Neue Gesetze und Gesetzesvorhaben haben 2019 viel Bewegung in die Gesundheitsbranche gebracht. Sowohl im Bund als auch im Land Mecklenburg-Vorpommern sind die Weichen für eine zeitgemäße medizinische Versorgung gestellt worden. Welche Veränderungen angestoßen worden sind und wie sich diese im neuen Jahr auswirken, erläutert Barmer-Landesgeschäftsführer Henning Kutzbach.
Das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) hat in diesem Jahr bundesweit für Aufsehen gesorgt. Was halten Sie von diesem Gesetz?
Unsere Versicherten können bereits verschiedene digitale Angebote (Gesundheits-Apps) kostenfrei nutzen. Durch das DVG werden ab nächstes Jahr unter anderem erprobte Apps allen Versicherten in der Regelversorgung zugutekommen. Wenn Menschen auf individuelle, digitale Versorgungsangebote zurückgreifen können, ist das in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern eine positive Nachricht. Bei den Gesundheits-Apps sollten aus unserer Sicht Qualität, Nutzen und Datenschutz oberste Priorität haben.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen haben vor allem die Entwicklung des Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetzes (FKG) verfolgt. Wie bewerten Sie den Gesetzesentwurf?
Wie der Name schon sagt, soll das FKG einen fairen Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen begünstigen. Das kann durch eine Reform des sogenannten Risikostrukturausgleichs (RSA) gelingen, wie sie im Gesetzesentwurf steht. In seiner Neuausrichtung soll der RSA weniger anfällig für Manipulationen werden und zielgenauer wirken. Es bleibt abzuwarten, ob die Zuteilung der Versichertengelder an die Kassen in Zukunft mehr der tatsächlichen Ausgabenlast entspricht.
Mit dem Arzneimittelreport 2019 hat die Barmer nachweisen können, dass die Impfraten bei Kindern, insbesondere bei Masern, bundesweit niedriger sind als bisher angenommen. In diesem Herbst hat der Bundestag die Einführung einer Impfpflicht auf den Weg gebracht. Was halten Sie davon?
Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den Schutz gegen Infektionskrankheiten zu etablieren und diese bestenfalls auszurotten. Die Einführung einer Impfpflicht in Kitas, Schulen und für medizinisches Personal kann dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Wichtig ist jedoch auch, weiterhin über Impfungen aufzuklären und für diese zu werben. Einen Schritt hin zu mehr Impfbereitschaft geht die Barmer mit dem digitalen Impfplaner. Dieser gibt Auskunft über den Impfstatus und erinnert an fehlende oder aufzufrischende Impfungen.
Um die Versorgung von Menschen durch einen Hausarzt im ländlichen Raum sicherzustellen, hat der Landtag Mecklenburg-Vorpommern im November die sogenannte Landarztquote beschlossen. Ist dies ein geeignetes Instrument gegen den Ärztemangel?
Der Entwurf des Landarzt-Gesetzes beinhaltet, dass ab dem Wintersemester 2021 jeder zehnte Medizin-Studienplatz in Mecklenburg-Vorpommern für Bewerber reserviert werden soll, die nach ihrem Studium mindestens zehn Jahre als Landarzt im Nordosten arbeiten wollen. Diese Landarztquote ist ein erster wichtiger Baustein gegen den Ärztemangel. Um die medizinische Versorgung im Land langfristig sicherzustellen, brauchen wir darüber hinaus in Kürze sektorenübergreifende Ansätze und Modelle.
So ein Modell ist ja beispielsweise in Parchim als Ersatz für die dortige Kinderklinik und die Geburtsstationen gedacht. Dagegen hat sich viel Widerstand gebildet.
Es ist nachvollziehbar, dass die Menschen in der Region an „ihrem“ Krankenhaus hängen. Eine medizinische Versorgung vor Ort ist unerlässlich. Jedoch muss sich auch jeder, der die medizinische Hilfe eines Krankenhauses benötigt, darauf verlassen können, dass er eine hochwertige Versorgung erhält. Eine höhere Anzahl komplizierter Eingriffe führt zu mehr Erfahrung der Behandler, weniger Komplikationen und einer besseren Behandlungsqualität. Deshalb macht die Bildung von spezialisierten Zentren Sinn. Nicht jedes Krankenhaus muss jede Leistung vorhalten. Wichtig ist, dass die Patientinnen und Patienten im Falle des Falles in der jeweils für ihre Erkrankung am besten geeigneten Klinik behandelt werden. In der Debatte um die Kinderklinik und die Geburtsstationen in Parchim und Crivitz ist in Vergessenheit geraten, dass Ursache der geplanten Schließung bzw. Zusammenlegung der Ärztemangel vor Ort ist, dem mit flexiblen und sektorenübergreifenden Lösungsmodellen entgegengewirkt werden kann.
Welche Themen und Gesetze werden im kommenden Jahr aus Ihrer Sicht große Relevanz haben?
Der zunehmende Fachkräftemangel in der Pflege wird sicher weiterhin Thema sein. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, wie sich das Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) auswirken wird. Wichtigster Bestandteil des PpSG ist die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten ab 2020 aus den DRG-Fallpauschalen. Die Finanzierung erfolgt über ein zweck-gebundenes Pflegebudget. Die Krankenhäuser bekommen ihre Pflegekräfte vollständig durch die Krankenkassen refinanziert. Dadurch können sie mehr Personal einsetzen und eine adäquate Lohnerhöhung vornehmen. Insbesondere die Kinderheilkunde, die einen hohen und zeitintensiven Pflegeanteil hat, kann dadurch profitieren.
Weiterhin spannend werden die weiteren Entwicklungen der Telematikinfrastruktur und in diesem Zusammenhang die Einführung einer elektronischen Patientenakte bis Anfang 2021. Hier ist die Barmer auf einem guten Weg und wird vermutlich bis Ende nächsten Jahres ein Angebot für unsere Versicherten bereitstellen können.
Mehr Infos zu aktuellen Gesetzgebungsverfahren in der Gesundheitspolitik gibt es auf der Webseite des vdek.