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Barmer Arzneimittelreport 2021 – Riskante Medikamente gefährden Ungeborene

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Rostock, 3. November 2021 – Viele Frauen im gebärfähigen Alter bekommen potenziell kindsschädigende Arzneimittel verordnet, auch Teratogene genannt. In Mecklenburg-Vorpommern haben laut aktuellem Barmer Arzneimittelreport 6,8 Prozent der Frauen im Alter von 13 bis 49 Jahren im Jahr 2018 ein teratogenes Medikament erhalten. Hochgerechnet entspricht das knapp 20.000 Frauen im Nordosten.

„Die Verordnung von Teratogenen vor einer Schwangerschaft ist nicht das Problem. Spätestens mit Eintritt der Schwangerschaft sollte aber kein teratogenes Arzneimittel mehr zum Einsatz kommen“, sagt Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der Barmer in Mecklenburg-Vorpommern. Laut vertiefender Umfrage im Arzneimittelreport erführen Frauen im Mittel in der 5. Schwangerschaftswoche von der Empfängnis, in der 7. Schwangerschaftswoche erfolge im Schnitt eine erste Arzneimittelbesprechung mit Ärztin oder Arzt. „In der Schwangerschaft kommt ein Medikamenten-Check zu spät. Deshalb muss zum Schutz von Ungeborenen bei jungen Frauen ab einem bestimmten Alter, insbesondere bei Dauermedikation, auch immer die Möglichkeit einer Schwangerschaft mitbedacht werden“, so Henning Kutzbach.

Jede fünfte Schwangere nimmt mindestens drei Medikamente

Eine schwangere Frau hält Tabletten und ein Glas Wasser in der Hand.

Laut Arzneimittelreport würden in einer Schwangerschaft nicht nur riskante Mittel, sondern generell mehr Medikamente verordnet: Der Anteil der untersuchten Frauen mit einer Medikation, inklusive Nahrungsergänzungsmittel wie Jod, Eisen oder Folsäure, läge sechs Prozentpunkte höher als vor der Schwangerschaft und fiele danach wieder deutlich ab. Auch Mehrfachmedikationen seien laut Report keine Seltenheit. So erhielte jede fünfte Frau in der Schwangerschaft drei unterschiedliche Wirkstoffe und mehr. Vor und nach der Schwangerschaft stehe hinsichtlich der Arzneimittelverordnungen die Hausärztin bzw. der Hausarzt an erster Stelle. Während der Schwangerschaft übernähme die Gynäkologin bzw. der Gynäkologe diese Position und verordne den Großteil der Medikamente. „Die Reportergebnisse zeigen, dass eine sichere Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft ein komplexer Prozess sein kann, der gut aufeinander abgestimmt werden muss“, erklärt Barmer-Landeschef Henning Kutzbach. Um den Informationsaustausch zwischen Hausarzt, Gynäkologen und Facharzt zu vereinfachen, sollten Frauen mit Dauermedikation im gebärfähigen Alter einen Rechtsanspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan erhalten. Damit könne die Arzneimitteltherapie von Schwangeren und Frauen im gebärfähigen Alter sehr viel sicherer gestaltet werden.

Die meisten Frauen erhielten schwache Teratogene

Bei der Gabe von Teratogenen bleibe zu berücksichtigen, dass nicht alle riskanten Wirkstoffe im selben Maße gefährlich sind. Die meisten der betroffenen Frauen in Mecklenburg-Vorpommern, nämlich 79 Prozent, erhielten im untersuchten Zeitraum ein schwaches Teratogen. Hier liege das Risiko für Fehlbildungen bei bis zu 4 Prozent. Jedoch bekämen auch 8 Prozent der Frauen mit Teratogen-Verordnung ein hochriskantes Mittel mit einem Fehlbildungsrisiko bis zu 30 Prozent verordnet. Hochgerechnet entspräche das knapp 1.600 Frauen im gebärfähigen Alter. „Wir können aus unseren Daten natürlich nicht die Krankheitsgeschichte sowie die medizinische Notwendigkeit für ein Teratogen ablesen. Wir können uns nur dafür aussprechen, dass die Arzneimitteltherapie von Frauen im gebärfähigen Alter immer dahingehend überprüft wird, ob es nicht-teratogene Alternativen gibt“, erklärt Kutzbach. Hierbei könne ein Medikationsplan einen wichtigen Beitrag leisten.

Sichere Arzneimitteltherapie bereits vor der Schwangerschaft

Auch für Dr. Michael Bolz, Oberarzt in der Intensivschwangerenbetreuung an der Universitätsfrauenklinik am Südstadtklinikum Rostock, muss für eine möglichst sichere Arzneimitteltherapie bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft beraten werden. „Aus meiner Sicht sind Hausärzte und Fachärzte dazu aufgerufen, bei Verordnung von potentiell bedenklichen Medikamenten an Frauen im gebärfähigen Alter aktiv auf sichere Verhütungsmaßnahmen hinzuweisen oder einen Kinderwunsch zu hinterfragen, um die Medikation gegebenenfalls entsprechend anzupassen“, erklärt Dr. Michael Bolz. Bestehe ein Kinderwunsch, müsse unbedingt präkonzeptionell überprüft werden, welche Medikamente aus Sicht der potenziell Schwangeren unbedingt notwendig seien, ob diese Medikamente auch während der Schwangerschaft beibehalten werden könnten oder mit Blick auf mögliche Risiken für das Kind ausgetauscht werden müssten.

Beratung bei Teratogen-Einnahme in der Frühschwangerschaft

Sollte es, aus welchen Gründen auch immer, in der Frühschwangerschaft zu der Einnahme eines Teratogen gekommen sein, gilt es laut Dr. Michael Bolz zunächst Panik zu vermeiden Er rate, dass sich Frauen in diesem Fall schnellstmöglich an ihre Gynäkologin bzw. ihren Gynäkologen wenden. „Hier ist die gezielte Beratung der Schwangeren durch den Gynäkologen mit daraus abgeleiteten Empfehlungen unbedingt notwendig“, so Bolz.

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