Mit der Vorstellung des Gutachtens hatte Prof. Dr. Ferdinand Gerlach eine Steilvorlage für die anschließende Diskussion gegeben. Moderator Stefan Schröder, Chefredakteur des Wiesbadener Kuriers, gab den Ball sofort an die Landespolitiker weiter: „Das Gutachten liegt vor und wir müssen damit umgehen. Was können wir konkret für Hessen umsetzen?“
Parteiübergreifend gab es viel Zustimmung für das Gutachten und die entsprechenden Empfehlungen. Marjana Schott (Linke) zeigte sich beeindruckt und positiv überrascht: „Wir haben bisher zu viel dem Zufall überlassen. Das müssen wir in der künftigen Legislaturperiode ändern.“ Auch Dr. Daniela Sommer (SPD) konnte mit vielen Empfehlungen des Sachverständigenrates konform gehen. „Die sektorenübergreifende Versorgung steckt noch in den Kinderschuhen. In Hessen haben wir leider fünf Jahre verschenkt.“
„Zu viele Punkten aus dem Gutachten besteht politischer Konsens“, betonten sowohl Markus Bocklet (Bündnis 90/Die Grünen) als auch Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU). „Wir haben als Landespolitiker einige Dinge in der Hand, wie zum Beispiel die Themen Leitstellen und Krankenhausplanung. Wenn wir es wirklich wollen, könnten wir etwas für Hessen bewegen“ meinte René Rock (FDP).
Krankenhausplanung
„Gibt es zu viele Krankenhäuser in Hessen?“ fragte Stefan Schröder in die Runde und bezog sich auf das vorgestellte Gutachten von Prof. Dr. Gerlach. „Die Konzeptlosigkeit, nach der Kliniken geschlossen werden, regt mich auf“, meinte Marjana Schott. Sie forderte für die kommende Legislaturperiode einen Krankenhausplan, mit klaren Aussagen, was wo benötigt werde. Vor allem dürfe der ländliche Raum auf keinen Fall verlieren.
Für mehr Klinik-Verbundlösungen plädierte Ralf-Norbert Bartelt und erhielt Unterstützung von Markus Bocklet: „Verbünde sind ausdrücklich gewünscht. Darum werden sie privilegiert bei den Investitionszuschüssen vom Land.“ Bocklet machte an dieser Stelle aber auch drauf aufmerksam, dass die Krankenhausplanung nicht in eine Verödungsspirale geraten dürfe. „Wir müssen manchmal unpopuläre Entscheidungen treffen. Aber es ist wichtig, dass wir unsere Entscheidung den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur erklären sondern auch unseren Weg zur Entscheidung transparent gestalten“, so Bocklet.
Ambulante und sektorenübergreifende Versorgung
Die ambulante Versorgung für den ländlichen Raum zu sichern, das ist ein besonderes Anliegen von Dr. Daniela Sommer. Die aus dem Kreis Waldeck-Frankenberg stammende Abgeordnete möchte junge Ärztinnen und Ärzte für eine Arbeit in den ländlichen Regionen Hessens gewinnen. „Dazu müssen wir im Gegenzug aber auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen“, so Sommer. Sie plädierte zudem für eine Krankenhausplanung, die über Kreis– und, wenn sinnvoll, auch über Landesgrenzen gestaltet werden kann. Dagegen sollte die hausärztliche Bedarfsplanung kleinteiliger angelegt werden. Insgesamt sehe sie beim ärztlichen Nachwuchs derzeit wieder einen Trend zugunsten des ländlichen Raums.
„Wir brauchen mehr Mut für sektorenübergreifende Modellprojekte“ meinte Markus Bocklet. Begeistert zeigte er sich vom Engagement der „neuen“ Stadt Oberzent im Odenwald, die das erste von der Landesregierung geförderte Gesundheitsversorgungszentrum gegründet hat „So sehen Konzepte der Zukunft aus. Davon brauchen wir mehr“, so Bocklet.
Sektorenübergreifende Versorgung ist ebenfalls Grundvoraussetzung für eine funktionierende Notfallversorgung. Hier geht es sogar im drei Sektoren, die zusammengebracht werden müssen: Kassenärztlicher Bereitschaftsdienst/niedergelassene Ärzte, der Rettungsdienst und die Notaufnahmen der Kliniken. Dr. Ralf-Norbert Bartelt lobte das im Gutachten vorgestellte Notfallkonzept. „Wir haben in Hessen bereits Modellprojekte auf den Weg gebracht. Auf die ersten Ergebnisse bin ich sehr gespannt.“
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz
„Digitalisierung ist die Zukunft und es ergeben sich enorm viel Chancen“, meinte René Rock. „Aber die Messlatte muss dabei immer Qualität heißen.“ Marjana Schott stellte die Frage in den Raum, ob Digitalisierung tatsächlich die richtige Lösung sei. „Ja das Thema ist spannend und auch richtig wichtig“, so Schott, „aber Digitalisierung ist nicht das Allheilmittel unserer Probleme im Gesundheitswesen.“ Dr. Daniela Sommer war der Meinung, dass die Digitalisierung den Arzt-Patienten-Kontakt nicht ersetzen könne. „Digitalisierung kann unterstützen und kann zudem eine sinnvolle Ergänzung sein. Aber man muss genau hinschauen, wo man Digitalisierung einsetzt“, sagte Sommer. Markus Bocklet berichtete von einer Informationsfahrt des Ausschusses nach Österreich. „Da habe ich viel gelernt. Eine gute und praktikable E-Akte ist dort bereits realisiert“, berichtete Bocklet. „Wir müssen uns dem Thema stellen und Digitalisierung dort einsetzen, wo es sinnvoll ist.“ Auch Dr. Ralf-Norbert Bartelt war von dieser Reise beeindruckt. Viele Prozessabläufe können seiner Meinung nach mit Hilfe der Digitalisierung verbessert werden. Für den ländlichen Raum sieht er Vorteile durch den Einsatz von Telemedizin.
So viel Begeisterung konnte Prof. Dr. Gerlach dem Fortschritt in Österreich nicht entgegen bringen. „Österreich bietet derzeit nur eine digitale Alditüte für den Bereich des Gesundheitswesens. Richten Sie Ihren Blick lieber auf Dänemark, Estland und Lettland. Das sind Länder, die es richtig machen“, empfahl Gerlach.
Teilnehmer am Barmer Forum (v.l.n.r.) Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU), Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Dr. Daniela Sommer (SPD), René Rock (FDP), Marjana Schott (Die Linke), Markus Bocklet (Bündnis 90/ Die Grünen), Norbert Sudhoff (Barmer Landesgeschäftsführer)