Ein Junge sitzt beim Zahnarzt auf dem Stuhl und schaut in einen Spiegel. Der Arzt zeigt und erklärt ihm etwas.
Pressemitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern

Schlechte Milchzähne trotz guter Versorgung?

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Schwerin, 20. September 2019 – Kinder und Jugendliche aus Mecklenburg-Vorpommern gehen zu selten zum Zahnarzt. Nur ein Drittel der Kinder von drei bis sechs Jahren (34,6 Prozent) hat im Jahr 2017 eine zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung wahrgenommen. Bei den Sechs- bis 18-Jährigen sind immerhin knapp zwei Drittel (64,8 Prozent) mindestens einmal beim Zahnarzt gewesen. Das geht aus Auswertungen des Barmer Zahnreports 2019 hervor.

„Die Inanspruchnahme der Kinder- und Jugendzahnprophylaxe liegt hierzulande leicht unter Bundesschnitt. Dieser Wert muss verbessert werden“, fordert Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der Barmer in Mecklenburg-Vorpommern anlässlich des diesjährigen Zahngesundheitstages am morgigen 25. September.

Die Grafik zeigt, wie oft Kinder im Nordosten zum Zahnarzt gehen. 2018 war es nur ein Drittel der Kinder bis sechs Jahren.


Erwachsene aus Mecklenburg-Vorpommern sind hingegen überdurchschnittlich oft beim Zahnarzt gewesen. Drei von Vier (75,3 Prozent) haben 2017 mindestens einmal zahnärztliche Leistungen in Anspruch genommen. Bundesweit gehen 71,5 Prozent regelmäßig zum Zahnarzt. „Bei der zahnmedizinischen Versorgung gibt es laut Barmer Zahnreport große regionale Unterschiede. Der Osten Deutschlands ist viel häufiger beim Zahnarzt als der Westen“, erklärt der Barmer-Landeschef. Mit zusätzlichen zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen beginnend im Säuglingsalter will die Krankenkasse Kinder frühzeitig mit dem Besuch beim Zahnarzt vertraut machen.

Grafik: Im bundesweiten Vergleich gehen Mecklenburger oft zum Zahnarzt

Mit die höchsten Karieswerten bei Erstklässlern in MV

Denn es gibt im Land große Probleme bei der Mundgesundheit von Kleinkindern. Zu diesem Ergebnis kommt die epidemiologische Begleituntersuchung (DAJ-Studie), welche letztmalig 2016 die Karieshäufigkeit und den Sanierungsgrad bei Drei-, Sechs- und Zwölfjährigen bundesweit erhoben hat. „Bereits über 14 Prozent der Dreijährigen aus Mecklenburg-Vorpommern leiden der Studie zufolge an frühkindlicher Karies. Das sind alarmierende Zahlen. Es darf nie vergessen werden, wie wichtig ein gesundes Milchgebiss für die gesamte kindliche Entwicklung ist“, verdeutlicht Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Präsident der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern. Der Nordosten nehme hier keine Sonderrolle ein, denn frühkindliche Karies sei ein deutschlandweites Problem.

Besorgniserregend sind die Studienergebnisse vor allem bei den Sechs- bis Siebenjährigen im Land: Sie haben bei der Kariesverbreitung mit 2,23 dmft (Maß für die Zahl von erkrankten, fehlenden und gefüllten Milchzähnen) nach Sachsen-Anhalt (2,31 dmft) bundesweit die höchsten Werte. „Der Sanierungsgrad der Erstklässler hierzulande liegt im bundesweiten Vergleich im oberen Drittel, was zumindest auf eine gute Inanspruchnahme der zahnärztlichen Dienstleistungen hinweist. Allerdings ist die Behandlung in diesem Alter sehr anspruchsvoll und nicht selten nur unter Vollnarkose möglich“, erklärt Prof. Oesterreich.

Präventionsmaßnahen sollen Mundgesundheit verbessern

Bei den Zwölfjährigen wurde für Mecklenburg-Vorpommern hingegen bundesweit der deutlichste Kariesrückgang in den letzten Jahren festgestellt. Mit einem DMFT* von 0,5 kann den Jugendlichen eine sehr gute Mundgesundheit entsprechend dem Bundesschnitt attestiert werden. „Die Ergebnisse bei den Zwölfjährigen sind sehr erfreulich. Es ist das Ergebnis konsequenter Vorsorge. Dennoch besteht insbesondere bei den Kleinkindern noch deutlicher Präventionsbedarf. Maßnahmen, welche die Gesamtbevölkerung erreichen, müssen intensiviert werden“, fordert der Präsident der Zahnärztekammer MV.

Dazu gehört, die breite Öffentlichkeit über die richtige Nutzung von Fluoriden aufzuklären. „Nach den neuesten Empfehlungen der Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin sollten Kinder vom ersten Zahn an und zweimal täglich mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta putzen“, erklärt Prof. Oesterreich. Auch haben sich Krankenkassen und Zahnärzte im vorherigen Jahr dafür stark gemacht, dass bei der Novelle des Kindertagesförderungsgesetzes MV die tägliche Mundhygiene aufgenommen wird. „Jetzt gilt es, die Einrichtungen bei der Umsetzung zu unterstützen“, sagt Prof. Oesterreich.

Mit dem zahnärztlichen Kinderpass der Zahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung sollen Eltern motiviert werden, parallel zu den ärztlichen Kinderuntersuchungen, mit ihrem Nachwuchs regelmäßig zum Zahnarzt zu gehen. Er beinhaltet zahlreiche Informationen bereits für die werdende Mutter und für die zahngesunde Entwicklung des Kleinkindes. Zusammen mit dem ärztlichen Kinderuntersuchungsheft wird gleichzeitig die Dokumentation der Untersuchung vorgenommen. „Zahnärztliche Vorsorge muss vom ersten Zahn an einsetzen,“ so Oesterreich abschließend.

Neue zahnärztliche Kassenleistungen im Säuglingsalter

Zur Vermeidung frühkindlicher Karies, übernehmen alle gesetzlichen Krankenkassen seit dem 1. Juli dieses Jahres zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen schon ab dem sechsten Lebensmonat. Bisher waren diese erst ab dem dritten Lebensjahr Kassenleistung. Damit wird eine Versorgungslücke geschlossen, da die erste Früherkennungsuntersuchung bereits mit Durchbruch der ersten Milchzähne erfolgen sollte. „Eltern sollten die neuen Früherkennungsuntersuchungen als Chance nutzen, eine natürliche Beziehung zwischen ihren Kindern und dem Zahnarzt aufzubauen. Der erste Zahnarztbesuch sollte bei Kindern in positiver Erinnerung bleiben und nicht erst bei Zahnschmerzen erfolgen. Dann stehen Kinder weiteren Besuchen sehr viel offener gegenüber“, sagt Barmer-Landeschef Henning Kutzbach.

* Der Kariesindex dmft/ DMFT beschreibt Zähne (T= teeth), die eine kariöse Läsion besitzen (D= decayed), aufgrund von Karies gezogen wurden (M= missing) oder mit einer Füllung versorgt wurden (F= filled). Mit Kleinbuchstaben wird das Milchgebiss, mit Großbuchstaben das permanente Gebiss bezeichnet.