Frankfurt, 15. Februar 2022 – Die Zahl der Pflegebedürftigen und der Pflegepersonalbedarf steigt in Hessen zukünftig noch stärker als angenommen. Das zeigt der aktuelle Pflegereport der Barmer. „Bis zum Jahr 2030 werden annähernd 12.000 Pflegekräfte mehr benötigt als derzeit in Hessen beschäftigt sind, das sind rund 2000 mehr als bisher angenommen. Auch die Zahl der Pflegebedürftigen wird dann mit 455.000 um 80.000 Betroffene höher liegen, als bisherige Vorausberechnungen kalkulierten“, sagt Martin Till, Landeschef der Barmer in Hessen. Der Pflegenotstand drohe zur Pflegekatastrophe zu werden, wenn nicht mit gesundheitspolitischer Entschlossenheit gegengesteuert werde. Der Beruf müsse in den nächsten Jahren aus dem System heraus gestärkt werden, sonst stehe neben der Qualität und Bezahlbarkeit der Pflege auch die Gesundheit der Pflegekräfte auf dem Spiel.
Der hessische Pflegefachkräftemangel in Zahlen
Bis zum Jahr 2030 werden in Hessen 5.000 ausgebildete Pflegefachkräfte mehr benötigt, als derzeit beschäftigt sind. Das sind rund 1.000 mehr als bisher angenommen wurden. Auch Pflegehilfskräfte mit Ausbildung werden gebraucht. Bis 2030 müssen auch in dieser Berufsgruppe 2.000 Personen mehr beschäftigt werden als derzeit, um die zukünftigen Bedarfe zu decken. Auch diese Zahl wurde bisher um rund 1.000 Personen unterschätzt. Zusätzlich werden rund 4.000 Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung zu den derzeit Beschäftigten bis 2030 in Hessen benötigt. „Die Zahlen belegen, dass wir einen massiven Zuwachs an Assistenzkräften und einen deutlichen Ausbau der Pflegeschul-Kapazitäten brauchen. Das kann kurzfristig erreicht werden, indem die Klassen leicht vergrößert werden. Wir selbst schaffen zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch die neue Pflegeschule unserer Bildungstochter apm in Gießen“, erklärt Ralf Geisel, hessischer Landesvorsitzender des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa).
Finanzielle Überforderung Pflegebedürftiger vermeiden
Die Landesregierung in Hessen muss zudem ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Sicherung der pflegerischen Infrastruktur nachkommen und ein entsprechendes Förderprogramm für die investiven Aufwendungen auflegen. Dadurch würde bereits eine Entlastung bei den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen erreicht werden. „Jährlich fällt in Hessen ein Betrag von mehr als 330 Millionen Euro für struktursichernde Investitionskosten an. Diese Kosten tragen aktuell die Pflegebedürftigen in Hessens stationärer Vollzeitpflege“, sagt Till. Diese Investitionskostenförderung müsse außerdem wettbewerbsneutral und über die verschiedenen Einrichtungsarten ausgestaltet werden, um allen Pflegebedürftigen zu Gute zu kommen, unterstreicht Geisel. „Die aktuell geplante Hilfe für von der Pandemie stark betroffene Pflegeeinrichtungen ist dazu ein erster richtiger Schritt.“
Sprunghafte Anstiege der Pflegebedarfe nicht ausreichend berücksichtigt
Der Barmer Pflegereport zeigt, dass bereits im Jahr 2030 in Hessen 2.000 Pflegekräfte mehr benötigt werden, als bisher angenommen. Grund für den bisher niedriger veranschlagten Personalbedarf sind vor allem demografieunabhängige Faktoren, die nicht ausreichend in Vorausberechnungen einbezogen wurden. So hat die Auswertung der Barmer ergeben, dass die Gesamtzahl der Pflegebedürftigen in den Jahren 2017 und 2018 im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr um 10,7 Prozent und 11,4 Prozent gestiegen sind. In den Jahren 2019 und 2020 flachten die Steigerungen auf 8,1 und 6,7 Prozent ab, blieben aber deutlich erkennbar. Diese steigende Tendenz geht auf gesetzliche Erweiterungen der Pflegeleistungsansprüche zurück und wird in den nächsten Jahren auch in Hessen fortwirken. Schon für das Jahr 2020 unterschätzten deshalb rein demografieabhängige Vorausberechnungen, die an der statistischen Tendenz des Pflegebedarfs aus dem Jahr 2019 festhalten, den dynamischen Anstieg des Pflegebedarfs in den nächsten Jahren erheblich.