht geimpft sind, erfasst werden konnten. Der Arzneimittelreport bildet dadurch ein realistischeres Bild der Impfquote ab als andere Auswertungen.