Überfüllte Notfallambulanzen im Krankenhaus - auch die hessischen Kliniken kennen dieses Problem. Aber nicht jeder „Notfall“ muss zwingend in der Notfallambulanz eines Krankenhauses versorgt werden. In vielen Fällen könnten Patientinnen und Patienten auch ambulant behandelt werden. Aber das ist einfacher gesagt, als getan. Kompetenzgerangel, strukturelle Probleme und ungelöste Vergütungsfragen bieten nicht gerade den besten Nährboden für eine schnelle, sinnvolle und patientenorientierte Lösung.
Klare Strukturen im Notfall helfen bei der Steuerung
„Hessens Notfallversorgung – selbst ein Notfall?“ so lautete der Titel einer Veranstaltung der Gesundheitswirtschaft Rhein-Main in den Räumen der Barmer in Frankfurt. Diskussionsfreudig und lösungsorientiert präsentierten sich die Experten im Podium: Dr. Tobias Kaltenbach Sprecher der Geschäftsführung der Main-Taunus-Kliniken, Ralf Ackermann, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes, Jochen Metzner, Referatsleiter im hessischen Ministerium für Soziales und Integration, Frank Dastych, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und Norbert Sudhoff, Landesgeschäftsführer der Barmer Hessen.
Vor allem in festgefahrenen Situationen kann es hilfreich sein, mal über den Tellerrand zu schauen. Das tat Prof. Dr. Thomas Krafft von der Universität Maastricht und gab einen Einblick in das System der Notfallversorgung unserer niederländischen Nachbarn. „Der normale Patient kann im Notfall nicht entscheiden, ob der Ärztliche Bereitschaftsdienst, der Rettungsdienst oder die Krankenhaus-Ambulanz für ihn die richtige Adresse ist. Es ist wichtig einfache und klare Strukturen zu schaffen, die den Patienten lotsen“, so Krafft. In den Niederlanden gibt es dazu eine einheitliche Notfallnummer. Das medizinische Personal im Callcenter entscheidet nach einer Checkliste, welche Notfallversorgung für den Patient die Beste ist.
Aber allein an der einheitlichen Notrufnummer scheitert es hier. Schon von Kindesbeinen kennt jeder in Deutschland die Notfall-Nummer 112. In Hessen landen diese Notrufe für Brand- und Katastrophenschutz, Rettungsdienst und Einsatz des Notarztes in 25 Rettungsleitstellen. „Außerhalb der Praxiszeiten ist jeder zweite bis dritte Anruf kein Notfall sondern eine Anfrage“, berichtete Feuerwehrchef Ralf Ackermann. Er begründete diese Anrufe vor allem mit der Unwissenheit der Patienten. Die ärztlichen Notfallbereitschaft unter der Rufnummer 116 117 sei kaum bekannt. Frank Dastych von der Kassenärztlichen Vereinigung war sich allerdings sicher, dass eine gezielte Öffentlichkeitskampagne auf Dauer Wirkung zeigen werde.
Eine einheitliche Notrufummer ist nicht in Sicht
„Eine einheitliche Notrufnummer mit einer gezielten Patientensteuerung wäre zwar optimal und wünschenswert aber ist wohl nicht realisierbar“, so Norbert Sudhoff von der Barmer. Wenigsten für eine bessere Patientensteuerung scheint sich eine Lösung abzuzeichnen. Jochen Metzner vom Hessischen Sozialministerium: „Unsere Interessen sind gar nicht so gegensätzlich, wie es immer scheint.“ Er kündigte eine neue Arbeitshilfe für die Leitstellen an. Die medizinische Kompetenz soll durch einen Fachdisponenten sicher gestellt werden. Denn nicht jeder Patient müsse automatisch im Krankenhaus landen. Auch eine Zusammenarbeit der Leitstellen mit dem ambulanten Bereich sei durchaus denkbar. Sogar der KV-Vorsitzende Frank Dastych konnte sich mit diesem Vorschlag, allerdings mit Einschränkungen, anfreunden: „Ja, die Rettung muss koordiniert werden aber nur mit schlanken Strukturen. Fünf zentrale Leitstellen in Hessen sind genug.“
Strukturveränderungen in einer Modellregion testen
Einig waren sich alle Podiumsteilnehmer: Ein gutes Notfallsystem steuert die Patienten zielgerecht. Nicht immer nur reden, sondern auch aktiv gestalten, das forderte Barmer Landeschef Norbert Sudhoff und schlug ein Modellprojekt in Sachen Notfallversorgung vor. „Mit einem Modellversuch ist es nicht getan“, meinte Dr. Tobias Kaltenbach. „Wir brauchen einen schnellen und konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten, um ein optimales Ergebnis in vielen hessischen Regionen zeitnah umzusetzen.“
Diskutierten zum Thema Notfallversorgung in Hessen (v. l. n. r.) Frank Dastych (Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen), Dr. Ralf Ackermann (Präsident des Landesfeuerwehrverbandes), Detlef Hans Franke (Moderation), Jochen Metzner (Referatsleiter Krankenhausversorgung, Rettungsdienst, Gesundheits- und Krankenpflege im hessischen Ministerium für Soziales und Integration), Michael Burkhart (Vorstandsmitglied gesundheitswirtschaft rhein-main e. V.), Norbert Sudhoff (Landesgeschäftsführer der Barmer Hessen), Keynote-Redner Prof. Dr. Thomas Krafft (Faculty of Health, Medicine and Life Sciences), Dr. Tobias Kaltenbach (Sprecher der Geschäftsführung der Kliniken des Main-Taunus-Kreises GmbH). Foto: Barmer