Detlef_Tabbert
Interview mit Detlef Tabbert

Städte und Gemeinden sollten viel öfter mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen nach Wegen einer guten Zusammenarbeit suchen.

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Laut Beschluss des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum Projekt IGiB-StimMT, habe das Projekt unter Beachtung von regionalen Gegebenheiten einen Modellcharakter für andere ländliche Regionen bundesweit. Der Gesetzgeber und die Akteure der Selbstverwaltung werden aufgefordert zu prüfen, inwiefern Ansätze aus dem Projekt für die Schaffung neuer Versorgungsformen in strukturschwachen Regionen genutzt werden können und inwiefern dies in einem bundesweit einheitlichen Rahmen erfolgen kann. Ein Kernbestandteil des Projekts StimMT ist das Ambulant Stationäre Zentrum (ASZ). Unter einem Dach finden Patientinnen und Patienten dort ambulante und stationäre Versorgungsangebote. Das ASZ ist sektorenübergreifend angelegt und folgt den Leitgedanken „ambulant vor stationär“ und „wohnortnah vor wohnortfern“. Träger des ASZ-Ambulant Stationären Zentrums sind die Sana Kliniken Berlin-Brandenburg GmbH, die Stadt Templin, die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg und die Gesund in Templin GmbH. Die STANDORTinfo sprach mit dem Templiner Bürgermeister Detlef Tabbert über den Start des ASZ-Ambulant Stationären Zentrums.

Herr Tabbert, das ASZ hat mitten in der Corona-Pandemie seinen Betrieb aufgenommen. Wie wird es von den Templinerinnen und Templinern bisher angenommen?
Tabbert: Wir haben festgestellt, dass das Koordinierungs- und Beratungszentrum, das sich im ASZ befindet, sehr gut angenommen wurde. Der Grund ist, dass Bürgerinnen und Bürger hier Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für ihre konkreten Anlíegen haben und viele Informationen aus einer Hand bekommen. Während der Corona-Pandemie haben wir dann zweierlei festgestellt. Zum einen war es den Menschen natürlich wichtig, eine gute medizinische Versorgung vor Ort zu haben. Diese haben wir nunmehr in einer besseren Abstimmung zwischen ambulant und stationär. Wobei der Anteil der ambulanten Leistungen weiter ausgebaut wird, um weniger stationäre Leistungen zu benötigen. Hier wird sicher in den nächsten Jahren noch viel passieren. Andererseits haben viele Menschen, nicht nur in Templin, sondern überall, während der Corona-Pandemie auf Arztbesuche verzichtet, weil sie Bedenken hatten, sich im Wartezimmer anzustecken. Eine ganz wichtige Anlaufstelle ist das ASZ für den Patientenkreis, für den die sektorenübergreifenden Versorgungspfade geschaffen wurden wie zum Beispiel für Rückenschmerzen.

Das ASZ ist aus dem Gedanken heraus entstanden, die bestmögliche medizinische Versorgung für eine älter und kleiner werdende Bevölkerung wohnortnah zu organisieren und dabei Grenzen zwischen ambualnter und stationärere Versorgung aufzubrechen. Wo lagen aus Ihrer Sicht die größte Herausforderungen beim Aufbau des ASZ?
Tabbert: Es gab über den gesamten Projektverlauf hinweg vielseitige Herausforderungen, um diese sehr komplexen Fragen zu klären. Die größte Herausforderung bestand darin, alle Beteiligten mitzunehmen und die vielen Inforamtionen in einem verdichteten Alltagsgeschäft zu vermitteln und auch Vorurteile abzubauen. Es galt das ASZ für die jetzige Zeit zwischen dem Projektende von IGiB-StimMT und der Überführung in die Regelversorgung organisatorisch auf solide Beine zu stellen. Wir haben hierzu Teilträgerschaften mit Sana, der Kassenärztlichen Vereinigung, dem Ärztenetz und der Stadt Templin geschaffen und untereinander Kooperationsvereinbarungen geschlossen. Das war ein großes Stück Arbeit und für uns als Kommune Neuland.


