Hannover, 30. Dezember 2020 – Karies ist nicht das einzige Problem für Kinderzähne. Etwa 230.000 Sechs- bis Neunjährige waren bundesweit im Jahr 2019 wegen Kreidezähnen in zahnärztlicher Behandlung, davon allein über 15.000 in Niedersachsen und rund 1.900 in Bremen. Mindestens sieben Prozent aller Heranwachsenden in dieser Altersgruppe in Niedersachsen und sechs Prozent in Bremen wären damit von einem viel zu weichen Zahnschmelz betroffen. Tatsächlich dürfte die Quote sogar noch höher sein, da sie in ihrer leichten Ausprägung nicht invasiv behandelt werden müssen. „Kreidezähne sind besonders kariesanfällig und bedürfen bei schwerer Ausprägung lebenslang einer Behandlung beziehungsweise Folgebehandlungen. Dass so viele Kinder davon betroffen sind, ist ein alarmierender Befund. Dabei gibt es massive regionale Unterschiede beim Auftreten, die rein medizinisch nicht erklärbar sind“, sagt Heike Sander, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Niedersachsen und Bremen.
Ursache für Kreidezähne wissenschaftlich ungeklärt
Genaue Ursachen für Kreidezähne, die Ärztinnen und Ärzte Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) nennen, seien bislang noch nicht wissenschaftlich geklärt. Es würden verschiedene Ursachen diskutiert. „So kommen unter anderem Mikroplastik in Spielzeugen oder in kosmetischen Produkten, Kunststoffweichmacher wie Bisphenol A etwa in Babyprodukten, Probleme in der Schwangerschaft, die Einnahme von Antibiotika, aber auch Erkrankungen wie Windpocken in Frage“, so Sander. Kreidezähne müssten immer wieder behandelt werden. Das könne die Betroffenen und ihre Familien massiv belasten. Deshalb sei eine weitere Ursachenforschung zur Hypomineralisation dringend erforderlich. Die Versorgungsforschung mit Krankenkassendaten könne dabei helfen, typische Behandlungsmuster zu erkennen. Die Schmelzbildungsstörung bei Kreidezähnen trete meist an den ersten bleibenden Backenzähnen auf, häufig auch an den bleibenden Frontzähnen. In manchen Fällen seien schon Milchzähne betroffen, so Sander weiter. Sobald Kreidezähne festgestellt würden, müssten Prophylaxe-Maßnahmen verstärkt werden. Andernfalls sei das Risiko umso größer, dass die Zähne schneller porös würden und einzelne Stücke abbrächen.
Behandlungsmuster regional ungleich verteilt
Kreidezähne werden nach der Barmer-Analyse bei Kindern in manchen Bundesländern beinahe doppelt so häufig vermutet wie in anderen Regionen. Diesen Schluss lassen aktuelle Untersuchungen zu. Dabei wurde nach Mustern gesucht, die für die Behandlung der MIH typisch sind. So reichte der Anteil der Sechs- bis Neunjährigen mit einer behandlungsbedürftigen MIH im Jahr 2019 von 5,5 Prozent in Hamburg, 5,9 Prozent in Bremen, 7,0 Prozent in Niedersachsen bis hin zu 10,2 Prozent in Nordrhein-Westfalen. Demnach wären vor allem Heranwachsende im Westen und Nordosten Deutschlands von schwerer MIH betroffen.
Einkommensstarke und -schwache Familien betroffen
Weiter geht aus der Analyse hervor, dass sowohl Kinder aus einkommensschwachen als auch aus sehr einkommensstarken Elternhäusern verstärkt wegen Kreidezähnen behandelt werden. „MIH scheint auch bei Kindern aus wohlhabenden Elternhäusern häufiger aufzutreten. Dabei sind einige Studien bisher davon ausgegangen, dass Kinder aus einkommensschwachen Schichten besonders betroffen sind“, sagt Sander.
Barmer forscht nach Ursachen
Kreidezähne sind laut der Barmer-Auswertung damit insgesamt ein großes Gesundheitsproblem geworden. Vertiefende Analysen zu potenziellen Ursachen wird die Barmer im Zahnreport 2021 präsentieren können. „Gemeinsam mit Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen versuchen wir, den Ursachen für Kreidezähne weiter auf die Spur zu kommen“, so Sander. Dabei sind die Forscherinnen und Forscher zuversichtlich, unter Nutzung von Barmer-Daten wichtige Zusammenhänge zur Entstehung dieser Erkrankung aufdecken zu können.