Welche gesundheitlichen Effekte hat der digitale Wandel für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Dieser Frage geht die repräsentative Längsschnittstudie mit dem Titel „Digital arbeiten und gesund leben“ nach. Über drei Jahre hinweg haben die Wissenschaftler der Universität St. Gallen 8.046 Beschäftigte aller Branchen befragt. Die Ergebnisse der Studie wurden am 16. Oktober 2019 im Rahmen des Unternehmerforums in Potsdam vorgestellt. Die Standortinfo fasst die zentralen Ergebnisse zusammen.
Emotionale Erschöpfung bei Brandenburger Beschäftigten
In Brandenburg sind die gesundheitlichen Folgen der Digitalisierung am Arbeitsplatz stärker spürbar als im Bundesdurchschnitt. 26 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leiden an emotionaler Erschöpfung, zwei Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt. Emotionale Erschöpfung lässt sich laut der Studie zu 20 Prozent auf die digitale Überlastung zurückzuführen. Ausgelöst wird sie durch die ständige Erreichbarkeit, die Menge an zu verarbeitenden Informationen und den technologischen Anpassungsdruck. Jüngere Beschäftigte nehmen diese Belastungen stärker wahr als ältere Beschäftigte. So fühlen sich 31 Prozent der 18- bis 29-Jährigen, 28 Prozent der 30- bis -39-Jährigen und 25 Prozent der 40- bis 49-Jährigen emotional erschöpft. Bei den 50- bis 59-Jährigen sind es hingegen nur 19 und bei den über 60-Jährigen nur noch sieben Prozent.
Fast jeder Zweite nutzt Dienstgeräte in der Freizeit
Die emotionale Erschöpfung verstärkt sich, wenn Handy, Tablet oder Laptop zu Arbeitszwecken in der Freizeit genutzt werden. 25 Prozent der Beschäftigten, die dies tun, fühlen sich emotional erschöpft. Unter den Beschäftigten, die darauf verzichten, sind es 23 Prozent. Bundesweit gaben 44 Prozent der Arbeitnehmer an, dienstliche Endgeräte auch in der Freizeit zu Arbeitszwecken zu nutzen. In Brandenburg sind es sogar 46 Prozent.
Konflikte zwischen Beruf und Privatleben
Die Nutzung digitaler Endgeräte zu Arbeitszwecken in der Freizeit verschärft außerdem Konflikte zwischen Beruf und Privatleben. Bei den Beschäftigten, die mobile Endgeräte zu Arbeitszwecken in ihrer Freizeit nutzen, lag der Anteil der Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben im Jahr 2018 mit 28 Prozent deutlich höher als bei Beschäftigten, die dies nicht tun. Von ihnen bestätigten lediglich 18 Prozent derartige Konflikte.
Die Längsschnittstudie der Barmer zeigt aber, dass die Beschäftigten in den vergangenen Jahren gelernt haben, besser mit diesem Konflikt umzugehen. So lag der Anteil der belasteten Beschäftigten im Jahr 2016 bei rund 25 Prozent, im Jahr 2017 bei 23 Prozent und im Jahr 2018 bei 22 Prozent. Gelingt es Beschäftigten, ihre dienstliche Kommunikation in der Freizeit aktiv zu begrenzen, gehen in der Folge Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben zurück, was wiederum zu weniger emotionaler Erschöpfung führt.
Kommunikationsmuster entscheidend
Ob eine Reduzierung der beruflichen Nutzung von mobilen Endgeräten in der Freizeit gelingt, hängt laut Studie maßgeblich von den Kommunikationsmustern zwischen Beschäftigten und Führungskraft ab. Während rund 58 Prozent der Beschäftigten in Deutschland hauptsächlich durch persönliche Gespräche mit ihrer Führungskraft kommunizieren, kommen bei 35 Prozent auch Telefon und E-Mail hinzu. Sieben Prozent nutzen neue digitale Informations- und Kommunikationstechnologien wie Kurznachrichten, soziale Netzwerke oder Videotelefonie. Im Vergleich zu Beschäftigten mit geringer digitaler Kommunikation nutzt diese Gruppe digitale Endgeräte zur Arbeitszwecken in der Freizeit wöchentlich rund zwölf Stunden mehr und haben zu 21 Prozent mehr Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben. Je häufiger eine Führungskraft mobil arbeitet, desto stärker ist die digitale Überlastung der Beschäftigten.
Maßvoller Einsatz digitaler Technologien stärkt Mitarbeiter
Einen positiven Effekt hat die Digitalisierung auf die Gesundheit der Beschäftigten, wenn sie flexible Arbeitszeiten und -bedingungen ermöglicht. Hier besteht in Brandenburg noch Nachholbedarf. Laut Studie hat nur jeder vierte märkische Beschäftigte die Möglichkeit, zum Beispiel im Home-Office zu arbeiten. Im benachbarten Berlin hingegen kann dies fast jeder dritte und im Bundesdurchschnitt 28 Prozent der Beschäftigten.
Die Längsschnittstudie hat gezeigt, dass Beschäftigte, die zwischen den Befragungszeitpunkten in ein flexibleres Arbeitszeitmodell wechselten, ihr gesundheitliches Wohlbefinden und ihre Arbeitszufriedenheit steigern konnten. Laut Studie könnten Vorgesetzte durch einen partizipativen Führungsstil und die Förderung der individuellen Stärken ihrer Mitarbeiter diese vor den negativen Effekten digitaler Überlastung schützen. So fühlten sich Beschäftigte, die ihre individuellen Stärken besser einsetzen können, trotz digitaler Überlastung deutlich gesünder als diejenigen, die ihre Stärke kaum einbringen können.