Die Barmer bündelt und intensiviert ihre Aktivitäten im Bereich der Versorgungsforschung und gründet ein eigenes Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg). Das Institut verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen sollen umfassende Datenanalysen helfen, die Gesundheitsversorgung in Deutschland weiter zu entwickeln und zu verbessern. Zum anderen schaffen die Analysen und Daten mehr Transparenz im Gesundheitswesen. Sie können von allen Interessierten abgerufen und weiterverarbeitet werden.
„Das bifg als Kompetenzzentrum soll Wissenslücken schließen und objektive Antworten darauf geben, wie sich die Versorgung der Versicherten verbessern lässt. Damit nimmt die Barmer aktiv Einfluss auf die Gestaltung der Gesundheitsversorgung in Deutschland“, sagt der Barmer-Vorstandsvorsitzende, Prof. Dr. Christoph Straub. Seit vielen Jahren nehme die Kasse hier eine Vorreiterrolle ein, indem sie anonymisierte Versichertendaten für die Forschung einsetze. Das bifg besteht aus einem interdisziplinären Team von Mitarbeiter_Innen und erhält Unterstützung von Gesundheitsexpert_Innen, die in einem wissenschaftlichen Beirat organisiert sind.
Weniger kompliziert als es klingt: „Krankenkassenabrechnungsdatenanalyse“
Schon zwischen den Jahren 1995 und 1997 wurde von der früheren Gmünder Ersatzkasse (GEK) eine Datenbank zur Gesundheitsberichterstattung aufgebaut. Die systematische, regelmäßige Erfassung und Analyse von Routinedaten begann dann 1998. Datenschutz, Wissenschaftlichkeit und Autorschaft durch Expert_Innen gehören zum Standard der Publikationen, die inzwischen regelmäßig in Printform und online erscheinen. Seit 2010 veröffentlicht die Barmer Forschungsreporte aus den Bereichen ambulante Versorgung, Krankenhaus, Pflege, Arzneimittel, Gesundheit und Zahnmedizin. Die sogenannten Routinedaten gehören stets zur Datenbasis der Reporte; sie sind die Abrechnungsdaten der Krankenkasse. Der primäre Zweck dieser Daten zunächst eine rechtssichere Abwicklung der Versorgung aller Barmer Versicherten. Bezieht eine bei der Barmer versicherte Person etwa eine Arzt- oder Pflegeleistung, ein Medikament oder eine Krankenhausbehandlung, tritt die Krankenkasse für die entstehenden Kosten ein. Die Diagnose, Therapiemethode und Vergütung wird dann durch die Krankenkasse dokumentiert. Anonyme Daten von rund neun Millionen Barmer Versicherten fließen so zusammen. Über diesen primären Zweck hinaus, können die Daten auch zur Struktur, Entwicklung und Finanzierung im Gesundheitswesen befragt werden, denn das Abrechnungsgeschehen bildet mittelbar auch die gesundheitliche Versorgungsrealität ab. Aufgabe des neuen Barmer Instituts ist es deshalb, mit produktiven Fragen, produktive Erkenntnisse zu gewinnen.
Neues Datenportal: bifg.de veranschaulicht das komplexe Gesundheitswesen
Das Herzstück des neuen Forschungsinstituts ist ein interaktives Datenportal. Das Angebot richtet sich an alle Interessierten und alle, die den wissenschaftlichen und politischen Diskurs im Gesundheitswesen mitgestalten wollen. „Jeder Interessierte kann die Webseite des Instituts mit seinen individuellen Erkenntnisinteressen nutzen. Eine Vielzahl an Filtern und Darstellungsmöglichkeiten erlaubt Auswertungen für eine ganze Bandbreite an Verwendungszwecken. Politiker und Entscheidungsträger können sich hier über Zusammenhänge im Gesundheitswesen informieren, das Angebot ist aber ebenso wertvoll für Studierende oder Schüler“ erläutert Martin Till, Landesgeschäftsführer der Barmer in Hessen. Um eine schnelle, erkenntnisorientierte Arbeit mit dem Portal zu gewährleisten, enthält die Plattform Grund- und Strukturdaten, Finanzdaten, Medizinische Klassifikationen und interessante Sonderanalysen auf einer Oberfläche. „Daten, die man sich zuvor aus verschiedenen Quellen zusammenstellen musste, sind nun auf einer Plattform darstellbar. Ob Diagramm, Tabelle oder Landkarte – das Datenangebot findet für jeden Inhalt die passende Form. Diese interaktiven Grafiken können jederzeit als Screenshot gespeichert oder wieder in Rohdaten umgewandelt werden. Mich freut besonders, dass diese Möglichkeiten auch komplexe Zusammenhänge im Gesundheitswesen anschaulich und verständlich machen“, ergänzt Martin Till.
Neue Erkenntnisse für Hessen
Zum Institutsstart stehen insbesondere die Grunddaten zu Bevölkerung, Versicherten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, Leistungserbringern und Krankenkassen zur Verfügung. Das Datenangebot wird ständig erweitert und auch aktuellen Informationsbedarfen angepasst. „In dem neuen Portal sehe ich eine wertvolle Ergänzung für unsere Arbeit in Hessen. Anschauliche Daten auf wissenschaftlicher Basis sind wichtig für unseren Dialog mit Gesundheitspolitik, Presse und Partnern“, sagt Martin Till.
Die Webseite bifg.de bietet derzeit neben zahlreichen Basisdaten auch zwei Sonderanalysen zum Thema Schlaf auf Basis der Barmer-Routinedaten an. Die Ergebnisse erlauben Aussagen zur Häufigkeit und Verbreitung von Schlafstörungen in der Bevölkerung. Ebenfalls auf Routinedaten der Barmer basiert die Auswertung der Arbeitsunfähigkeitsdaten aufgrund von Atemwegserkrankungen ab 01.01.2019. Diese Daten werden wöchentlich aktualisiert und schließen auch COVID-19 Erkrankungen ein. Das vorhandene Datenportfolio wird kontinuierlich weiter ausgebaut. Neben den bereits vorhandenen Leistungserbringerstatistiken zu Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern stehen beispielsweise bereits Daten zum Personal in der Pflege auf dem Plan zur Weiterentwicklung.