Schwerin, 11. April 2023 – Kinder kämpfen bis heute mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre Gesundheit. Dies gilt insbesondere bei den klassischen Infektionskrankheiten wie zum Beispiel Scharlach, so ein zentrales Ergebnis aus dem aktuellen Arztreport der BARMER. Demnach ist während der Corona-Pandemie die übliche Scharlach-Welle bei Kindern in der Kita nahezu ausgeblieben, was jetzt zu einem intensiven Nachholeffekt bei den nun älteren Schulkindern führt. Hier drohen außergewöhnlich schwere Verläufe. Den Reportergebnissen zufolge haben sich im Jahr 2019 in Mecklenburg-Vorpommern noch rund 3.900 Kinder mit Scharlach infiziert, im Jahr 2021 waren es nur noch 510. Das entspricht einem Rückgang von 87 Prozent. „Kinder sind die großen Verlierer der Corona-Pandemie. Sie litten unter vielen Entbehrungen und tragen heute die Konsequenzen für ihre Gesundheit. Eine drohende Scharlach-Welle bei Schulkindern ist nur ein Beispiel von vielen Infektionskrankheiten. Um solche negativen Effekte für die Zukunft zu vermeiden, müssen wir die richtigen Lehren aus der Pandemie ziehen“, sagte Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der BARMER in Mecklenburg-Vorpommern. Es brauche evidenzbasierte Konzepte mit Augenmaß, die im Falle einer Pandemie als eine Art Blaupause vorliegen.
Höchststand an Infektionen mit Hand-Fuß-Mund-Krankheit
Wie aus dem Report hervorgeht, sind neben Scharlach weitere klassische Kinderkrankheiten während der Pandemie seltener aufgetreten als in den Jahren zuvor. Das gelte beispielsweise für Ringelröteln. Hier gingen die Infektionen in Mecklenburg-Vorpommern um mehr als ein Drittel zurück. „Einzig bei der Hand-Fuß-Mund-Krankheit gibt es einen gegenteiligen Effekt“, sagt BARMER-Landeschef Henning Kutzbach. Im vierten Quartal 2021 seien mit mehr als 4.500 so viele Kinder im Nordosten von dieser Erkrankung betroffen wie noch nie zuvor. Dabei sei die Infektionsrate in Mecklenburg-Vorpommern die bundesweit höchste gewesen. „Eine weitere Beobachtung der Hand-Fuß-Mund-Krankheit ist wegen der besonderen Entwicklung dieser Erkrankung sinnvoll“, betont Kutzbach. Das gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass sich ein Kind durchaus mehrfach anstecken könne. Diese Krankheit könne auch an Erwachsene übertragen werden. „Wir sollten genau im Blick haben, wie sich die Fallzahlen entwickeln“, so Kutzbach. Es sei nicht auszuschließen, dass es trotz ohnehin schon hoher Fallzahlen einen Nachholeffekt ähnlich wie bei Scharlach geben werde.
Pandemiemaßnahmen bremsen Windpocken zusätzlich aus
Bereits vor der Pandemie hätten vor allem Schutzimpfungen dazu geführt, dass Kinderkrankheiten eine rückläufige Tendenz zeigten. Das belege exemplarisch die Diagnoserate für Windpocken. Eine Empfehlung für die Schutzimpfung gegen Windpocken gebe es in Deutschland seit dem Jahr 2004. Vor der Einführung der Schutzimpfung hätten sich mehr als 90 Prozent aller Kinder mit dem für die Windpocken verantwortlichen Varizella-Zoster-Virus infiziert. Von 2005 bis 2019 sei die Diagnoserate bei Kindern bis 14 Jahren im Nordosten um 93 Prozent gesunken. Während der Pandemie habe es nochmal knapp 70 Prozent weniger Windpocken-Erkrankungen gegeben. Landesweit seien im Jahr 2021 nur noch 148 Kinder mit Windpocken infiziert gewesen. „Der Rückgang der Fallzahlen ist auch deswegen eine gute Nachricht, da Kinder, die eine Windpocken-Infektion durchgemacht haben, als Erwachsene an einer Gürtelrose erkranken können. So wird diese mögliche Folgeerkrankung auch ausgebremst“, erklärt Henning Kutzbach.
Heranwachsende auch während Pandemie gut versorgt
Der Arztreport liefert neben Erkenntnissen zur Entwicklung klassischer Kinderkrankheiten auch einen Überblick über die gesamte Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Dabei zeigt sich, dass die Heranwachsende während der Pandemie ähnlich häufig versorgt wurden wie vor Corona. So haben im Jahr 2021 von den rund 195.000 Kindern bis 14 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern 94,4 Prozent mindestens einmal eine ambulante ärztliche Behandlung erhalten. Vor der Pandemie lag die Behandlungsrate mit 95,3 Prozent nur geringfügig höher. Bei den Säuglingen und Kleinkindern bis vier Jahre waren sogar durchweg über 99 Prozent in ärztlicher Behandlung. „Es ist ein wichtiges Ergebnis, dass nahezu alle Babys und Kleinkinder im Land während den ersten beiden Corona-Jahren wenigstens einmal jährlich bei einer Ärztin oder einem Arzt vorgestellt worden“, so Kutzbach. Die häufigsten Gründe für den Arztbesuch sei bei Kindern im Nordosten die Behandlung von Atemwegserkrankungen und Virusinfekten sowie die Abklärung von unspezifischen Symptomen durch Laborbefunde gewesen. Für die ambulante ärztliche Versorgung der Kinder bis 14 Jahren wurden im Jahr 2021 bundesweit rund vier Milliarden Euro aufgewandt, ein neuer Höchstwert.