Der Pflegenotstand in Deutschland ließe sich durch bessere Arbeitsbedingungen deutlich abmildern. Das geht aus dem Barmer-Pflegereport hervor. Demnach sind Pflegekräfte in Deutschland deutlich häufiger krank und werden öfter frühverrentet als viele andere Berufstätige. „Die Pflegeberufe müssen dringend deutlich arbeitnehmerfreundlicher werden. Mit besseren Arbeitsbedingungen könnten Bund, Länder und Arbeitgeber den Pflegeberuf zeitnah attraktiver gestalten. Mit dem bundesweiten Potenzial an 26.000 Pflegekräften könnten zusätzlich 50.000 Menschen versorgt werden“, sagte Heike Sander, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Niedersachsen und Bremen. Bessere Arbeitsbedingungen zeichneten sich nicht nur durch eine angemessene Vergütung, sondern vor allem durch möglichst planbare und familienfreundliche Arbeitszeiten aus.
Über sieben Fehltage wegen Rückenschmerzen in Niedersachsen
Wie groß der Handlungsbedarf ist, verdeutlicht der Pflegereport mit Blick auf den Krankenstand. So fehlte jede krankgeschriebene Heim-Pflegefachkraft im vergangenen Jahr in Niedersachsen im Schnitt 28,4 Tage und in Bremen 28,9 Tage. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Fehltageschnitt aller Erwerbstätigen lag in Niedersachsen bei 18,5 und in Bremen bei 18,1 Tagen. Außerdem wiesen Beschäftigte in der Altenpflege etwa 80 bis 90 Prozent mehr Fehltage aufgrund von Depressionen auf als Erwerbstätige in sonstigen Berufen. In Niedersachsen kamen bei den Heim-Pflegekräften damit 6,4 und in Bremen 6,3 Abwesenheitstage zusammen. Rückenschmerzen verursachten bei Fachkräften in der Altenpflege in Niedersachsen 7,3 Arbeitsunfähigkeitstage, in Bremen waren es 6,1 Tage. „Die Arbeitsbedingungen in der Pflege können nicht so bleiben, wie sie sind. Hier sind die Arbeitgeber in der Pflicht, neben geregelten Arbeitszeiten stärker auf Vorsorge zu setzen. Es kann nicht angehen, dass nicht einmal jede zweite stationäre Pflegeeinrichtung Präventionskurse für ihre Beschäftigten anbietet“, so Sander. Mit gezielten Trainings gegen Rückenprobleme oder psychischen Stress könne Einiges erreicht werden.
Aus- und Weiterbildungsoffensive zwingend erforderlich
Zudem müssen Pflegekräfte häufiger und länger im Krankenhaus behandelt werden als andere Erwerbstätige. „Die Arbeitssituation in der Pflege greift die Gesundheit der Beschäftigten massiv an. Wenn sie ausfallen, werden Kolleginnen und Kollegen zusätzlich belastet. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden, zumal die Corona-Pandemie die angespannte Arbeitssituation der Pflegekräfte noch einmal verschärft“, betonte Sander. Der Pflegeberuf sei so kraftraubend, dass zudem überproportional viele Beschäftigte nicht bis zur Rente durchhielten. So sei der Anteil der Pflegekräfte mit einer Erwerbsminderungsrente bis zu doppelt so hoch wie in sonstigen Berufen. Um die Situation in der Pflege zu verbessern, sei ein Maßnahmenpaket erforderlich, ergänzte Sander. „In den Pflegeberufen ist eine Aus- und Weiterbildungsoffensive zwingend erforderlich. Der Gesetzgeber hat hier mit der Konzertierten Aktion Pflege, die bis zum Jahr 2023 einen deutlichen Zuwachs an Ausbildungsplätzen vorsieht, einen wichtigen Schritt gemacht. Allerdings richtet sich der Fokus dabei nur auf Pflegefachkräfte. Das reicht nicht aus“, so die niedersächsische Kassenchefin. Die Pflegedienste und -heime müssten verstärkt auch Ausbildungsplätze für Pflegehilfskräfte anbieten.
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