Die telemedizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz wird mit einer neuen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Regelleistung. Für die rund 2,5 Millionen Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche ist das eine gute Nachricht. Mit implantierten Geräten (zum Beispiel Defibrillator) oder externen Geräten zum Beispiel einem Elektrokardiogramm (EKG), einem Blutdruckmessgerät, einer Waage und einem Tablet, mit dem Patientinnen und Patienten ihr Wohlbefinden dokumentieren, werden ihre Vitaldaten erfasst.
Diese umfassen zum Beispiel Herzschlag und Blutdruck und werden ans kardiologische Telemedizinzentrum übertragen. Dort werden Sie ausgewertet, wenn notwendig, rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Verschlechtert sich der Gesundheitszustand, wird dies frühzeitig festgestellt, meist noch bevor die Patientinnen und Patienten es selbst merken. Die Ärztinnen und Ärzte können in Rücksprache mit dem primär behandelnden Arzt beziehungsweise Ärztin vor Ort dann schnell intervenieren, zum Beispiel mit der Anpassung der Medikation. Patientinnen und Patienten können sich so zu Hause trotz Herzschwäche sicher fühlen. Krankenhausaufenthalte bleiben ihnen oftmals erspart.
Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat gemeinsam mit der Barmer und weiteren Partnern die Telemedizin bei Herzinsuffizienz vorangetrieben. Die Standortinfo sprach hierüber mit Prof. Dr. Friedrich Köhler, Leiter des Arbeitsbereichs Kardiovaskuläre Telemedizin an der Charité.
Lieber Herr Prof. Köhler, durch die Telemedizinversorgung bei Herzinsuffizienz wird die Versorgung tausender Patientinnen und Patienten deutlich verbessert. Dass diese telemedizinische Leistung nun zur Regelversorgung wird, ist mit Ihr Verdienst. Wie lange war der Weg dorthin?
Köhler: Wichtige technische und wissenschaftliche Grundlagen haben wir bereits im Jahr 2005 mit dem Projekt „Partnership For The Heart“ gelegt, das vom damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert wurde. Die Barmer war damals auch schon mit im Boot. Den Durchbruch brachte dann das darauf aufbauende Fontane-Projekt, das wir zwischen 2013 und 2018 mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführt haben.
Worum ging es im Fontane-Projekt?
Köhler: Ziel des Fontane-Projekts war zum einen, die Patientinnen und Patienten möglichst lange außerhalb eines Krankenhauses zu behandeln und die Lebenserwartung sowie die Lebensqualität zu erhöhen. Zum anderen wollten wir überprüfen, ob Telemedizin strukturelle Defizite der medizinischen Versorgung auf dem Land gegenüber städtischen Regionen ausgleichen kann. Über 1.500 Patientinnen und Patienten haben bundesweit teilgenommen. Wir konnten feststellen, dass sie enorm von der telemedizinischen Kooperation zwischen ambulant tätigen Ärztinnen und Ärztinnen und den Expertinnen und Experten des Telemedizinzentrums der Charité profitieren konnten. Die Sterblichkeit konnte um drei von 100 Betroffenen im Jahr gesenkt werden. Ungeplante Krankenhauseinweisungen konnten um 30 Prozent gesenkt werden.
Was sind die genauen Erfolgsfaktoren des Telemedizin-Konzepts?
Köhler: Entscheidend für den Erfolg war die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den beteiligten niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in 200 hausärztlichen Praxen und kardiologischen Einrichtungen. Die Telemedizin soll ja die enge ärztliche Betreuung am Wohnort nicht ersetzen, sondern einen Beitrag dazu leisten, Versorgungslücken zu schließen, vor allem in ländlichen Regionen. Gleichzeitig hat die langjährige Erfahrung unseres ärztlichen und pflegerischen Teams dazu beigetragen, eine respektvolle und verlässliche Zusammenarbeit zu ermöglichen. Darüber hinaus sind die externen Messgeräte, die die Patientinnen und Patienten zum Teil bekommen, leicht zu handhaben. Sie werden ohnehin zu Beginn von Fachkräften für Herzinsuffizienz der Charité für den Umgang mit den Geräten, aber auch mit ihrer Erkrankung Angehörigen geschult, oft auch in Anwesenheit der Angehörigen. Zudem haben wir in ihrer Häuslichkeit ein Pflege-Assessment durchgeführt, um auch ihre psychosoziale Situation zu verstehen. So ist es uns auch gelungen, das Selbstmanagement der Patientinnen und Patienten zu verbessern.
Wenn es um Telemedizin und Digitalisierung geht, stehen oft die strengen Bestimmungen des Datenschutzes in der Kritik. Wie sind Sie bei der Entwicklung des Projekts damit umgegangen?
Köhler: Die Einhaltung des Datenschutzes, der technischen Sicherheit und die datenschutzkonforme Verarbeitung der Daten hatte bei uns von Anfang an die allerhöchste Priorität. Denn davon hängt die Akzeptanz von Telemedizin ab. So haben wir zu jedem Zeitpunkt die Datenschutzgrundsätze gewährleistet und die Rechte der Personen geschützt.
Mit der Richtlinie „Telemonitoring bei Herzinsuffizienz“ hat der G-BA erstmals eine digitale Methode in die Regelversorgung überführt. Meinen Sie, diese Entscheidung wird die Digitalisierung im Gesundheitswesen nun beschleunigen?
Köhler: Auch digitale Angebote müssen zunächst ihren medizinischen Nutzen nachweisen. Liegt dieser vor, sollten diese Angebote den Patientinnen und Patienten möglichst schnell zur Verfügung gestellt werden. Für die Akzeptanz unserer telemedizinischen Herzinsuffizienzbehandlung war es deshalb sehr hilfreich, dass wir mit der Barmer einen Vertrag der Besonderen Versorgung schließen konnten, bevor sie nun in abgewandelter Form Regelleistung wurde. Gemeinsam haben wir gezeigt, dass mit evidenzbasierten digitalen Angeboten, wie diesem, qualitativ hochwertige medizinische Leistungen flächendeckend angeboten werden können, auch in Regionen mit schwächerer medizinischer Versorgungsstruktur.