Mit der Corona-Pandemie haben das deutsche Gesundheitssystem und insbesondere der Krankenhaussektor Enormes, bisher nie Dagewesenes geleistet und noch zu leisten. Es werden aber auch Probleme des Systems sichtbar. Rufe nach einer Strukturreform der Krankenhauslandschaft werden immer lauter, denn
- die Krankenhausdichte ist im internationalen Vergleich sehr hoch,
- Personal sowie Betriebs- und Investitionsmittel sind knapp,
- die Krankenhausplanung orientiert sich nicht am Bedarf, sondern bestehende Strukturen werden fortgeschrieben,
- gerade kleine Kliniken schaffen es nicht, wirtschaftlich zu agieren,
- das Leistungsangebot folgt häufig betriebswirtschaftlichen Argumenten und nicht dem Versorgungsbedarf,
- die Bundesländer können den Investitionsbedarf der Kliniken nicht decken,
- bei der Digitalisierung stehen deutsche Kliniken im internationalen Vergleich ganz hinten.
Die Diskussion um eine Strukturreform ist bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie begonnen worden. Sie ist nun weiterzuführen und es sind konkrete Maßnahmen erforderlich. Als Barmer fordern wir
- die Steigerung von Qualität und Patientensicherheit durch stärkere Spezialisierung und Konzentration,
- die Entwicklung einer sektorenübergreifenden, qualitäts- und bedarfsorientierten Versorgungsstrukturplanung unter Berücksichtigung von Erreichbarkeit und Wirtschaftlichkeit,
- die Vermeidung nicht medizinisch-demografisch begründbarer Mengendynamiken,
- den Abbau der im internationalen Vergleich erheblichen Überkapazitäten,
- die Stärkung der sektorenübergreifenden Kooperation und Patientenorientierung.
Wir stehen klar für die Einhaltung von Mindestmengen, denn sie stellen ein Qualitätsparameter dar und bieten Patientinnen und Patienten die Sicherheit, die sie für eine gute medizinische Versorgung benötigen. Ausnahmetatbestände darf es nicht geben. Medizinische Eingriffe dürfen nur dort stattfinden, wo die medizinische Expertise und Erfahrung die qualitativ beste Versorgung garantieren.
Damit ist nicht unbedingt eine Reduktion der Zahl der Krankenhäuser verbunden, aber es ist durchaus eine Neuordnung der Krankenhauslandschaft erforderlich. Als Barmer sprechen wir uns für gestufte Versorgungsstrukturen nach Regel-, Grund- und Maximalversorgung aus. Es geht zum einen um Spezialisierung, das heißt nicht jeder macht alles, sondern es findet eine Fokussierung statt. Patientinnen und Patienten mit schweren Erkrankungen werden z. B. nur in Einrichtungen behandelt, die über die entsprechende technische und personelle Ausstattung verfügten. Das verbessert nicht nur die Behandlungsqualität und Patientensicherheit, sondern führt auch zu einem schonenden Umgang mit knappen personellen und monetären Ressourcen. Zum anderen können gerade kleinere Krankenhausstandorte die wohnortnahe Grundversorgung gewährleisten.
Eine gestufte Versorgungsstruktur erfordert eine Reform der Krankenhausfinanzierung. Das DRG-Vergütungssystem hat sich zwar grundsätzlich als ein an der Leistung orientiertes Vergütungssystem bewährt, müsste aber nach Versorgungsstufen differenziert werden. Ebenso müssten unterschiedlich hohe Vorhaltekosten der Krankenhäuser unterschiedlicher Versorgungsstufen Berücksichtigung finden. Die Finanzierung der Investitionskosten ist auf neue Füße zu stellen und die Pflegekosten sind wieder in die DRGs zu integrieren, da ihre Ausgliederung Fehlanreize setzt.
Es ist Zeit, den Ineffizienzen des deutschen Gesundheitssystems in Form von Unter-, Über- und Fehlversorgung zu begegnen mit der Zielsetzung, die Qualität der Versorgung durch Spezialisierung und Bedarfsorientierung zu verbessern. Es gilt, die knappen Ressourcen bestmöglich einzusetzen, Raum für Innovationen zu schaffen und die Digitalisierung voranzutreiben.
Weiterführende Informationen zu den Positionen der Barmer finden Sie auch im Artikel "Teilhabe am medizinischen Fortschritt für alle ermöglichen – mit einer passenden Krankenhausstruktur" aus der aktuellen Ausgabe unserer Schriftenreihe "Gesundheitswesen aktuell".