Deutschlandweit wächst jedes fünfte Kind bei alleinerziehenden Eltern auf. In Schwerin ist es sogar jedes vierte Kind, das bei einer alleinerziehenden Mutter oder einem alleinerziehenden Vater lebt. Deren Alltag ist mitunter sehr belastend. Mit dem „wir2 – Bindungstraining für Alleinerziehende“ startet in der Landeshauptstadt ein besonderes Projekt, das helfen will, die Lebensqualität und die Gesundheit von Ein-Eltern-Familien zu verbessern.
Die Barmer begleitet und unterstützt die Umsetzung des Programms. Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der Barmer in Mecklenburg-Vorpommern, erläutert im Interview, warum es unerlässlich ist, gesundheitsfördernde Angebote, wie „wir2“, in der Kommune zu etablieren.
Warum ist es wichtig, dass Alleinerziehende bei der Förderung ihrer Gesundheit unterstützt werden?
Henning Kutzbach: Der Alltag von Alleinerziehenden ist anspruchsvoll, oft sind sie bei Haushalt, Kinderbetreuung und Erziehung auf sich selbst gestellt und müssen allein für den Lebensunterhalt der Familie sorgen. Hinzu kommen manches Mal noch emotionale Belastungen durch strittige Trennungen. Der größte Teil der Ein-Eltern-Familien führt ein harmonisches Familienleben, dennoch können die besonderen Herausforderungen und Belastungen Spuren hinterlassen. Nicht wenige Alleinerziehende leiden an gesundheitlichen und seelischen Beeinträchtigungen. Studien belegen, dass gerade das Risiko für psychische und psychosomatische Erkrankungen wie Depressionen, Schlafstörungen oder Schmerzerkrankungen bei alleinerziehenden Müttern und Vätern erhöht ist. Frauen sind besonders betroffen, da in 90 Prozent der Familien die Kinder nach einer Trennung bei der Mutter bleiben. Deshalb muss es geeignete Unterstützungsangebote wie „wir2“ geben. Vonseiten der Barmer helfen wir, dass diese Angebote auch umsetzbar sind.
Wie muss aus Ihrer Sicht ein Gesundheitsangebot aussehen, damit es auch wahrgenommen werden kann?
Henning Kutzbach: Als Krankenkasse ist es unser Ziel, gesundheitsfördernde Strukturen, dort zu schaffen, wo sich Menschen tagtäglich aufhalten, sei es in der Kita, in der Schule, im Betrieb oder auch in der Gemeinde. Wir wollen ermöglichen, dass Menschen vor Ort einen guten und leichten Zugang zu Präventionskursen und Gesundheitsangeboten haben, denn nur dann, wenn diese Angebote erreichbar sind, können sie auch Wirkung zeigen und die Lebensqualität verbessern. Mit der Landeshauptstadt Schwerin als Verantwortlichen und dem Kinderzentrum Mecklenburg als Ausrichter des Bindungstrainings „wir2“ wird ein Gesundheitsangebot für alleinerziehende Schwerinerinnen und Schweriner dort geschaffen, wo sie es brauchen, nämlich direkt an ihrem Wohnort. Zudem sind die 20 Gruppentreffen des Elterntrainings für die Teilnehmenden kostenlos und die Kinder werden während dessen betreut.
Inwieweit profitieren die Teilnehmenden vom „wir2 – Bindungstraining“?
Henning Kutzbach: Der Erfolg des Elterntrainings ist wissenschaftlich belegt. Die Walter Blüchert Stiftung hat das Programm in Zusammenarbeit mit der Heinrich Heine Universität in Düsseldorf entwickelt und wissenschaftlich begleiten lassen. Bei bisherigen Teilnehmenden konnte ein statistisch signifikanter und nachhaltiger Rückgang psychosomatischer Beschwerden festgestellt werden. Auch kindliche Verhaltensauffälligkeiten nahmen deutlich ab. Hinzu kommen Erfolge, die sich nicht so leicht messen lassen. Beispielsweise berichten ehemalige Teilnehmende, dass sie im Kurs Freundschaften geschlossen hätten, die über die Zeit des Trainings hinaus eine Unterstützung sind.
Ist das Programm auch für andere Kommunen empfehlenswert?
Henning Kutzbach: Schwerin wird als erste Gemeinde bundesweit vonseiten der Barmer bei der Einführung des Bindungstrainings mit bis zu 5.000 Euro gefördert. Aufgrund der guten Ergebnisse ermuntern wir auch andere Kommunen mit einem hohen Anteil Alleinerziehender, „wir2“ ebenfalls umzusetzen. Dazu können sie einen Förderantrag bei der Barmer einreichen, um im Rahmen des Präventionsgesetzes finanziell unterstützt zu werden.
Hintergrund zum „wir2 – Bindungstraining für Alleinerziehende“
Der erste Kurs des Elterntrainings in Schwerin startet im Oktober. Geplant sind in der ersten Runde 8 bis 10 Kursteilnehmer. Zielgruppe sind alleinerziehenden Schwerinerinnen und Schweriner. Die Teilnahme ist, gleich welcher Kassenzugehörigkeit, kostenlos. In 20 Gruppentreffen à 90 Minuten geht es um den Umgang mit Konflikten und Belastungen. Während der Treffen werden die Kinder betreut.
Weitere Infos und Anmeldung per Mail an wir2@kinderzentrum-mecklenburg.de.
Mehr zum Elterntraining „wir2“ gibt es auch unter www.barmer.de/g101416.