Gütersloh/Düsseldorf, 28. November 2017 - Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt in Ostwestfalen-Lippe zunehmend – auch bei den Krankenkassen: In Gütersloh beraten Barmer-Mitarbeiter seit einem Jahr in der Telefon-Geschäftsstelle Versicherte ausschließlich digital. „Die Digitalisierung des Arbeitslebens birgt für Beschäftigte sowohl Chancen als auch gesundheitliche Risiken“, sagt Stephan Avenarius, Leiter der Telefon-Geschäftsstelle in Gütersloh. Wichtig sei es, mit gezielten Maßnahmen Risiken der Digitalisierung wie Kopf- und Rückenschmerzen, Einschlafprobleme und Ausgebranntsein zu minimieren.
Digitalisierungsdruck bei jungen Beschäftigten und Führungskräften
Die Digitalisierung ist bei den Beschäftigten angekommen, wie eine neue Studie der Universität St. Gallen im Auftrag der Barmer zeigt. „Auch in Gütersloh hält der technologische Wandel neben großen Unternehmen immer mehr bei kleinen und mittelständischen Unternehmen Einzug. Dabei gewinnen Ausbildungsberufe mit digitalem Schwerpunkt wie etwa Kaufleute im E-Commerce oder Kaufleute für Dialogmarketing an Gewicht“, resümiert Michael Kaiser von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen. Besonders junge Berufstätige und Führungskräfte verspüren einen überdurchschnittlich hohen Druck durch die Digitalisierung. Insgesamt bewerten Erwerbstätige diese sowohl positiv als auch negativ: Einerseits lassen sich durch die Digitalisierung Arbeitsvorgänge beschleunigen oder gar erleichtern und die Produktivität erhöhen. Andererseits steigt für manche Mitarbeiter die Belastung durch ein verdichtetes Arbeitsvolumen, eine Zunahme der Kommunikationskanäle und ständige Erreichbarkeit.
Gütersloh: Alleskönner auf allen Kanälen
Die Vorteile der Digitalisierung erfahren Barmer-Versicherte über die (Online-)Services der Telefon-Geschäftsstelle. Diese nutzen immer mehr Versicherte: die Gütersloher Kundenberater nehmen noch in diesem Jahr den eine millionsten Anruf entgegen. Für die Beratung und Bearbeitung der Anliegen haben die Mitarbeiter Zugriff auf die digitale Versichertenakte. So führen die Kundenberater täglich mehr als 5.000 Gespräche, chatten mit Versicherten und beantworten bis zu 1.000 E-Mails. Die Gütersloher Telefon-Geschäftsstelle soll wegen der hohen Nachfrage weiter ausgebaut werden. Für sein Team sucht Avenarius Sozialversicherungsfachangestellte und Kaufleute im Gesundheitswesen, die sowohl das gesamte Spektrum der Kranken- und Pflegeversicherung, als auch die erforderlichen Kommunikationstechniken beherrschen.
Digitale Auszeit in der Telefon-Geschäftsstelle
Um die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten, gibt es in der Telefon-Geschäftsstelle besondere Maßnahmen: Während der Arbeitszeit steht alle zwei Stunden steht eine Auszeit vom Arbeitsplatz an. Zehn Minuten lang können die Beschäftigten ihren Augen in Räumen mit spezieller Farbgebung eine Bildschirmpause gönnen, gemeinsam bei sportlichen Aktivitäten oder Bewegungsübungen abschalten. Frühstücks- und Mittagspausen können, wie die Arbeitszeit, individuell gestaltet werden. „Flexible Arbeitszeiten und -orte, Sport, Verzicht auf Diensthandy und Dienstcomputer in der Freizeit sowie eine gute Beziehung zu Vorgesetzten gehen mit verringerten Konflikten im Job und in der Familie sowie weniger emotionaler Erschöpfung einher“, betont Avenarius. Eine erhöhte Arbeitszeitflexibilität hängt laut Studie beispielsweise mit einer geringeren Zahl an Fehltagen im Job zusammen.
Wenig Arbeitszeitflexibilität und Home Office in Ostwestfalen-Lippe
Im Regierungsbezirk Detmold können knapp 40 Prozent der Beschäftigten ihre Arbeitszeit flexibel gestalten. Die Region liegt damit unter dem NRW-Schnitt (43,4 Prozent). Auch beim Home Office hinkt Ostwestfalen-Lippe anderen Regionen hinterher. Gerade einmal 29,1 Prozent der Erwerbstätigen im Regierungsbezirk Detmold haben beim Arbeitsort die Wahl (NRW-Schnitt: 39,8 Prozent). Weniger flexibel ist es nur im Regierungsbezirk Münster.
Bei der IHK setzt man in puncto Digitalisierung auf den Nachwuchs: „Vielen hiesigen Unternehmen droht künftig ein Fachkräftemangel. Sie haben Schwierigkeiten, qualifizierte Auszubildende zu finden. Gerade neue Ausbildungsberufe bieten hier insbesondere in kleineren und mittleren Betrieben die Chance, Innovations- und Digitalisierungsprozesse anzustoßen, auch in der Produktion oder bei Dienstleistungen, um so langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben“, so Kaiser.
Grad der emotionalen Erschöpfung gemeinsam reduzieren
Nicht jeder Betrieb kann Home Office gewähren. Es ist jedoch wichtig, dass Chefs die Belegschaft mit ihren Möglichkeiten zielgerichtet unterstützen – davon profitiert letztlich das ganze Unternehmen. Chefs und Mitarbeiter können mit wenig Aufwand die gesundheitlichen Risiken der Digitalisierung minimieren. Der Verzicht aufs Diensthandy nach Feierabend, aber auch gelegentliche digitale Abstinenz in der Freizeit fördern die Gesundheit. „Der Grad der emotionalen Erschöpfung lässt sich reduzieren, das haben die Beschäftigten zum Großteil selbst in der Hand“, erklärt Avenarius. Arbeitgeber können zudem mithilfe des betrieblichen Gesundheitsmanagements und Maßnahmen zur Stressprävention, Erhaltung der psychischen Gesundheit und zum Selbstmanagement ein gesundheitsförderliches Arbeitsumfeld schaffen.