Über 54 Prozent der Hessen waren im Jahr 2017 mindestens einmal krankgeschrieben. Obwohl die Erwerbstätigen in Hessen damit weniger und kürzer krankgeschrieben waren als der durchschnittliche Bundesbürger, stagnieren die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf hohem Niveau. Je nach Region fielen die Krankmeldungen dabei höchst unterschiedlich aus. „Bei den Fehlzeiten gibt es in Hessen ein starkes Nord- Südgefälle. In Nordhessen werden die bundesweiten Fehlzeiten zum Teil deutlich überschritten“, beschreibt Thorsten Bauer, Regionalgeschäftsführer der Barmer in Kassel die Auswertungsergebnisse des kasseneigenen Gesundheitsreports 2018.
Nord-Südgefälle: Zwischen 13 und 20 Tagen arbeitsunfähig
Durchschnittlich fehlte eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Hessen krankheitsbedingt 17,1 Tage. Um ganze acht Tage differenzieren die Fehlzeiten allerdings im hessischen Kreisvergleich. Während die Frankfurter nur 13,3 Tage nicht zur Arbeit gehen konnten waren es bei den Beschäftigten in Werra-Meißner-Kreis 21,3 Tage - die höchsten Fehlzeiten in Hessen. Gesundheitlich besser erging es den Beschäftigten in der Stadt Kassel mit durchschnittlich 17,5 Fehltagen. Damit haben die Kasselaner zwar die wenigsten Fehltage für den nordhessischen Bereich, liegen aber immer noch vier Tage über den Frankfurter Beschäftigten. Die Ergebnisse aus den anderen Kreisen: Waldeck-Frankenberg 18 Tage, Schwalm-Eder-Kreis 18,8 Tage, Landkreis Kassel 19 Tage, Hersfeld-Rotenburg 20 Tage.
Beschäftigte leiden unter Rückenproblemen und psychischen Erkrankungen
Mit Abstand die meisten Arbeitsunfähigkeitszeiten werden durch vier große Krankheitsarten verursacht: Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (z.B. Rücken), psychische Störungen, Krankheiten des Atmungssystems (z.B. Erkältungen, Schnupfen, Husten) und Verletzungen. Vor allem Rückenerkrankungen machten den Beschäftigten in den nordhessischen Kreisen zu schaffen. Diese Diagnose sorgte für durchschnittlich fünf Fehltage. Ganz anders das Bild in Kassel-Stadt. Rückenprobleme waren nur für 2,9 Fehltage verantwortlich. Psychische Diagnose schlugen dagegen mit knapp vier Fehltagen zu Buche. Landesweit verzeichneten die Kasselaner die höchsten Fehlzeiten aufgrund von Atemwegserkrankungen (3 Tage). Die meisten Fehlzeiten aufgrund von Verletzungen hatten im Landesvergleich Beschäftigte aus dem Werra-Meißner-Kreis (2,6 Tage).
Der Mythos vom „blauer Montag“
Etwa ein Drittel aller Arbeitsunfähigkeiten beginnen an einem Montag. Lange wurde dies fehlinterpretiert als „Wochenendverlängerung“. Eine korrekte Begründung für die ungleiche Verteilung des AU-Beginns auf einzelne Wochentage ergibt sich aus typischen Arbeitszeiten von Arbeitnehmern sowie aus den Öffnungszeiten von Arztpraxen. Ein aufschlussreicheres Bild ergibt die Auswertung der gemeldeten Fehltage auf die Wochentage innerhalb eines auf die Wochentage innerhalb eines Kalenderjahres. Die Krankenstände liegen demnach in der zweiten Wochenhälfte relativ hoch – die Fehlzeiten sind freitags am höchsten.
Beschäftigte in Pflegeberufen sind besonders gefährdet
Durchschnittlich 31 Tage im Jahr können Beschäftigte in der Altenpflege krankheitsbedingt nicht arbeiten gehen. Mit 8,4 Prozent ist dieser Krankenstand der zweithöchste aller Berufsgruppen. Nur bei Bus- und Straßenbahnfahrer/innen liegen mit Arbeitsunfähigkeitstagen (33 im Jahr) und Krankenstand (9,1 Prozent) höher. Neben den Altenpflegeberufen sind auch die Krankenstände in den Kranken- und Fachkrankenpflegeberufen mit 7,3 und 7,4 Prozent in den Top-10 der Krankenstandstatistik zu finden. Dies bedeutet etwa 27 Arbeitsunfähigkeitstage im Jahr. "In Zeiten des Pflegepersonalmangels muss hier näher hingeschaut und Ursachen möglichst umfassend beseitigt werden", so Bauer.
Nachhaltige Änderung der Arbeits- und Lebensgewohnheiten
Sowohl für psychische als auch für Muskel-Skelett-Erkrankungen gibt es Präventionsmöglichkeiten. "Gesundheitsfördernde Maßnahmen, die für mehr Bewegung und damit weniger Rückenschmerz sorgen, scheinen bei mehr Beschäftigten anzukommen. Immer häufiger rüsten Unternehmen um, schaffen beispielsweise mobile oder höhenverstellbare Arbeitsplätze für ihre Beschäftigten oder bieten die Möglichkeit für Bewegungspausen", so Bauer. Damit wird bei einem Acht-Stunden-Büro-Tag der Rücken entlastet. Positiv zu sehen sind hier alle Maßnahmen, die Menschen motivieren sich mehr zu bewegen. Durch Angebote über den Betrieb lässt sich so mancher Beschäftigter mitziehen. "Viele Menschen brauchen eine Motivation von außen, um den inneren „Schweinehund“ zu überwinden. Aber auch die Führungskräfte sind in der Verantwortung, eine gesundheitsfördernde Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Allerdings sollte dann auch die nachhaltige Änderung der Lebensgewohnheiten unterstützt werden", weiß Bauer.
Prävention in kleinen und mittelständischen Unternehmen
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) scheint in großen Unternehmen zunehmend zu funktionieren, stellt allerdings kleine Betriebe aufgrund ihrer Größe vor besonders große Herausforderungen. Hier gibt es noch Nachholbedarf. Auch in den kleinen und mittleren Betrieben nimmt die Bedeutung der Gesundheitsförderung mit wachsendem Fachkräftemangel zu. Mit der BGF-Koordinierungsstelle wurde ein kassenübergreifendes Portal eingerichtet, wo kleine und mittelständische Unternehmen ihr Interesse an Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung anmelden können. Thorsten Bauer fordert Unternehmen auf, gesundheitlichen Risiken von Beschäftigten rechtzeitig entgegenzuwirken: "Unser Gesundheitsreport belegt, dass es für die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig ist, wenn die Balance zwischen Beruf und Privatleben, zwischen Stress und Entspannung ausgewogen ist. Dazu kann das betriebliche Gesundheitsmanagement einen erheblichen Beitrag leisten. In Nordhessen hat die Barmer in diesem Jahr 78 Aktionen für Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung unterstützt und dabei über 31.000 Euro in die Gesundheit von Beschäftigten investiert und damit über 4.200 Berufstätige mit diesen Maßnahmen erreicht. „Besonders beliebt ist bei Unternehmen der ‚Balance-Check sowie das Angebot für einen betriebsinternen Gesundheitstag mit unterschiedlichen Messungen. Das werden wir weiter ausbauen“, kündigt Bauer an.