Frankfurt (18.07.2016) Schmerzen, die nicht enden wollen und deren Ursache unbekannt ist: Über 230 000 Menschen sind davon in Hessen betroffen. Das sind knapp 4 Prozent der Bevölkerung. Doch trotz vieler medizinischer Fortschritte könnte die Versorgung dieser Patienten verbessert werden. Zu diesem Ergebnis kommt der Barmer GEK Arztreport 2016. Damit liefert der Report erstmals valide Zahlen auf Basis von Krankenkassendaten zu diesem Thema.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der chronischen Schmerzpatienten in Hessen stetig gestiegen. Im Jahr 2005 waren erst 1,59 Prozent der Bevölkerung betroffen im Jahr 2014 hat sich diese Zahl mit fast 4 Prozent mehr als verdoppelt. Chronischer Schmerz ist eine eigenständige Erkrankung, die sehr spezifisch behandelt werden muss. "Die Bekämpfung chronischer Schmerzen sollte angesichts von Millionen Betroffenen in Deutschland zu einem nationalen Gesundheitsziel werden", so Norbert Sudhoff, Landesgeschäftsführer der Barmer GEK in Hessen. "Viele Patienten erleben eine Odyssee bis ihnen endlich geholfen werden kann. Die Vernetzung zwischen den medizinischen Fachgebieten muss verbessert werden. Dabei sollte der Hausarzt eine Lotsenfunktion übernehmen."
Große regionale Unterschiede in Hessen
Der Report zeigt, dass chronische Schmerzen in Hessen sehr unterschiedlich dokumentiert werden. Am häufigsten sind mit 6,3 Prozent die Menschen im Landkreis Kassel betroffen, gefolgt von der Stadt Kassel mit 5,9 Prozent sowie den Kreisen Schwalm-Eder und Hersfeld-Rotenburg mit jeweils 5 Prozent. Die geringsten Raten wurde in Groß-Gerau mit 2,7 Prozent, im Wetteraukreis (2,9 Prozent), Main-Taunus-Kreis (3 Prozent) und Hochtaunuskreis (3,1 Prozent) dokumentiert. Insgesamt sind Frauen von chronischen Schmerzen weitaus häufiger betroffen als Männer.
Chronifizierung von Schmerzen vermeiden
"Wir müssen alles tun, damit Schmerzpatienten besser leben können", sagt Norbert Sudhoff. Deshalb unterstützt die Krankenkasse Bemühungen der Fachgesellschaften, verbindliche Kriterien für die multimodale Schmerztherapie zu entwickeln. Die multimodale Schmerztherapie ist eine zeitintensive, interdisziplinäre Behandlung, bei der Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten. Wichtig sei auch die Vermeidung von chronischen Schmerzen. „Als Schmerzpatient wird man nicht geboren, man wird dazu gemacht. Darum brauchen wir ein abgestuftes Schmerzkonzept mit dem Hausarzt als Lotsen“, fordert er. Es muss schon frühzeitig erkannt werden, welche Therapie für den Patienten die richtige ist. Dabei muss auch an die psychische und soziale Dimension des Schmerzes gedacht werden. Nur so kann eine Chronifizierung des Schmerzes vermieden werden.
Multimodale Schmerztherapie
Chronische Schmerzen sind eine eigenständige Erkrankung, die besonders behandelt werden muss. Eine solche Möglichkeit stellt die multimodale Schmerztherapie dar, eine interdisziplinäre und zeitintensive Behandlung. In Hessen erhalten 77 von 100.000 Betroffenen diese Art der Schmerztherapie. Wer multimodal behandelt wird, muss mindestens drei Merkmale wie etwa eine drohende Beeinträchtigung der Lebensqualität, eine fehlgeschlagene unimodale Schmerztherapie und eine gravierende Begleiterkrankung aufweisen.
Hintergrundinformation:
Für den Barmer GEK Arztreport 2016 hat das Aqua-Institut in Göttingen die pseudonymisierten Daten von mehr als 8 Millionen Barmer GEK Versicherten aus dem Jahr 2014 ausgewertet. Für die Ermittlung der Häufigkeit von chronischen Schmerzen ohne einen direkten Organbezug wurden die Diagnosen F45.41 ("Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren"), R52.1 ("Chronisch unbeeinflussbarer Schmerz") und R52.2 ("Sonstiger chronischer Schmerz") berücksichtigt.