Frankfurt, 01. September 2023 – Bei Kindern in Hessen zeigen sich immer häufiger Störungen beim Spracherwerb sowie Defizite bei der motorischen Koordination. Das belegen Daten im aktuellen Barmer Kinderatlas. Demnach wurde bei 12,2 Prozent der Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren im Jahr 2021 eine sogenannte Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache diagnostiziert. Das entspricht mehr als 49.500 Mädchen und Jungen im Land. Im Jahr 2006 lag die Zahl der Betroffenen in Hessen noch bei rund 30.400. Das entspricht einem relativen Anstieg um knapp 63 Prozent. „Die Zahl der Kinder mit Defiziten beim Sprechen liegt auf einem hohen Niveau. Störungen beim Spracherwerb gehören mit zu den häufigsten Diagnosen bei Heranwachsenden“, sagt Martin Till, Landeschef der BARMER in Hessen. Zu den Sprech- und Sprachstörungen zählten etwa ein begrenztes Vokabular, Schwierigkeiten in der Satzbildung und bei der Grammatik sowie Probleme in der Ausdrucksfähigkeit und bei der Lautbildung. Umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache zögen oft sekundäre Folgen nach sich, wie Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, Störungen im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen, im emotionalen und Verhaltensbereich. „Kinder erlernen Sprache durch Nachahmen. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern viel mit ihrem Kind kommunizieren und einen altersgerechten, fördernden Medienkonsum unterstützen“, empfiehlt Till.
Weder Hampelmann noch Purzelbaum
Auch der Anteil an Kindern mit motorischen Entwicklungsstörungen hat laut Auswertung im Barmer Kinderatlas deutlich zugenommen: Während im Jahr 2006 noch bei rund 11.000 der Sechs- bis Zwölfjährigen in Hessen Defizite in der motorischen Koordination festgestellt wurden, waren es im Jahr 2021 mit annähernd 14.000 Kindern rund 27 Prozent mehr. Die Diagnoserate liegt in der Altersgruppe bei 3,4 Prozent. Zu den Ursachen für den Anstieg der motorischen Entwicklungsstörungen zählt auch der zunehmende Bewegungsmangel unter Heranwachsenden. „Viele Kinder können heute weder Hampelmann noch Purzelbaum. Dabei sind gut entwickelte, motorisch koordinative Fähigkeiten wichtig für Schule und Alltag“, sagt Till. Eltern sollten deshalb ihre Kinder schon von klein auf zu vielfältigen fein- und grobmotorischen Bewegungsabläufen motivieren. Sollte auffallen, dass Kinder schlecht das Gleichgewicht halten, oft Sachen fallen lassen oder im Vergleich zu Gleichaltrigen tollpatschig wirken, könnten Eltern das Gespräch mit einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt suchen.
Kein überproportionaler Anstieg während der Pandemie
Inwieweit die Corona-Pandemie Defizite beim Spracherwerb und der motorischen Koordination nachhaltig beeinflusst hat, ist derzeit noch nicht absehbar. So ist die Zahl der Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen vom Jahr 2019 zum Jahr 2021 um knapp 0,3 Prozentpunkte zurückgegangen. Bei den motorischen Störungen gab es hingegen ein Plus von rund 0,1 Prozentpunkten. „Wir sehen in den Daten einen langfristigen Aufwärtstrend mit kleineren Schwankungen bei den umschriebenen Entwicklungsstörungen. Allerdings ist bisher kein überproportionaler Anstieg in Zeiten der Pandemie auszumachen“, sagt Barmer-Landeschef Till. Es sei nun wichtig, dass ein besonderes Augenmerk auf die gesunde Entwicklung aller Kinder gelegt werde. Die qualitativ hochwertige medizinische Versorgung von Heranwachsenden stehe deshalb auch im Fokus des Barmer Kinder- und Jugendprogramms. Teilnehmende Familien profitierten unter anderem von zusätzlichen Früherkennungsuntersuchungen, kürzeren Wartezeiten beim Arztbesuch sowie einer Beratung der Eltern zu vielen Gesundheitsthemen.