Der Arzneimittelmarkt in Deutschland boomt. Die Arzneimittelausgaben steigen von Jahr zu Jahr und belasten die gesetzlichen Krankenkassen. Diese Entwicklung vollzieht sich schon seit Jahren, ganz unabhängig von der Corona-Pandemie. Im Jahr 2020 gab die Barmer bundesweit rund sieben Milliarden Euro für Arzneimittel aus. Das sind rund 172 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Eine zunehmende Bedeutung in der Arzneimitteltherapie haben Biologicals. Diese biotechnologisch hergestellten Arzneimittel ermöglichen neue Behandlungsmöglichkeiten von schweren Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, Rheuma, oder Multipler Sklerose. Die Ausgaben für Biologicals haben sich seit 2006 verfünffacht. Im vergangenen Jahr verursachten sie deutschlandweit Ausgaben in Höhe von 16 Milliarden Euro. Das entspricht 32 Prozent der gesamten Arzneimittelausgaben. Entlastungen stehen ab August 2022 in Aussicht, wenn in Apotheken Biologicals durch Biosimilars automatisch substituiert werden sollen.
Kostengünstigere Therapien bei gleicher Qualität durch Biosimilars
Seit 2006 steht eine zunehmende Zahl von Biosimilars zur Verfügung. Biosimilars sind Nachahmerprodukte eines Biologicals. Die Zulassung erfolgt nach Ablauf des Patentschutzes des biotechnologisch hergestellten Wirkstoffes (Referenzarzneimittel). Biosimilars müssen im Zulassungsverfahren nachweisen, dass sie eine identische beziehungsweise äquivalente pharmakologische Wirkung zum Referenzarzneimittel haben und keine klinisch relevanten Unterschiede etwa bei den Nebenwirkungen zum Originalwirkstoff aufweisen. Biosimilars sind kostengünstiger. Zur Zeit gibt es sie für insgesamt 15 Wirkstoffe.
Regionale Unterschiede bei der Biosimilarquote
Biosimilars haben eine hohe Akzeptanz. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft stellte im Januar 2021 in ihren Empfehlungen zur Behandlung mit Biosimilars fest, dass jedes Biosimilar dem Referenzarzneimittel hinsichtlich Quaität, Wirksamkeit und Sicherheit entspräche und es keinen Hinweis auf eine Zunahme von Nebenwirkungen bei Biosimilars gebe. Das Vertrauen in Biosimilars drückt sich auch bei den Verordnungen aus. Die Biosimilarquote – also der Anteil der verordneten Biosimilars am jeweiligen Wirkstoff – lag im Jahr 2021 bundesweit über alle Wirkstoffe hinweg bei 81,1 Prozent. Analysen der Biosimilarquote bezogen auf die einzelnen Wirkstoffgruppen zeigen jedoch große regionale Unterschiede. Bei onkologischen Wirkstoffen lag die Biosimilarquote im Jahr 2021 im Bundesdurchschnitt bei 84,4 Prozent, in Brandenburg hingegen bei nur 76,1 Prozent. Seltener wurden onkologische Biosimilars nur in Hamburg (72,6 Prozent) verordnet. In Berlin gibt es Nachholbedarf bei den Verordnungen von Biosimilars im Bereich der TNF-alpha-Blocker, die für entzündungshemmende und immunsuppressive Therapien eingesetzt werden. Hier lag Berlin im Jahr 2021 mit einer Biosimilarquote von 68 Prozent deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 76 Prozent. Seltener wurden Biosimilars in diesem Bereich nur in Sachsen-Anhalt (66,4 Prozent) und Sachsen (66,7 Prozent) verordnet.
Der Austausch von Biologicals könnte Millionen-Einsparungen bringen
Ein Ansteigen der Biosimilarquote, gerade in den Bundesländern mit unterdurchschnittlichen Werten, wird nun durch die automatische Substitutuion in den Apotheken erwartet. Laut dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sollen ab August für die Apotheken konkrete Regelungen für den Austausch von Biosimilars gelten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat hierzu eine Regelung vorgelegt, gewissermaßen analog zum Bereich der Generika. So kann der Arzt beziehungsweise die Ärztin mit dem Aut-idem-Kreuz auf dem Rezept einen Umtausuch in der Apotheke ausschließen. Eine Substitution soll außerdem nur in Frage kommen, wenn die Wirkstärke und die Packungsgröße identisch sind und die Darreichungsform gleich oder austauschbar ist. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Standortinfo befand sich die gesetzliche Neuregelung der Arzneimittelrichtlinie beim G-BA noch in der Phase der Auswertung des Stellungnahmeverfahrens. Würde der Entwurf so umgesetzt werden, böte die Substitution in Apotheken Chancen für eine spürbare Kostendämpfung bei den Arzneimittelausgaben. Zwar ist es schwierig, die Einsparungen konkret zu berechnen, da mit Einführung von Biosimilars zumeist auch der Preis des Referenzarzneimittels sinkt und kassenindividuelle Rabattverträge aufgrund ihrer Vertraulichkeit nicht miteinberechnet werden können. Die Barmer geht jedoch davon aus, dass eine konsequente Substitution von Biologicals für ein Einsparungspotenzial von knapp 72 Millionen Euro sorgen würde. In Berlin und Brandenburg könnte die Barmer zusammen rund 8,6 Millionen Euro einsparen, bei einer gleichbleibend guten Versorgung der Versicherten.