Wer auf dem Land wohnt, hat im Fall eines Schlaganfalls deutlich schlechtere Chancen, schnell die richtige medizinische Hilfe zu bekommen, als die Bewohner von Großstädten und Ballungszentren. Dies soll sich nun ändern. Aus Mitteln des Innovationsfonds startet die Barmer gemeinsam mit sieben Partnern das Projekt ANNOTeM in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. ANNOTeM steht für „Akut-Neurologische Versorgung in Nord-Ost-Deutschland mit TeleMedizinischer Unterstützung“.
Lösungen für ländliche Regionen mit alter Bevölkerung
Neurologische Akutkrankheiten wie Schlaganfall, Schädel-Hirn-Tauma, Querschnittssyndrome sowie Gehirn–, und Hirnhautentzündungen gehören zu den häufigsten Ursachen für bleibende Behinderungen. Zwar gibt es für diese Erkrankungen evidenzbasierte Behandlungsformen. Ihre Erfolgsaussichten hängen aber davon ab, wie schnell die richtige Diagnose erfolgt und die richtige Therapie eingeleitet werden kann. Deshalb gilt der Leitsatz: „Time is Brain“. In ländlichen, strukturschwachen Gebieten haben Kliniken häufig keine eigene neurologische Abteilung, und selbst dort, wo sie existieren, wird eine Vorhaltung rund um die Uhr wegen des Ärztemangels zunehmend schwieriger. Hinzu kommt, dass neurologische Erkrankungen im höheren Alter häufiger vorkommen. Regionen mit einer tendenziell alten Bevölkerung stehen deshalb besonders vor der Herausforderung, entsprechende medizinische Versorgungsstrukturen vorzuhalten.
Telemedizin soll zum Einsatz kommen
Die neue Möglichkeiten der Telemedizin bieten Patienten mit neurologischen Erkrankungen neue Chancen. Denn die Symptome neurologischer Erkrankungen, wie zum Beispiel Lähmungen, Sprach-, und Bewusstseinsstörungen lassen sich audiovisuell über telemedizinische Anwendungen gut untersuchen. Auch Laborergebnisse und die Ergebnisse von bildgebenden Diagnoseverfahren wie einem CT oder MRT können digital übertragen werden. Zuverlässige Diagnosen aus der Entfernung sind so möglich. Einzigartig an ANNOTeM ist, dass das telemedizinische Versorgungskonzept auch das Elektroenzephalogramm (EEG) und Liquordiagnostik umfasst. Mit einem EEG werden die elektrischen Aktivität des Gehirns gemessen und aufgezeichnet. Bei der Liquordiagnostik wird die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit untersucht. Die telemedizinische Anwendung dieser Diagnoseverfahren erfordert eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Fachgebieten der Anästhesie, Intensivmedizin und Neurochirurgie.
Netzwerk verbindet Personal vor Ort mit Experten
Im Rahmen von ANNOTeM wird nun ein Netzwerk aus Maximalversorgerkliniken mit neurologischer High-End-Expertise und regionalen Versorgungskliniken Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Geplant ist außerdem, Rettungsdienste mit in das Netzwerk aufzunehmen. Dem behandelnden Personal vor Ort wird rund um die Uhr eine telemedizinische Unterstützung zur Verfügung stehen. So werden neue Diagnose– und Therapieverfahren in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt. Unnötige Krankenhausverlegungen von Patienten werden vermieden. Im Fokus stehen Patienten
- mit Hauptdiagnose akuter Schlaganfall
- mit Hauptdiagnose Meningitis und ezephalitis
- mit Aufnahme-Diagnose „Koma“
- mit Aufnahme-Diagnose „akutes Querschnittssyndrom“
- mit Aufnahme-Diagnose „epileptischer Anfall“
Blaupause für strukturschwache Regionen
ANNOTeM wird mit knapp 8 Million Euro aus dem Innovationsfonds bis Ende 2019 gefördert. Nach dem Ende des Förderzeitraums und Abschluss der Evaluation soll das Konzept auch in anderen strukturschwachen Regionen Deutschlands umgesetzt werden können „Die Gegebenheiten, die wir mit dünnbesiedelten Regionen mit einer überdurchschnittlichen Altersstruktur in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben, nutzen wir für die Entwicklung neuer telemedizinischer Versorgungsformen“, sagt Gabriela Leyh, Landesgeschäftsführerin der Barmer Berlin/Brandenburg.