Schwerin, 23. Februar 2021 – In kaum einer anderen Branche ist der Fachkräftemangel aktuell so deutlich spürbar wie in der Pflege. Die Corona-Pandemie hat die Situation noch verschärft und die ohnehin schon hohe Arbeitsbelastung der Beschäftigten noch einmal zusätzlich verstärkt. Das Resultat: Viele Pflegekräfte in der Altenpflege fühlen sich physisch und psychisch überfordert. Demnach sind auch Pflegekräfte in Mecklenburg-Vorpommern deutlich häufiger krank und werden öfter frühverrentet als viele andere Berufstätige. Das geht aus dem Barmer Pflegereport 2020 hervor. „Die Pflegeberufe müssen dringend deutlich arbeitnehmerfreundlicher werden“, sagt Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der BAR-MER in Mecklenburg-Vorpommern. Mit substanziell und nachhaltig besseren Arbeitsbedingungen könne der Pflegeberuf nicht nur zeitnah attraktiver gestaltet werden, sondern auch die gesundheitliche Situation würde sich verbessern. Bessere Arbeitsbedingungen zeichnen sich allerdings nicht nur durch eine angemessene Vergütung, sondern auch durch planbare und familienfreundliche Arbeitszeiten aus.
Höherer Krankenstand und mehr Frühverrentung in den Pflegeberufen
Zwischen den Jahren 2016 und 2018 waren den Ergebnissen des Pflegereports zufolge 9 Prozent der Hilfskräfte und 7,7 Prozent der Fachkräfte in der Altenpflege in Mecklenburg-Vorpommern krankgeschrieben. In anderen Berufen lag der Krankenstand im Nordosten im Schnitt bei 6,2 Prozent. Das entspricht einem Unterschied von bis zu 45 Prozent. Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen werden Pflegekräfte häufiger und länger im Krankenhaus behandelt. „Die Arbeitssituation in der Pflege greift die Gesundheit der Beschäftigten massiv an. Wenn sie ausfallen, werden Kolleginnen und Kollegen zusätzlich belastet. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden, zumal die Corona-Pandemie die angespannte Arbeitssituation noch einmal verschärft“, betont Henning Kutzbach. Der Pflegeberuf sei so kraftraubend, dass überproportional viele Beschäftigte nicht bis zur Rente durchhielten. So sei der Anteil der Pflegehilfskräfte mit einer Erwerbsminderungsrente fast doppelt so hoch wie in sonstigen Berufen.
Pflege geht vor allem auf den Rücken
Wie groß der Handlungsbedarf in der Pflege ist, wird auch mit Blick auf die Fehlzeiten deutlich. So war Pflegepersonal im Land laut Barmer-Daten im Jahr 2019 durchschnittlich 27,5 Tage krankgeschrieben. Pflegekräfte aus Pflegeheimen fielen sogar bis zu 31,8 Tage und damit 44 Prozent länger aus als Beschäftigte in sonstigen Berufen (22,1 Fehltage). „Pflegekräfte haben vor allem lange Fehlzeiten aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychischen Problemen“, so Henning Kutzbach. Beschäftigte in der Altenpflege wiesen etwa 80 bis 90 Prozent mehr Fehltage aufgrund von Depressionen auf als Erwerbstätige in sonstigen Berufen. Rückenschmerzen verursachen bei Fachkräften in der Altenpflege knapp 96 Prozent und bei Pflegehilfskräften etwa 180 Prozent mehr Krankentage als in anderen Berufen. „An vielen Baustellen wird derzeit gearbeitet, um Pflege auf Dauer attraktiver zu gestalten, angefangen bei entsprechenden Gehaltsverhandlungen bis hin zu neuen Personalbemessungsinstrumenten“, sagt Henning Kutzbach. „Aber auch die Arbeitsbedingungen können nicht so bleiben, wie sie sind. Hier sind die Arbeitgeber in der Pflicht, neben geregelten Arbeitszeiten stärker auf die Vorsorge zu setzen. Vonseiten der Krankenkassen können wir hier beraten und unterstützen, beispielsweise mit gezielten Trainings gegen Rückenprobleme oder psychischen Stress“, so Kutzbach.
Drese für Reform der Pflegeversicherung
Für Landessozialministerin Stefanie Drese unterstreicht der Pflegereport den dringenden Handlungsbedarf für Verbesserungen in der Pflege. Dazu gehörten höhere Löhne, mehr Gesundheitsfördermaßnahmen und Präventionsangebote für Beschäftigte, geregelte Arbeitszeiten und eine Aus- und Weiterbildungsoffensive für Pflegefach- und Pflegehilfskräfte. Drese: „Angesichts politisch und gesellschaftlich gewollter weiterer Leistungsverbesserungen und einer steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen durch den demografischen Wandel muss die Frage nach der Finanzierung der erforderlichen Maßnahmen dringend beantwortet werden. Die zusätzlichen Kosten dürfen nicht wie bisher den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen aufgebürdet werden. Wir brauchen deshalb dringend eine Weiterentwicklung der Pflegeversicherung.
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