Gerade im ländlichen Raum ist es schwierig, Ärztinnen und Ärzte für Krankenhäuser und für die Niederlassung zu gewinnen. Inwieweit ist das ASZ ein Anreiz für Medizinerinnen und Mediziner nach Templin zu kommen?
Tabbert: Gerade junge Ärztinnen und Ärzte wollen nicht unbedingt ihre eigene Praxis eröffnen, sondern lieber in einem Angestelltenverhältnis arbeiten, weil sie andere Vorstellungen von beruflicher und privater Lebensqualität haben als die Vorgängergeneration. Im ASZ haben sie neben geregelten Arbeitszeiten außerdem die Möglichkeit, interdisziplinär in einem guten Team zusammenzuarbeiten. Zudem stehen ihnen im ASZ modernste Behandlungsräume zur Verfügung. Und – um noch einmal auf die Work-Life-Balance zurückzukommen – Templin ist von wunderbaren Seen und Wälder umgeben. Es gibt hervorragende Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten und Templin ist ein guter Ort für Familien. Das zeigt sich vor allem daran, dass wir seit Jahren einen verstärkten Zuzug junger Familien haben. So haben wir in Templin nur einen Wohnungsleerstand von circa ein Prozent also vergleichbar mit Potsdam oder Falkensee.

Was können andere Kommunen von Templin lernen? 
Tabbert: Die Voraussetzungen sind von Ort zu Ort schon sehr unterschiedlich. Für Templin kann ich sagen, dass viel Energie, Zeit und auch der Dialog mit allen Beteiligten wichtig ist, um die Interessen zu verstehen und Ziele zu verstehen. So gelingt es, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger die best mögliche und realisitsche Lösung zu finden. Hierzu gehört natürlich auch, dass wir uns permanent einbringen, Ideen entwicklen und für unsere Vorstellungen kämpfen, den Dialog mit den Projektbeteiligten und allen Menschen, die an der Versorgung beteiligt sind, dauerhaft pflegen. Wir sind natürlich stolz, dass Templin so viel Aufmerksamkeit erfährt. Das Thema der gesundheitlichen  Versorgung der Menschen vor Ort ist ein zentrales Anliegens; insbesondere in ländlichen Regionen müssen wir die Köpfe zusammen stecken und uns gemeinsam allen beteiligten Akteuren, bei uns der Landrätin, der Ärzteschaft, den Kassen und dem örtlichen Krankenhausträger zusammenzusetzen, um gmeinsam tragfähige und von den Menschen angenonnene und akzeptierte Angebote zu schaffen. In Templin sind wir auch zu dem Entschluss gekommen, dass die Stadt in die Trägerschaft des ASZ einsteigt. Sicher kann man unser Projekt nicht eins zu eins übertragen. Die jeweils regionalen Möglichkeiten, vorhandenen Strukturen und rechtlichen Rahmenbedingungen müssen vorab geklärt werden. Ich finde die Städte und Gemeinden sollten viel öfter mit den Partnern, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen nach Wegen einer guten Zusammenarbeit suchen und auch mal eingefahrene Wege verlassen.

Die Stadt Templin engagiert sich vielfältig für die Gesundheit ihrer Einwohner. Ein Beispiel ist der jährliche Gesundheitstag, bei dem die Barmer dabei sein durfte. Welche Rolle kann eine Kommune im Bereich der gesundheitlichen Prävention einnehmen? 
Tabbert: Die Steigerung der Gesundheitskopetenz in der Bevölkerung ist ein Thema, das uns alle bewegt. Gerade aus der Ärztschaft höre ich oft, dass hier zunehmend Nachholbedarf besteht. Mit dem Gesundheitstag möchten wir den Templinerinnen und Templinern die Möglichkeit verschaffen, sich über gesundheitliche Themen zu informieren, wie zum Beispiel zu gesunder Ernährung, zu Sport und Bewegung aber auch ganz konkret, wie sich zum Beispiel Volkskrankheiten vermeidet. Die hohen Teilnehmerzahlen geben uns jedes Jahr recht, dass es ein hohes Interesse an diesen Themen gibt und zwar in allen Altersgruppen. Wir wissen aus der Gesundheitsforschung, wie wichtig Bewegung im Alltag ist. Ich möchte, dass die Templinerinnen und Templiner so viel wie möglich zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen können. Gute Fuß- und Radwege gehören hier dazu genauso wie Spielplätze und öffentliche Orte, an denen sich den Menschen wohlfühlen. Deshalb gibt die Stadt Templin bedeutende Summen für die Förderung des Vereinssportes aus.