Das Thema sektorenübergreifende Versorgung steht (endlich) auf der politischen Agenda der Bundesregierung. CDU, CSU und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitssystem auszubauen. Nun erarbeitet die dazu eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe Vorschläge, wie ambulante und stationäre Versorgungsbereiche stärker sektorenübergreifend entwickelt werden können. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat mehrfach Maßnahmen zur Stärkung der Koordination und Kooperation im Gesundheitssystem vorgeschlagen, zuletzt in seinem Gutachten von 2018.
Hessisches Onkologiekonzept weiter ausbauen
Aus Sicht der Barmer ist es höchste Zeit, die ambulante und stationäre Versorgung an den Schnittstellen zu verbessern. „In Hessen gibt es bereits gute Voraussetzungen durch das bestehende Onkologiekonzept“, darauf weist Landesgeschäftsführer Norbert Sudhoff hin. Die stationäre Zusammenarbeit zwischen koordinierenden und kooperierenden Krankenhäusern in den sechs hessischen Versorgungsgebieten laufe gut. Für eine patientenorientierte Versorgung müsse allerdings der ambulante Bereich noch stärker als bisher in das Konzept einbezogen werden. Es sei höchste Zeit für strukturelle Veränderungen und mehr Miteinander statt Nebeneinander.
10-Punkte zur Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung
Die Barmer unterbreitet daher Vorschläge zur Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung. „Mit unserem 10-Punkte-Papier geben wir Impulse in der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion zu den strukturellen Defiziten im deutschen Gesundheitssystem und den notwendigen Veränderungen. Im Mittelpunkt stehen dabei die medizinischen Leistungen an der Schnittstelle zwischen ambulant fachärztlicher Versorgung und der stationären Grund- und Regelversorgung“, erläutert Sudhoff. Bislang unterliegen gleiche medizinische Leistungen unterschiedlichen Bedingungen bei Zugang, Vergütung, Qualität und Leistungsdefinition. Dadurch entstünden Fehlanreize und Leistungen würden oft dort erbracht, wo die Vergütung höher sei.
Sektorenübergreifende Versorgungsplanung
Leistungen, die sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden können, sollten in Zukunft auch einer gemeinsamen sektoren-übergreifenden Versorgungsplanung unterliegen. Die gemeinsame Selbstverwaltung sollte den Auftrag zur Erarbeitung einer entsprechenden Richtlinie erhalten. Als Grundlage für die Planung sind bundesweite Referenzwerte notwendig, die aus Abrechnungs- und Leistungsdaten bei einer neutralen Stelle analysiert werden sollen. Landesgremien für die sektorenübergreifende Versorgung sollen anhand der bundesweiten Referenzwerte den regionalen Bedarf an Leistungen feststellen und die notwendigen Leistungskapazitäten ermitteln. „Das wäre ein wichtiger und fortschrittlicher Paradigmenwechsel. Auch in Hessen müssen wir weg von der bisherigen Planung nach Arztsitzen oder Krankenhausbetten, hin zu einer Ausrichtung am tatsächlichen Bedarf“, erklärt der Barmer-Landeschef.
Grundsatz: Gleiches Geld für gleiche Leistung
Um Fehlanreize zu vermeiden, soll für die Leistungen an der Schnittstelle zwischen allgemeiner fachärztlicher ambulanter Versorgung sowie der Grund- und Regelversorgung im Krankenhaus ein einheitliches Vergütungssystem geschaffen werden. Dabei werden gleichzeitig einheitliche Qualitätsanforderungen definiert: Behandelnde Ärztinnen und Ärzte müssen sich bei den definierten Leistungen und Leistungs-komplexen an Behandlungspfaden und Leitlinien orientieren, die Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten wird klar definiert.
Modellprojekte zur sektorenübergreifende Versorgung
Ein Systemwechsel zu einer sektorenübergreifenden Versorgung kann nur schrittweise umgesetzt werden. Die Sicherung einer flächendeckenden Versorgung besonders in strukturschwachen Regionen gelingt aus Sicht der Barmer vor allem durch das Modell von Regionalen Versorgungsverbünden. Durch sie werden alle Leistungserbringer optimal miteinander vernetzt. In Modellregionen sollten deshalb die neuen Strukturen und Prozesse einer sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung unter Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen erprobt werden. Umfassende Informationen Versorgungsverbünden. Durch sie werden alle Leistungserbringer optimal miteinander vernetzt. In Modellregionen sollten deshalb die neuen Strukturen und Prozesse einer sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung unter Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen erprobt werden.
Das „10-Punkte-Papier“ der Barmer zur Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung gibt folgende Impulse:
- Kapazitätsplanung durch Leistungsplanung ersetzen
- Auftrag für die gemeinsame Selbstverwaltung und ein neutrales Institut
- Bundesweiter Datensatz dienst als „empirischer Anker“
- Landesgremium für die sektorenübergreifende Versorgung wird verpflichtend
- Sicherstellung im sektorenübergreifenden Bereich neu ordnen
- Notfallbehandlung sektorenübergreifend ausrichten
- Sektorenübergreifendes Vergütungssystem schaffen
- Regionale Versorgungsverbünde entwickeln
- Potentiale von Digitalisierung und Delegation nutzen
- Sektorenübergreifende Versorgung in Modellprojekten erproben