Der aktuelle Arzneimittelreport der Barmer GEK beschäftigt sich im Schwerpunkt mit biotechnologisch hergestellten Medikamenten und zeigt ein enormes Potenzial auf, um überflüssige Mehrausgaben zu verhindern, insbesondere durch sogenannte Biosimilars. Biosimilars sind Nachahmerprodukte biotechnologisch hergestellter Arzneimittel (Biologika). Sie können nach dem Patentablauf des Erstanbieters und Zulassung durch die europäische Zulassungsbehörde EMA in den Markt eingeführt werden. Damit entsteht in der Praxis eine Wettbewerbssituation zwischen zwei oder mehreren therapeutisch gleichwertigen, aber unterschiedlich teuren Arzneimitteln.
„Bei einer Therapie mit biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln sollten Biosimilars verstärkt angewendet werden, zumal die Versorgungsqualität nachweislich nicht darunter leidet", empfiehlt Landesgeschäftsführer Frank Liedtke. „Es gibt enorme regionale Differenzen bei den Verordnungsquoten von Biosimilars, die sich medizinisch nicht erklären lassen“, so Liedtke weiter.
Mangelnde Information?
Den Schlüssel für diese Verordnungen halten die Ärztinnen und Ärzte in der Hand. Denn die derzeit bestehenden Substitutionsregelungen geben Apotheken nur einen begrenzten Spielraum bei der Abgabe der biotechnologisch hergestellten Arzneimittel. Entscheidend für den Einsatz von Biosimilars in der Versorgung der Patienten ist damit nicht der Hersteller oder der Apotheker, sondern der behandelnde Arzt, der die Verordnung ausstellt.
Aber ist die Ärzteschaft auch ausreichend über Biosimilars informiert? „Die niedrigen Verordnungsquoten könnten an der Informationspolitik der Pharmahersteller liegen, die schwindende Umsätze bei ihren teureren Originalpräparaten befürchten. Die Erfahrung zeigt, dass Biosimilars in der Regel etwa 25 Prozent günstiger sind als die Originalpräparate“, erläutert Frank Liedtke.
Die Ärztinnen und Ärzte in Hamburg haben im letzten Jahr in nur der Hälfte der entsprechenden Behandlungsfälle Biosimilars verordnet. Diese Quote bezieht sich auf die Wirkstoffe Erythropoetin, Filgrastim, Infliximab und Somatropin. Allein hierfür besteht ein geschätztes Einsparpotential für die Region der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg in Höhe von rund drei Millionen Euro pro Jahr. Auf die Barmer GEK in Hamburg runtergebrochen sind dies immerhin noch 360.000 Euro jährlich.
Bessere Versorgung durch Einsparungen mit Biosimilars möglich!
Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel verursachen bei der Barmer GEK 21,3 Prozent der gesamten Arzneimittelkosten (5,7 Milliarden Euro). In den nächsten fünf Jahren könnten ohne großen Aufwand bundesweit mehr als vier Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eingespart werden! Wobei ‚Einsparen‘ nicht der richtige Begriff ist. Es handelt sich um vermeidbare Mehrkosten. Dieses Geld könnte beispielsweise in andere Medikamente oder Therapien sinnvoller investiert werden.
Was bedeutet „nicht identisch, aber ähnlich“?
Für die Zulassung eines Biosimilars müssen die Pharmazeutischen Hersteller, anders als bei chemisch definierten Wirkstoffen, ein aufwändiges Verfahren bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA durchlaufen. Grundsätzlich ist die Struktur der Biosimilars zwar ähnlich, aber im Vergleich zum Originalpräparat nicht vollkommen identisch. Genauso sind aber auch die verschiedenen Herstellungschargen des Originals nicht identisch, denn im Laufe der Produktion ändern sich kleine Details. Im Rahmen des Zulassungsprozesses wird allerdings für Biosimilars sichergestellt, dass die Unterschiede so gering sind, dass Wirksamkeit und Verträglichkeit dem Referenzarzneimittel entsprechen. Auch für jede neue Charge des Referenzarzneimittels muss belegt werden, dass sich die kritischen Eigenschaften nicht verändert haben.