Die Bevölkerung in Hamburg ist zwar im Durchschnitt jünger als in anderen Bundesländern. Aber auch in der Hansestadt steigt die Anzahl der Menschen, die pflegebedürftig sind. In der „Rahmenplanung Pflegerische Versorgungsstruktur bis 2026“ geht die Stadt Hamburg davon aus, dass die Pflegebedürftigkeit in der Hansestadt demografisch bedingt langsam zunehmen wird. Im Vergleich zum Basiswert von 2019 werde sie bis 2025 um drei Prozent, bis 2030 um fünf Prozent und bis 2035 um sieben Prozent steigen.

Gab es im Jahr 2019 noch rund 77.300 Pflegebedürftige in der Stadt, werden es nach Berechnungen der Sozialbehörde im Jahr 2030 schon knapp 81.000 sein, im Jahr 2035 mehr als 82.500. Weil die bundesrechtlichen Änderungen und Erweiterungen der Definition der Pflegebedürftigkeit noch nachwirken, werden die ausgewiesenen Steigerungen voraussichtlich noch darüber hinausgehen. Die Weiterentwicklung der Pflegeinfrastruktur stellt eine große gesellschaftliche Herausforderung dar.
Die Barmer hat ein großes Interesse daran, dass die Versorgung pflegebedürftiger Menschen dauerhaft sichergestellt wird. Ziel muss sein, eine quartiersnahe Pflege-Infrastruktur einzurichten. Daher begrüßt die Barmer den Aktionsplan „Age-friendly City – für ein altersfreundliches Hamburg“, den die Stadt im Sommer 2024 verabschiedet hat. Der Aktionsplan umfasst zwei große Handlungsfelder: „Partizipieren und Teilhaben bis ins höchste Alter“ sowie „Selbstbestimmt älter werden im Quartier“ mit insgesamt 105 Maßnahmen, die behördenübergreifend umgesetzt werden sollen.
Angehörige entlasten
Der allergrößte Anteil der Pflege findet nicht im stationären Sektor, sondern im privaten Umfeld der Menschen statt. In Hamburg trifft das auf etwa 44 Prozent der Pflegebedürftigen zu. Aus diesem Grund ist konsequent zu prüfen, ob und wie pflegende Angehörige strukturell und finanziell entlastet werden können.
Für die Pflege von Menschen im eigenen Zuhause hat jedes Bundesland bislang eigene Vorgaben zu Betreuungs- und Unterstützungsangeboten. Als bundesweite Kasse sehen wir es als erstrebenswert an, diese Vorgaben deutschlandweit zu harmonisieren, die Anerkennung von Leistungsangeboten zu vereinfachen und den Zugang zu Leistungen niedrigschwelliger auszugestalten. Denn die Pflege durch Angehörige macht nicht vor Ländergrenzen halt und muss von diesen oftmals parallel zur eigenen Berufstätigkeit erbracht werden.
Attraktivität des Berufsbildes der Pflegefachkraft stärken
Der Fachkräftemangel trifft besonders die Pflege. Eine gleich bleibende oder sogar weniger werdende Anzahl an Beschäftigten muss immer mehr Arbeit stemmen. Der Senat versucht dem mit einer Anpassung der Fachkraftquote in der Pflege entgegenzuwirken. Hamburger Pflegeheime, die nachweislich eine gute Betreuungsqualität bieten, müssen seit dem 1. November 2024 weniger fachlich ausgebildetes Betreuungspersonal vorhalten als vorher.

Generell gilt es, neue Wege zu gehen, um das Berufsbild attraktiver zu gestalten und neue Pflegefachkräfte zu gewinnen. Die Fokussierung auf eine Stärkung der Ausbildung im Pflegebereich sowie die Gewinnung ausländischer Fachkräfte ist dabei zentral. Die Pflegeausbildung ist dabei eine staatliche Aufgabe, die grundsätzlich über Steuergelder erfolgen sollte, nicht aus Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung, der Sozialen Pflegeversicherung oder der Pflegebedürftigen.
Die Aufgabenverteilung innerhalb der Gesundheitsfachberufe muss im Einklang mit einer modernen Arbeitsteilung zwischen ärztlichen und pflegerischen Berufen neu justiert werden. Mehr Eigenständigkeit bei der pflegerischen und medizinischen Arbeit macht das Berufsbild der qualifizierten Fachkraft zudem für neue Zielgruppen attraktiv. Die vorhandenen Fachkräfteressourcen können zielgerichteter und effizienter zum Einsatz kommen, wenn qualifizierte Pflegekräfte zusätzliche Kompetenzen übernehmen, die bisher ärztlichem Personal vorbehalten sind. Dies gilt gleichermaßen für pflegerische und medizinische Gesundheitsberufe. Sektorenübergreifende Ansätze sorgen dafür, dass pflegebedürftige Menschen möglichst lange daheim betreut werden können.
Der Investitionspflicht in die Pflege-Infrastruktur nachkommen
Aufgrund der demografischen Entwicklung ist eine menschenwürdige Pflege für künftige Generationen nur dann gesichert, wenn die gesamte Gesellschaft an einem Strang zieht. Sowohl der Bund als auch die Länder und die Träger der Sozialversicherungen müssen ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nachkommen. In erster Linie ist es Aufgabe des Bundes, gesamtgesellschaftliche Aufgaben ausreichend zu finanzieren, welche derzeit über die Pflegeversicherung getragen werden. Dazu gehören unter anderem die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige oder die über die Pflegeversicherung getragenen Pandemiekosten, welche bislang nicht vollständig erstattet wurden.
Die Länder sind ebenfalls in der Verpflichtung, ihrer Verantwortung bei den Investitionskosten für eine stabile Pflege-Infrastruktur nachzukommen. Diese Aufgabe wurde mit der Einführung der sozialen Pflegeversicherung festgelegt und bis heute leider oftmals nur unzureichend verfolgt – auch in Hamburg. Dies führt zu einer Belastung der Pflegebedürftigen mit zusätzlichen Kosten, für die eigentlich die Bundesländer verantwortlich sind. Allein die gesetzlich vorgesehene komplette Übernahme der Investitionskosten würde Heimbewohnerinnen und -bewohner in der Hansestadt um durchschnittlich 573 Euro im Monat entlasten.
Für die Versorgungssicherheit ist neben der Übernahme von Investitionskosten auch die Planung der Pflegestrukturen relevant. Gerade beim Übergang von einer stationären Behandlung in die Anschlusspflege bzw. -versorgung darf es nicht zu Versorgungsbrüchen kommen. Aus diesem Grund müssen die Bundesländer die notwendige Struktur für Kurzzeit-, Verhinderungs-, Tages-, und Nachtpflege weiter ausbauen.
Im Zusammenhang mit der Planung und der Investition in die Pflegestruktur gilt es, sektorenübergreifend zu denken. Medizinische und pflegerische Ressourcen müssen gemeinsam gedacht und geplant werden.
Forderungen
- Betreuungs- und Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige sollten bundesweit harmonisiert werden.
- Ausländische Fachkräfte sollten einfacher integriert werden können.
- Die sektorenübergreifende Zusammenarbeit muss gefördert werden.
- Die Pflegefachkräfte sollten mehr Kompetenzen erhalten.
- Die Investitionen in die Pflegeinfrastruktur müssen durch das Land Hamburg auskömmlich finanziert werden.