Düsseldorf, 14. Januar 2025 – Knapp 40 Prozent der Mädchen bis 17 Jahre in Nordrhein-Westfalen sind trotz einer Impfempfehlung unzureichend gegen das Humane Papillomvirus (HPV) geimpft. Dies zeigt der Barmer-Arzneimittelreport, der die Versichertendaten der Kasse ausgewertet hat. Bei den Jungen bis 13 Jahre liegt der Anteil ohne entsprechenden Schutz sogar bei knapp 75 Prozent. „HPV ist für die Hälfte aller virusbedingten bösartigen Tumore und für fast 100 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich. Eine HPV-Impfung kann diese Krebserkrankung verhindern und Todesfälle vermeiden“, sagt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. Besorgniserregend sei zudem der erhebliche Rückgang der Impfquote zum Ende der Corona-Pandemie. Der Report zeigt, dass die Impfaktivität zwischen 2021 und 2022 deutlich abgenommen hat. In Nordrhein-Westfalen verringerte sich die Rate bei Mädchen und jungen Frauen um 23,2 Prozent und bei Jungen und jungen Männern sogar um 35,2 Prozent. Ein möglicher Grund für diesen Rückgang könnte ein mangelndes Bewusstsein über die Bedeutung der HPV-Impfung sein. „Aus unserer Sicht besteht bei Eltern und Jugendlichen ein Informationsdefizit zum Thema HPV-Infektion und dazu, wie eine Impfung davor schützen kann“, so Rodrigues. „Hier sind wir als Krankenkasse genauso gefragt wie niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Wir brauchen mehr Öffentlichkeit für dieses Thema."
Auch Jungen profitieren von der Schutzwirkung
Gebärmutterhalskrebs zählt zu den häufigsten Tumorerkrankungen bei Frauen – nach Brust-, Haut- und Darmkrebs. Die Ursache für diesen Krebs ist fast immer eine HPV-Infektion, die mit einer Impfung vermieden werden kann. HPV-bedingte Krebsarten wie Anal- oder Rachenkrebs können auch bei Jungen und Männern auftreten, wenn auch seltener als bei Frauen. Darüber hinaus können auch beim männlichen Geschlecht sehr unangenehme Genitalwarzen entstehen. Außerdem sind Jungen und Männer potenzielle Überträger des Virus und können mit der Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Partnerinnen und Partner schützen. Seit 2018 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut die HPV-Impfung auch für Jungen und junge Männer. Eltern sollten ihre Kinder gemäß STIKO unabhängig vom Geschlecht bereits ab dem Alter von neun Jahren impfen lassen. Die Impfempfehlung für Mädchen besteht bereits seit 2007.
Junge Frauen erkranken dank Impfung seltener
Dass die HPV-Impfung ein Schlüssel im Kampf gegen den Gebärmutterhalskrebs sein kann, wird durch die Auswertung des Barmer-Reports erneut belegt. Nach Einführung der Impfung zeigt sich in der Altersgruppe der 20- bis 29-jährigen Frauen eine deutliche Reduzierung der Krebserkrankungen. Während zwischen 2011 und 2017 bundesweit durchschnittlich 2,51 Neuerkrankungen je 100.000 Frauen pro Jahr vorgelegen haben, waren es zwischen 2018 und 2022 nur noch 1,18. Das entspricht einem Rückgang um 53 Prozent. Im Vergleich dazu gab es in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen, die noch nicht vom Impfangebot profitieren konnte, keinen Rückgang bei den Erkrankungen. „Hier ist die Inzidenz sogar leicht um etwa vier Prozent gestiegen“, ergänzt der Barmer-Landeschef.
Zusätzliche Vorsorge wäre ein sinnvoller Schritt
„Ein Problem für die Wahrnehmung der HPV-Impfung ist aus unserer Sicht das Fehlen eines konkreten Impfdatums“, sagt João Rodrigues. Ein sich über mehrere Jahre erstreckender Zeitraum zur Durchführung der Impfung sollte zugunsten der Bindung an einen routinemäßig erfolgenden Arztbesuch aufgegeben werden. „Hier wäre die Einführung einer weiteren gesetzlichen Vorsorgeuntersuchung für Kinder im Alter von neun bis zehn Jahren (U10) mit einem entsprechenden HPV-Impfangebot ein sinnvoller Schritt.“ Diese Untersuchung könnte genutzt werden, um den Impfstatus zu überprüfen und über den Nutzen sowie die Risiken fehlender Impfungen aufzuklären. Bei der Barmer gehört die U-10-Vorsorge bereits zum Kinder- und Jugendprogramm (KJP). „Hier konnten die Autoren des Arzneimittelreports feststellen, dass die HPV-Impfraten der Kinder, die am Programm teilnehmen, deutlich höher sind“, ergänzt der Landesgeschäftsführer der Barmer. So sei der Anteil von im Jahr 2014 neunjährigen Mädchen, die bis zum Jahr 2022, in dem sie 17 Jahre alt werden, vollständig HPV-geimpft sind, bei Teilnahme am Kinder- und Jugendprogramm um gut 20 Prozent höher (81,9 vs. 61,3 Prozent) als bei Nicht-Teilnahme.