Düsseldorf, 5. Juni 2023 – Klassische Kinderkrankheiten, wie zum Beispiel Scharlach, sind im Zuge von Abstands- und Hygieneregeln während der Corona-Pandemie erheblich seltener aufgetreten. Nun können Nachholeffekte die Zahl der Erkrankungen stark erhöhen. Das ist ein zentrales Ergebnis aus dem aktuellen Arztreport der Barmer. Demnach sind während der Corona-Pandemie die Scharlach-Wellen, die üblicherweise im ersten Jahresviertel auftreten, nahezu ausgeblieben. Im Jahr 2019 hatten sich laut Report rund 58.400 Kinder zwischen 0 und 14 Jahren in Nordrhein-Westfalen mit Scharlach infiziert. Im Jahr 2021 waren es nur noch rund 1.600. Das entspricht einem Rückgang um 89 Prozent. „Durch das Ausbleiben der Scharlach-Wellen droht nun ein massiver Nachholeffekt. Die jüngsten Aussagen und Erfahrungen von Kinderärztinnen und -ärzten weisen darauf hin, dass die Kinder bereits unter diesen massiven Infektionswellen leiden“, sagt Heiner Beckmann, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. „Die Kinder kämpfen also mit den Folgen der Corona-Pandemie auf ihre Gesundheit.“ Es sei deshalb wichtig, daraus Lehren zu ziehen. Für künftige Ereignisse brauche es evidenzbasierte Konzepte, die als eine Art Blaupause dienen können, so Beckmann. „Bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Pandemie muss zudem untersucht werden, inwiefern die Verschiebung der Infektionswellen beispielsweise den Verlauf von Scharlacherkrankungen beeinflusst beziehungsweise verschlimmert hat.“
Starker Anstieg bei Hand-Fuß-Mund-Krankheit
Laut Arztreport sind neben Scharlach auch weitere klassische Kinderkrankheiten während der Pandemie seltener aufgetreten als zuvor. Bei der sogenannten Hand-Fuß-Mund-Krankheit stellt sich die Lage jedoch völlig anders dar. „Hier verzeichnen wir einen gegenläufigen Trend“, so Heiner Beckmann. „Im vierten Quartal 2021 waren ähnlich viele Kinder in NRW betroffen wie im vierten Quartal 2017.“ Wie schon 2014, 2017 und 2019 sei die Hand-Fuß-Mund-Krankheit 2021 die häufigste Kinderkrankheit überhaupt gewesen. „Hier ist eine tiefergehende Analyse angebracht. Daher halten wir eine besondere Beobachtung der Entwicklung der Erkrankung für sinnvoll“, sagt der Landesgeschäftsführer. Auch deshalb, weil Kinder sich mehrfach anstecken könnten und die Krankheit an Erwachsene übertragen werden könne.
Pandemie bremst Windpocken zusätzlich aus
Die seit 2005 rückläufige Zahl der Windpockenerkrankungen sank im Jahr 2021 in NRW rund 62 Prozent unter das Niveau von 2019 und erreichte einen bisherigen Tiefstand. Bereits vor der Pandemie sorgten vor allem Schutzimpfungen dafür, dass die Diagnoserate der Windpocken sich rückläufig entwickelte. Eine Empfehlung für die Schutzimpfung gegen Windpocken gibt es in Deutschland seit 2004. „Vor der Einführung der Schutzimpfung haben sich mehr als 90 Prozent aller Kinder mit dem für die Windpocken verantwortlichen Varizella-Zoster-Virus infiziert. Von 2005 bis 2019 sank die Diagnoserate bei Kindern bis 14 Jahren in NRW aber um rund 95 Prozent“, so Heiner Beckmann. Die aktuelle Analyse belege somit, dass Schutzimpfungen zu einem unverzichtbaren Teil unserer Abwehr von Infektionskrankheiten geworden sind. „Der Rückgang der Fallzahlen ist auch deswegen eine gute Nachricht, da Kinder, die eine Windpocken-Infektion durchgemacht haben, als Erwachsene an einer Gürtelrose erkranken können. So wird auch diese mögliche Folgeerkrankung durch die Impfung ausgebremst“, ergänzt der Landeschef der Barmer.
Keine Versorgungslücken bei Kindern in NRW
Der Arztreport zeigt außerdem, dass Kinder in NRW während der Pandemie ähnlich häufig versorgt wurden wie in den Vorjahren. 2020 und 2021 haben 94,8 bzw. 94,5 Prozent der Kinder bis 14 Jahre mindestens einmal eine ambulante ärztliche Behandlung erhalten. 2019 – vor der Pandemie – lag die Behandlungsrate mit 95,8 Prozent nur etwas höher. Bei den Säuglingen und Kleinkindern bis vier Jahre lag die Behandlungsrate in den Jahren 2020 und 2021 sogar bei knapp 99 Prozent. „Die Auswertungen der Behandlungsraten sind als sehr positiv einzuschätzen“, sagt Beckmann. „Es ist ein wichtiges Ergebnis, dass nahezu alle Babys und Kleinkinder während den ersten beiden Jahren der Pandemie wenigstens einmal jährlich bei einer Ärztin oder einem Arzt waren.“