Von Landesgeschäftsführer Martin Till
Seit dem 21.04.2020 ist die Rechtsverordnung zur Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (DiGAV) in Kraft getreten. Damit können digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) von Ärztinnen und Ärzten verordnet und von den Krankenkassen vergütet werden. Mit dieser gesetzlichen Entwicklung ist eine noch relativ neue Leistungsart stärker im Gesundheitswesen verankert worden.
Die digitale Gesundheitsversorgung hat Fahrt aufgenommen und wird die Zukunft unserer medizinischen Versorgung maßgeblich mitgestalten. Ich halte es sogar für wahrscheinlich, dass digitale Produkte – stärker als sie es heute bereits tun – auf unsere Ansprüche an Medizinversorgung und Gesundheitsprävention Einfluss nehmen. Viele beziehen bereits wesentliche Informationen über eine gesunde Lebensweise aus online-Beratungsangeboten. Mithilfe von Apps kontrollieren wir Sport, Ernährung, Entspannung oder Schlaf und wir lernen ständig dazu. Der Markt für digitale Gesundheitsanwendungen wird sich voraussichtlich in Zukunft auf der Basis von zuverlässigen Strukturen, hoher Nachfrage und Qualität stabilisieren und entwickeln. Sehr sinnvoll ist, dass die Rechtsverordnung die qualitativen Anforderungen an die Hersteller konkretisiert und ausweitet. Sie muss sich, wie jedes Medizinprodukt oder Arzneimittel, an Qualitätskriterien, Mehrwerten, Akzeptanz und Therapieerfolgen messen.
Gesundheits-Apps sind keine Inseln
Hochwertige digitale Gesundheitsanwendungen bieten für unsere Versicherten großes Potential. Sie sind niedrigschwellig in den Alltag integrierbar, über mobile Geräte ständig verfügbar und setzen die persönliche Anwesenheit von medizinischem Fachpersonal nicht zwingend voraus. Sie können deshalb ein bedarfsgerechter Begleiter für die eigene Gesundheit sein. Ich bin allerdings der Überzeugung, dass digitale Gesundheitsanwendungen allein nicht zum Erfolg führen. Die ärztliche oder therapeutische Verordnung, Beratung und Begleitung sollte ein wichtiger Bestandteil digitaler Gesundheitsstrategien sein. Auch die Barmer nimmt längst ihre Verantwortung für den Informations- und Orientierungsbedarf der Menschen im Bereich eHealth wahr. Gesundheitskompetenz bedeutet für uns auch digitale Kompetenz; wir setzen uns dafür ein, dass neue, digitale Angebote auch verstanden und bedürfnisgerecht eingesetzt werden können. Damit wir unserem Beratungs- und Informationsauftrag nachkommen können, halte ich es für entscheidend, dass uns, noch über das in der Verordnung geregelte Maß hinaus, Informationen zur Verfügung gestellt werden. Die positiven Effekte einer digitalen Anwendung müssen nachweisbar, klar definiert und auch kommunizierbar sein. Nur mit diesen Informationen können wir als Partner der Entwicklerbranche auftreten und unsere Versicherten begleiten. Von dieser Transparenz profitieren alle Beteiligten.
Evidenz und Transparenz für digitale Gesundheitsanwendungen
Die Verordnung sieht vor, dass die Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen in wissenschaftlichen Studien die positiven Versorgungseffekte ihrer Produkte nachweisen müssen. Diese Verbindlichkeit begrüße ich im Interesse unserer Versicherten. Die Mehrwerte, die eHealth verspricht, sollten stets auf Evidenz, Transparenz und gut zugänglichen Informationen beruhen. Bei digitalen Gesundheitsanwendungen muss erkennbar die Wirksamkeit und die Patientensicherheit im Fokus stehen. Die Verordnung trägt diesem Gedanken Rechnung, indem sie die Eintragung in ein Studienregister und die Veröffentlichung im Internet zwölf Monate nach Studienabschluss für DiGA verpflichtend macht. Die Anforderungen an den Datenschutz legt die Verordnung ebenfalls hoch an. Eine Datenverarbeitung im Ausland ist eingeschränkt und die Datennutzung zu Werbezwecken von vornherein ausgeschlossen. Die Verordnung stärkt auch die Rolle des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei der Qualitätssicherung. DiGA-Hersteller müssen mit dem Antrag an das BfArM einen kostenlosen Zugang zu ihrem Produkt zu Verfügung stellen und Angaben zur Nutzung, Datenverarbeitung und zur technischen Kompatibilität mit unterschiedlichen IT-Systemen machen. Im Umkehrschluss nimmt das BfArM die geprüften digitalen Anwendungen in ein öffentlich zugängliches Erstattungsverzeichnis auf.
Earlybird und Flying Health – Kooperationen für digitale Gesundheitsversorgung
Die Barmer hat bereits im Jahr 2016 beim Digital Health Investment den Anfang gemacht und in den Venture-Capital-Fonds Earlybird investiert. Ziel dieser Partnerschaft ist es, neue, vielversprechende Geschäftsideen frühzeitig zu sichten und zu fördern. Außerdem ist die Barmer Partner des Startup-Incubators Flying Health. Flying Health stellt für uns Kontakt mit vielversprechenden Start-Ups aus dem Bereich eHealth her. Die Organisation vernetzt uns in einen aufstrebenden Markt der sich dynamisch entwickelt, sie berät aber auch Entwicklerinnen und Entwickler sowie Gründer, stellt Netzwerke her und konzentriert Knowhow. Flying Health ist zudem selbst in die Entwicklung von digitalen Medizinprodukten eingestiegen. Mit diesen Partnern werden wir auch in Zukunft unsere Kunden mit digitaler Gesundheitsversorgung begeistern und neue Versorgungsstandards setzen. Ich hoffe, dass sich aus diesen Entwicklungen auch für Hessen produktive Kontaktzonen zu neuen Marktstrukturen, zu Gründerinnen und Gründern mit innovativen Ideen ergeben.