Zwei Drittel der Eltern von Kindern im Kita-Alter versäumen, mit ihren Kindern zur zahnärztlichen Vorsorge zu gehen. Im Jahr 2018 waren in Brandenburg nur 36,1 Prozent und in Berlin nur 35 Prozent der 2,5- bis 6-Jährigen bei einer zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchung. Das geht aus dem Zahnreport 2020 der Barmer hervor. „Wer mit seinen Kindern nicht zur Vorsorge zum Zahnarzt geht, bringt sie um die Chance, mit gesunden Zähnen aufzuwachsen. Kinder mit kariösen Milchzähnen haben meist auch schlechte bleibende Zähne und können ein Leben lang darunter leiden“, sagt Gabriela Leyh, Landesgeschäftsführerin der Barmer Berlin/Brandenburg und verweist darauf, dass zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen schon ab dem sechsten Lebensmonat Kassenleistung seien.
Kinder in Brandenburg und Berlin haben überdurchschnittlich häufig Karies
Nach Abrechnungsdaten der Barmer waren in Brandenburg 35,6 Prozent und in Berlin 36,3 Prozent der 12-Jährigen wegen Karies im Jahr 2018 beim Zahnarzt. Der Bundesdurchschnitt lag bei 33,2 Prozent. Auffällig sei, dass sich die Karieslast sehr ungleich auf die Kinder in Deutschland verteile. So konzentrierten zehn Prozent der Kinder, die im Jahr 2018 wegen Karies behandelt wurden, rund 85 Prozent der zahnärztlichen Therapiekosten auf sich. „Es sind die Kinder aus einkommensschwachen Familien, die am häufigsten Füllungen und Wurzelbehandlungen bekommen und nur schwer mit Präventionsangeboten zu erreichen sind“, so Leyh. Sie schlägt vor, dass Eltern in der Kita einen Zahnarztbesuch ihres Kindes nachweisen müssen, ähnlich wie es bei der Masernschutzimpfung praktiziert wird.
Corona-Schließungen verschärft gesundheitliche Ungleichheit
Präventionsmaßnahmen standen in diesem Jahr ohnehin unter einem ungünstigen Stern. Wegen der Corona-Pandemie und des Lockdowns im Frühjahr haben in Berlin seit dem 17. März keine Vorsorgeuntersuchungen an Berliner Kitas und Grundschulen mehr stattgefunden. Normalerweise erreichen die zahnärztlichen Dienste der Gesundheitsämter im Rahmen dieser gruppenprophylaktischen Untersuchungen jährlich über 80 Prozent der gemeldeten Kindergartenkinder und Grundschülerinnen und Grundschüler.
„Leider sind die Folgen des Lockdowns nicht spurlos an den Gebissen der Kinder vorbeigegangen“, sagt Andreas Dietze, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft zur Verhütung von Zahnerkrankungen e.V. „Gerade aus sozialen Brennpunkten hören wir, dass sich die Zahngesundheit spürbar verschlechtert hat. Die ständige Zugriffsmöglichkeit auf Süßigkeiten beim gleichzeitigen Wegfall des Zähneputzens in den Kitas während dieser Zeit führt leider dazu, dass Kinder, die bereits vorher schon deutlich schlechtere Zähne hatten, noch mehr bei der Zahngesundheit benachteiligt werden.“
Rätselhaftes Phänomen der Kreidezähne
Mit Sorge betrachtet die Barmer außerdem die Zunahme der Molarenen-Inzisiven-Hypermineralisation (MIH) bei Kindern. Bei dieser Erkrankung, umgangssprachlich auch Kreidezähne genannt, handelt es sich um eine gestörte Zusammensetzung des Zahnschmelzes. Sie äußerst sich durch eine weiß-gelbliche oder gelb-bräunliche Verfärbung sowie durch hohe Schmerzempfindlichkeit der Zähne. Im schlimmsten Fall bricht der Zahnschmelz ab. In Brandenburg wurden im Jahr 2018 neun Prozent der Kinder wegen einer MIH behandelt, so viele, wie in keinem anderen Bundesland. In Berlin waren es sechs Prozent. Die Ursachen der MIH sind noch nicht erforscht. Es werden Zusammenhänge mit Schwangerschaftsproblemen, der Einnahme von Antibiotika und Plastik-Weichmachern in Nahrungsmitteln vermutet.