Düsseldorf, 25. April 2024 – Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden in Nordrhein-Westfalen bisher selten genutzt. Das ist ein Ergebnis des aktuellen Arztreports der Barmer. Seit Herbst 2020 können Behandelnde die als umgangssprachlich bezeichneten Apps auf Rezept auf Kassenkosten verordnen. Im Arztreport wurden dahingehend Verordnungsdaten der Jahre 2020 bis 2022 ausgewertet und auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. In diesem Zeitraum wurde in NRW rund 80.000 Mal eine „App auf Rezept“ verordnet – bundesweit knapp 340.000 Mal. „Ziel der digitalen Helfer ist es, Erkrankungen zu erkennen und damit verbundene Beschwerden zu lindern. Die Verordnungszahlen zeigen jedoch, dass DiGA noch nicht in der medizinischen Versorgung angekommen sind, obwohl sie seit Herbst 2020 auf Kassenkosten verordnet werden können“, sagt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. Denn die Gesamtzahl der DiGA-Verordnungen innerhalb von drei Jahren sei etwa auf dem Niveau der Zahl der jährlich zur Krebsfrüherkennung durchgeführten Darmspiegelungen. Allerdings habe sich die Gesamtzahl der Verordnungen in NRW von rund 25.000 im Jahr 2021 auf etwa 55.000 im Folgejahr mehr als verdoppelt. „Der Trend geht also zur DiGA. Das ist positiv, denn die digitalen Anwendungen bieten unter anderem die Chance, die medizinische Versorgung auch in ländlichen Gebieten zu unterstützen“, so Rodrigues.
Verordnungszahlen im Vergleich: NRW landet auf dem dritten Platz
Mit Blick auf die regionalen Unterschiede zeigt sich jedoch, dass DiGA derzeit vor allem in städtischen Lagen verordnet werden. An der Spitze der Tabelle der Bundesländer stehen die Stadtstaaten Berlin und Hamburg mit 337 bzw. 328 DiGA-Verordnungen je 100.000 Einwohner, gefolgt von NRW mit seinen vielen Ballungszentren mit 302 Verordnungen je 100.000 Menschen. Auf den hinteren Plätzen landen dünner besiedelte Bundesländer wie das Saarland (188 Verordnungen je 100.000 Einwohner), Mecklenburg-Vorpommern (220) und Thüringen (231). Es sei bedauerlich, dass Apps auf Rezept, die theoretisch Versorgungslücken schließen könnten, bislang anscheinend auf dem Land weniger verordnet würden, kommentiert João Rodrigues die Ergebnisse des Reports.
DiGA am häufigsten bei Erkrankungen des Bewegungsapparats
Laut Arztreport entfällt in Nordrhein-Westfalen ein Großteil der DiGA-Verordnungen auf Frauen: etwa 67 Prozent. Überwiegend würden Apps auf Rezept zudem im mittleren Erwerbsalter zwischen 25 bis 59 Jahren beantragt. Im höheren Lebensalter spielten DiGA hingegen kaum noch eine Rolle. Etwas mehr als die Hälfte aller Verordnungen in NRW (rund 56 Prozent) entfielen im Jahr 2022 auf die drei Indikationen Erkrankungen des Bewegungsapparats (22,2 Prozent), Adipositas (18,5 Prozent) und Tinnitus (15,5 Prozent). Es folgen die Anwendungskategorien Depressionen (11,5 Prozent), Angststörungen (7,4 Prozent) und Schlafstörungen (6,3 Prozent). Am häufigsten werden hierzulande DiGA von Hausärztinnen und Hausärzten verordnet. 30 Prozent aller in NRW im Jahr 2022 ausgestellten Verordnungen stammen von ihnen.
Barmer fordert kurze Testzeiträume vor der 90-Tage-Verordnung
Für den Arztreport sind nicht nur Verordnungsdaten ausgewertet worden, sondern auch Ergebnisse aus Umfragen. Bundesweit wurden mehr als 1.700 Patientinnen und Patientinnen sowie 1.000 Ärztinnen, Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit Patientenkontakt zu ihren Erfahrungen mit DiGA befragt. Die Umfrage unter den Behandelnden ergab, dass fast die Hälfte (44 Prozent) noch nie eine DiGA verordnet hatten, ein Drittel bescheinigte sich selbst einen schlechten Kenntnisstand zum Thema. Darüber hinaus wurde deutlich, dass mehr als ein Drittel der Patientinnen und Patienten (38,2 Prozent) den digitalen Helfer nicht über die vorgesehene Erstanwendungsdauer von 90 Tagen nutzte, darunter 14,8 Prozent sogar weniger als einen Monat. Als Grund für den Abbruch gab ein Drittel (34,5 Prozent) an, dass die Anwendung die Erwartungen nicht erfüllt habe. „Digitale Gesundheitsanwendungen sind sowohl für Nutzer als auch für Ärzte immer noch eine Blackbox. Zu wenig Detailwissen und falsche Erwartungen führen dazu, dass DiGA zurückhaltend verordnet werden und deren Einsatz oftmals vorzeitig abgebrochen wird“, erklärt der Barmer-Landeschef. Zu kurz genutzte DiGA verursachten jedoch Kosten ohne einen nennenswerten Nutzen. Deshalb müssten die vorhandenen Informationen im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bekannter werden. Außerdem fordert die Barmer für die Versicherten einen Testzeitraum von 14 Tagen anstatt der bislang gängigen Verordnung über 90 Tage. Rodrigues: „In diesen 14 Tagen könnten Versicherte prüfen, ob der Einsatz der DiGA ihnen wirklich liegt und einen Nutzen hat.“